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Badische Fundberichte: amtl. Nachrichtenbl. für die ur- u. frühgeschichtl. Forschung Badens — 15.1939

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Besprechungen
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Goessler, Peter: [Rezension von: Ernst Wahle, Vorzeit am Oberrhein]
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https://doi.org/10.11588/diglit.42536#0132

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128

Besprechungen

mit Beigaben versehenen. Reihengräber aushören, sind glücklich gewählt. Das erste, „die
LI r zeit", beschäftigt sich mit dem Paläo- und Mesolithikum. Letzteres wird zeitlich und
sachlich unmittelbar an jenes angeschlossen, so daß der Hiatus zwischen mittlerer und jün-
gerer Steinzeit wieder da ist. Das hat weithin seine Berechtigung. Der Ülnterschieö der
Wirtschaftsform und des Verhältnisses des Manschen zur umgebenden Natur ändert sich in
beiden nicht grundlegend. Das Geschichtsbild ermangelt für beide Perioden der indivi-
duellen Ausprägung, insbesondere fehlt auch die Verbindung mit der Landschaft. Für
die Fragen nach dem Blutserbe mangeln am Oberrhein einstweilen für diese älteste Zeit
noch anthropologische Funde. Es läßt sich daher nicht mehr sagen, als sonst bekannt ist,
nämlich daß die langschädligen Menschen, welche die jüngere Phase der paläolithischen
Nrkultur tragen, zum Ausgang europäischer Rassen der Gegenwart gehören (S. 15). Da-
mit ist freilich nicht viel gesagt. Mehr bedeutet die Verbindung des Problems der süd-
deutschen Brachhkephalie, d. h. der Kurzschädel, die, im heutigen Bild der noröalpinen
Zone als Menschen zugleich mit dunklerer Augen- und Haarfarbe zahlreich vertreten, die
Anthropologen, Geographen und Historiker immer schon beschäftigt haben, mit dem ersten
Auftreten der Kurzschäöel in der Ofnet, deren Schädelbestattung jedoch mit größerer
Wahrscheinlichkeit dem Endpaläolithikum als dem Mesolithikum zuzuweisen ist.
Es folgt das zweite Kapitel „Die Bauernvölker der jüngeren wteinzeit".
Zu Beginn werden plötzlich und kurz, auch ohne ausführlichere Begründung in den An-
merkungen, die absoluten Eiszeitzahlen der Geologen und Astronomen als verbindlich
angenommen, gleich nachher aber die Anwendung dieser Zergliederung auf „unser küsten-
fernes Alluvium" abgelehnt. Auch in der Datierung des Neolithikums, das auf die
Hahre 3000—2000 eingeschränkt wird, zeigt sich ein gewisses Schwanken, sofern in Anm. 8
(S. 99) zwingende Beweise für diese Zusammendrängung verneint werden. Es will mir der
dem neolithischen Bauern vorangehende neolithische Häger, der für Gefäße noch nicht den
Ton, sondern nur Holz kannte, als notwendige Arbeitshypothese mindestens für die Er-
klärung des langen Nachlebens mesolithischer Werkzeugformen erscheinen, brauchbarer
jedenfalls, als der S. 17 geäußerte Appell an den Zufall, durch den mesolithische Mikro-
lithen in die Füllung neolithischer Hüttenplätze geraten seien. Gut herausgearbeitet ist
alsdann die Pflugkultur und ihre Einwanderung bei uns von Westen und Osten her, die
diese Kultur als etwas ganz Neues mitbringt — letzten Endes Wohl aus Dorderasien, meint
der Vers., da hier schon seine bekannte Auffassung der östlichen Hndogermanenheimat her-
einspielt, die er dann im Kapitel „Hnöogermanisierung und Keltenzeit" bei
Schilderung der spätesten Steinzeit, des schnurkeramischen Kreises, entwickelt. Res. teilt diese
Ansichten nicht, ohne jedoch hier in eine Auseinandersetzung eintreten zu können. Auch die
völlige Ablehnung der seitherigen Steppenheide-Theorie als grundlegend für die Deutung
der Siedlungswahl der Neolithiker und ihren Ersatz durch den vorwiegenden Eichenmisch-
wald des mitteleuropäischen Binnenlandes, einen lichten Steppenwald, möchte ich nicht
billigen; jene hatte nur den Hauptfehler allzugroßer Exklusivität. Wie Wahle Anm. 2
S. 98 selbst andeutet, zeigt der Llrheber des Steppenheidephänomens jetzt eine neue Deu-
tung (Gradmann, Geogr. Zeitschr. 1936, 378 ff.), arrs der sich ergibt, daß die wilde Felö-
graswirtschaft der alten Zeit und ihre düngerlose Form des Getreidebaus doch weithin,
wenn auch nicht ausschließlich an die Steppenheidegebiete gebunden ist. Auch eine völlige
Ablehnung der Klimaschwankungen halte ich nicht für richtig. Ohne darauf einzugehen,
verweise ich nur kurz auf archäologische Beobachtungen, wie ich sie z. B. auf dem Lochen-
stein oder in Mergentheim gemacht habe und die ohne Annahme eines totalen Klima-
sturzes nicht zu erklären sind (Fundb. Schw. N.F. II, 101; vgl. guch Fundb. Schw.
1913, 15 ff.).
Das neolithische Bild der Gegend am Oberrhein, wie es W. entwirft, verdankt einen
Teil seiner Durchsichtigkeit der Ablehnung der durch das Hereinkommen des nordischen
Kreises gegebenen Mischstile. Stichkeramik als solche lediglich als eine „mehr nur äußere
Dinge betreffende Welle" zu erklären und das süddeutsche Rössen für verhältnismäßig
bedeutungslos und sein Auftreten als keinem Bevölkerungswechsel entsprechend zu er-
klären, ist unmöglich. Was über die Schichten auf dem Goldberg bekannt ist oder, was ich
etwg im Oberamt Leonberg beobachtet habe (Ob. Deschr. Leonb. S. 132 und S. 147 über die
Verteilung von linear- und tiefstichkeramischen Siedlungen), ist mit Wahles skeptischen
Ansichten unvereinbar, wenn auch seine Gegenwehr gegen eine rein, nordische Ausdeutung
gewisser Psahlbaureste an sich begreiflich ist. Aber daß der oberrheinische Raum von dem
nordischen Kreis überhaupt nicht erreicht wird, geht viel zu weit, wenn dieser auch hier von
den zwei anderen Kreisen, dem westlichen und dem östlichen, fast zugedeckt wird. Aber
deren Zusammentreffen wird S. 31 für den Goldberg gesagt, daß die Michelsberger Schicht
über derjenigen der Donaukultur liege. Tatsächlich hat letztere den Goldberg überhaupt
nicht erreicht; vielmehr beginnt hier die Besiedlung mit Rössen, worauf Michelsberg folgt,
fo daß also jedenfalls hier Michelsberg zeitlich hinter die Rössener und vollends die
 
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