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Und Donnerstag:
Das Wetterleuchten stell ich ein.
Treuherzig will Euer Bruder sein.
Freitag sang leise vor sich hin:
Am Himmel glänzt der Abendstern.
Er leuchtet so schön. Ich seh ihn so gern.
Samstag aber rief lustig:
Meine Haut ist überall glatt und weiß.
Auch schwing ich wieder das Besenreis.
So war es auch. Die Geschwister waren wieder Kinder geworden und kehrten gerade so zu
der Eiche zurück, wie sie von ihr hinweg in die Welt hinaus gezogen waren.
Als sie unter dem hohen Baum angekommen waren, trat der alte Mann mit dem langen
weißen Bart hinter ihm hervor.
Guten Abend, Herr Pate, riefen die Geschwister; die älteste reichte dem jüngsten die Hand,
so bildeten sie einen Kreis und machten Ringelreihen um den Baum und um den alten Mann.
Genug jetzt, sagte der Pate. Ihr seid lang ausgeblieben. Euere Eltern haben auf Euch gewartet
bis Mitternacht, dann haben sie sich zur Ruhe gelegt, und ich habe sie zugedeckt. Suchet sie
nicht; sie schlafen süß. Und jetzt gehet auch Ihr heim. Ihr werdet müde sein.
Da gaben ihm die Kinder alle noch einmal die Hand und sagten gute Nacht, und dann gingen
sie in langer Reihe auf dem dämmernden Waldweg zwischen den schwarzen Bäumen hin der
elterlichen Hütte zu.
Die Sterne erblaßten und der Morgen graute, als sie heim kamen. Aber wie verwunderten sie
sich: Die kleinen Tannenbäumchen vor der Hütte waren große Bäume geworden. Die Hütte
sah alt und verwittert aus, und auf ihrem Dache lag dickes, grünes Moos. In dem Hüttchen
selbst war es totenstill, aber auf den Bäumen ringsum zwitscherten die Meisen, und im fernen
Felde schlug eine Wachtel.
Die Türe war angelehnt, und im Morgenschimmer sahen sie auf dem oberen Türbrett eine
Inschrift. Sie war mit Kreide geschrieben von des Vaters Hand, und das überragende Dach
hatte die Buchstaben geschützt. Die Inschrift lautete:
Gute Nacht, liebe Kinder. Es hat uns zu lange gedauert. Wir sind schlafen gegangen.
Als die Kinder in die Stube traten, siehe, da war der Tisch zusammengebrochen vor Alter,
und auch die Bänke und der Stuhl der Mutter fielen in sich hinein, ganz mürb und morsch,
als der Boden unter den Tritten der Heimkehrenden knarrte.
Ich bin sehr müde, sagte Sonntag und legte sich auf den Boden. Montag legte sich neben
sie, und Sonntag faßte mit beiden Händen ihrer Schwester Hand und verbarg ihr Gesicht in
ihrer Schwester Schulter. Dienstag streckte sich neben Montag aus, dann legte sich Mittwoch
daneben, und an seiner Seite fand Donnerstag seinen Schlafplatz. Die beiden Kleinen aber
waren noch ein wenig draußen geblieben. Sie wischten mit taufeuchtem Moose die Inschrift

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