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Dr. Eduard Freih. von Sacken,
2. Reihe. Ein heil. Bischof mit Buch, zu seinen Füssen eine Krone; der heil. Leonhard mit
einem Schlosse. — Stephan und Laurentius. — Anton von Padua und Oswald mit Krone und Scepter,
auf der Hand einen Raben, der einen Ring im Schnabel hält.
3. Ein jugendlicher Märtyrer im langen blauen Kleid, einen Palmzweig in der Hand; ein Pilger
mit Kranz (Coloman?). — Ulrich und Wolfgang als Bischöfe. — Nicolaus, Gefangene speisend.
4. Reihe. St. Käme muss oder Wilgefortis, eine gekrönte, bärtige Jungfrau in violetter
Tunica mit goldenem Gürtel ans Kreuz geheftet, bei dem ein Violinspieler kniet, dem die Heilige ihren
goldenen Schuh hinabfallen liess 1). — Maria mit dem Kinde in Strahlenglorie auf dem als Gesicht
gebildeten Monde stehend. — Der heil. Christoph, das Christkind durch den Fluss tragend.
Diese herrlichen Glasmalereien tragen noch ganz den älteren Typus an sich, wie er in Deutsch-
land herrschend war bis durch die van Eycks ein Aufschwung eintrat, der sich auch auf die Glasmalerei,
die'doch sonst nicht immer mit der Tafelmalerei Hand in Hand ging, erstreckte. Eigenthümlich sind
die geschwungenen (nicht heraus, sondern seitwärts gebogenen) Leiber, die gezogenen, reichen Falten
der an den Schultern anliegenden Gewänder, die zierlich mit parallelen Strichen gezeichneten Haare,
die, in der Mitte gescheitelt, oben glatt, manchmal über der Stirne eine einzelne Locke lassend, in
einfachen, wellenartigen Linien zurücklaufen, wenig gelockt, ferner die langen Augen mit weit oben
sitzenden Sternen, die dicken Nasen und die stumpfe Zeichnung der Hände, deren Finger keine scharfe
Biegung zeigen. Die Farben sind sehr intensiv, von leuchtender Gluth, besonders das Roth und Blau.
Die Bilder sind mosaikartig aus Stücken in der Masse gefärbten Frittglases (Hüttenglases ohne Über-
fang) zusammengesetzt, die einzige aufgetragene Farbe ist Schwarzloth, mit der die Details gezeichnet
sind. Der gesammte Kunstcharacter 2), die Technik, die Trachten, sowohl die weltlichen als die der
Krieger (Panzerhemden, Bassinet etc.), endlich die Form der Buchstaben (gothische Minuskeln) weisen
auf das Ende des XIV. Jahrhunderts als Zeit der Anfertigung hin. Hiermit stimmt das Epitaph des
Pfarrers Ulrich in der 6. Reihe des dritten Fensters überein. Wahrscheinlich starb dieser während des
Baues der Kirche und machte ein Vermächtnis» für die schon begonnenen oder nur projectirten gemal-
ten Fenster, die grossentheils aus Stiftungen von Gewerbsleuten, die als Donatoren dargestellt sind,
beigeschafft wurden. Die als Stifterin in der 1. Reihe des 3. Fensters erscheinende Fürstin ist dem
Wappen zufolge und nach ihrer Tracht eine Herzogin von Österreich, vermut blich Beatrix, die zweite
Gemahlin Herzog Albrechts III. mit dem Zopfe (verm. 1375, f 1414), Tochter des Burggrafen Fried-
rich V. von Nürnberg. Die linke Schildhälfte (s. Fig. 35) scheint keine Wappenfigur zu enthalten, sondern
nur zur Ausfüllung interimistisch oder bei Unkenntniss des Familienwappens angebracht worden zu sein.
Einen ganz verschiedenen Character und eine vorgeschrittene Technik (Überfanggläser) zeigen
die zwei Tafeln der 3. Reihe des dritten Fensters, die zufolge der Inschrift 1506 gefertigt wurden; die
grosse Verschiedenheit von den übrigen zeigt schon, dass diese um ein Bedeutendes älter sein müssen.
1) Die merkwürdige Legende dieser in Tirol, Vorarlberg und am Rhein noch jetzt allgemein bekannten und verehr-
ten Heiligen s. Acta Sanetorum, Julius T. V. p. 50.— Bergmann in den „Mittheiltingen der Central-Commiss.“
I, 132. — Bilder: in einer Capelle an der Strasse bei Gaming, auf dem Levitenkleid der prachtvollen burgun-
dischen Paramente in der k. k. Schatzkammer, im Kreuzgange des Münsters zu Brixen, zu Rankweil und an
mehreren Orten Tirols, häufig in Belgien und den Rheinlanden.
2) Diesem zufolge sind die Glasmalereien wohl jünger als die zu Klosterneuburg, aber älter als die in der Burg-
capelle zu Wr. Neustadt; sie sind denen der Kirche Maria am Gestade, die um 1370 gemacht sein dürften, sehr
verwandt. Die angeführten Glasschildereien, sowie die bei St. Stephan in Wien, zu Göttweih, im Neukloster zu
Wr. Neustadt, zu Heiligenkreuz, dann zu Wels, Kremsmünster u. s. w. bezeugen die grosse Thätigkeit, welche
in dieser Kunst zu Ende des XIV. und Anfang des XV. Jahrhunderts in Österreich herrschte.
Dr. Eduard Freih. von Sacken,
2. Reihe. Ein heil. Bischof mit Buch, zu seinen Füssen eine Krone; der heil. Leonhard mit
einem Schlosse. — Stephan und Laurentius. — Anton von Padua und Oswald mit Krone und Scepter,
auf der Hand einen Raben, der einen Ring im Schnabel hält.
3. Ein jugendlicher Märtyrer im langen blauen Kleid, einen Palmzweig in der Hand; ein Pilger
mit Kranz (Coloman?). — Ulrich und Wolfgang als Bischöfe. — Nicolaus, Gefangene speisend.
4. Reihe. St. Käme muss oder Wilgefortis, eine gekrönte, bärtige Jungfrau in violetter
Tunica mit goldenem Gürtel ans Kreuz geheftet, bei dem ein Violinspieler kniet, dem die Heilige ihren
goldenen Schuh hinabfallen liess 1). — Maria mit dem Kinde in Strahlenglorie auf dem als Gesicht
gebildeten Monde stehend. — Der heil. Christoph, das Christkind durch den Fluss tragend.
Diese herrlichen Glasmalereien tragen noch ganz den älteren Typus an sich, wie er in Deutsch-
land herrschend war bis durch die van Eycks ein Aufschwung eintrat, der sich auch auf die Glasmalerei,
die'doch sonst nicht immer mit der Tafelmalerei Hand in Hand ging, erstreckte. Eigenthümlich sind
die geschwungenen (nicht heraus, sondern seitwärts gebogenen) Leiber, die gezogenen, reichen Falten
der an den Schultern anliegenden Gewänder, die zierlich mit parallelen Strichen gezeichneten Haare,
die, in der Mitte gescheitelt, oben glatt, manchmal über der Stirne eine einzelne Locke lassend, in
einfachen, wellenartigen Linien zurücklaufen, wenig gelockt, ferner die langen Augen mit weit oben
sitzenden Sternen, die dicken Nasen und die stumpfe Zeichnung der Hände, deren Finger keine scharfe
Biegung zeigen. Die Farben sind sehr intensiv, von leuchtender Gluth, besonders das Roth und Blau.
Die Bilder sind mosaikartig aus Stücken in der Masse gefärbten Frittglases (Hüttenglases ohne Über-
fang) zusammengesetzt, die einzige aufgetragene Farbe ist Schwarzloth, mit der die Details gezeichnet
sind. Der gesammte Kunstcharacter 2), die Technik, die Trachten, sowohl die weltlichen als die der
Krieger (Panzerhemden, Bassinet etc.), endlich die Form der Buchstaben (gothische Minuskeln) weisen
auf das Ende des XIV. Jahrhunderts als Zeit der Anfertigung hin. Hiermit stimmt das Epitaph des
Pfarrers Ulrich in der 6. Reihe des dritten Fensters überein. Wahrscheinlich starb dieser während des
Baues der Kirche und machte ein Vermächtnis» für die schon begonnenen oder nur projectirten gemal-
ten Fenster, die grossentheils aus Stiftungen von Gewerbsleuten, die als Donatoren dargestellt sind,
beigeschafft wurden. Die als Stifterin in der 1. Reihe des 3. Fensters erscheinende Fürstin ist dem
Wappen zufolge und nach ihrer Tracht eine Herzogin von Österreich, vermut blich Beatrix, die zweite
Gemahlin Herzog Albrechts III. mit dem Zopfe (verm. 1375, f 1414), Tochter des Burggrafen Fried-
rich V. von Nürnberg. Die linke Schildhälfte (s. Fig. 35) scheint keine Wappenfigur zu enthalten, sondern
nur zur Ausfüllung interimistisch oder bei Unkenntniss des Familienwappens angebracht worden zu sein.
Einen ganz verschiedenen Character und eine vorgeschrittene Technik (Überfanggläser) zeigen
die zwei Tafeln der 3. Reihe des dritten Fensters, die zufolge der Inschrift 1506 gefertigt wurden; die
grosse Verschiedenheit von den übrigen zeigt schon, dass diese um ein Bedeutendes älter sein müssen.
1) Die merkwürdige Legende dieser in Tirol, Vorarlberg und am Rhein noch jetzt allgemein bekannten und verehr-
ten Heiligen s. Acta Sanetorum, Julius T. V. p. 50.— Bergmann in den „Mittheiltingen der Central-Commiss.“
I, 132. — Bilder: in einer Capelle an der Strasse bei Gaming, auf dem Levitenkleid der prachtvollen burgun-
dischen Paramente in der k. k. Schatzkammer, im Kreuzgange des Münsters zu Brixen, zu Rankweil und an
mehreren Orten Tirols, häufig in Belgien und den Rheinlanden.
2) Diesem zufolge sind die Glasmalereien wohl jünger als die zu Klosterneuburg, aber älter als die in der Burg-
capelle zu Wr. Neustadt; sie sind denen der Kirche Maria am Gestade, die um 1370 gemacht sein dürften, sehr
verwandt. Die angeführten Glasschildereien, sowie die bei St. Stephan in Wien, zu Göttweih, im Neukloster zu
Wr. Neustadt, zu Heiligenkreuz, dann zu Wels, Kremsmünster u. s. w. bezeugen die grosse Thätigkeit, welche
in dieser Kunst zu Ende des XIV. und Anfang des XV. Jahrhunderts in Österreich herrschte.