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TJcrocgüng

Deutsch-japanische
Kulturbeziehungen

Von Admiral z.V. Richard Foerster, Präsident der Deutsch-Japanischen Gesellschaft

Japans Kulturberührung mit Deutschland Ist
älter als das moderne japanische Reich, das
sich mit der Meiji-Restauration dem westlichen
Einfluß aufschloß. Als vor mehr als 300 Jahren,
nach verhältnismäßig kurzen Handels- und Mis-
sionsbeziehungen mit Spanien und Portugal,
eine weise Shogunatsregierung das Land her-
metisch gegen die Welt abschloß, gestand sie
einer kleinen und ihr damit nicht gefährlich
erscheinenden Macht, den Holländern, eine
gut überwachte Handelsfaktorei in Nagasaki
zu. Dort durften die Mijnheers unter ziemlich
demütigenden Bedingungen Handel treiben,
denn das Shogunat wußte wohl, daß Kanonen
und vieles andere aus dem Westen gut zu
brauchen war.

In den beiden Jahrhunderten bis zur Auf-
schließung Japans sickerte aus der holländi-
schen Handelsfaktorei so manche Kenntnis
abendländischer Kulturgüter durch, und es
waren — abgesehen von der Deutschstämmig-
keit der Holländer selbst — nicht wenige
reichsdeutsche Anregungen, die da aufgegrif-
fen wurden. Schon die Mito-Schule, eine Art
von Clans-Akademie mit staatserneuernden
Tendenzen, sammelte bereits vor der Meiji-Zeit
deutsche militärwissenschaftliche Literatur,
deren saubere Abschriften erhalten sind. Vor
allem fanden naturwissenschaftliche, im Vor-
dergrund medizinische Erkenntnisse aus
Deutschland langsam aber stetig Eingang. Zwei
große Deutsche, die im Dienste der holländi-
schen Faktorei tätig waren, hinterließen stär-
kere Wirkung, der Arzt Kämpfer im 17.
Jahrhundert, von dem das erste deutsche Ja-
panbuch stammt, und der bedeutende Naturwis-
senschaftler und Mediziner Frhr. v. Siebold
im 19. Jahrhundert, der auch eine vielfältige
und auch heute nicht voll ausgeschöpfte Lan-
deskunde Japans hinterließ.

Deutsche Wissenschaft in Japan

In Deutschland war in dieser Zeit Japan ver-
treten höchstens durch ein paar zufällig dahin-
verschlagene Keramiken oder in Sammlungen
exotischer Kuriositäten.

Als Japan seit 1853 die plötzliche Wendung
zum Westen vollzog und sein Reich erneuerte,
begann die zweite Phase der Beziehungen,
indem der Welthorizont abgesucht wurde nach
allem, was nur zu lernen war. Stand zuerst
der pazifische Nachbar Amerika und das Welt-
reich Britannien naturgemäß im Mittelpunkt
des Interesses, so wandte Japan sich doch, be-
sonders nach Preußens Sieg über Frankreich
und dem mächtigen Aufblühen des zweiten
Reiches, bald mit großer Energie Deutschland
zu; und zwar waren es deutsche Militär-
organisation und deutsche Wissen-
schaft, die zu studieren am meisten ver^
lockte. Das japanische Heer wurde nach preu-
ßischem Vorbild neu organisiert, und der deut-
sche Einfluß auf das japanische Heerwesen;
blieb bis zum Weltkrieg vorherrschend. Die
deutsche Wissenschaft zog in vielen Zweigen,
allen voran Medizin und Philosophie, in die
neu gegründeten japanischen Universitäten ein
und wurde zum großen Teil durch deutsche
Professoren und Experten gelehrt, die erst all-
mählich von dem heranwachsenden Nachwuchs
des Landes abgelöst wurden. Die japanische
Intelligenz wurde nun auf vielen Kulturgebie-
ten mit Deutschland bekannt, zahllose junge
und älteru Gelehrte s'tudierten auf deutschen
Hochschulen weiter, die deutsche Sprache er-
hielt als zweite Fremdsprache nach dem Eng-
lischen in allen akademischen Unterrichts-
anstalten eine hohe Stellung, wissenschaftliche
Forschungsberichte von japanischen Gelehrten
erschienen vielfach in deutscher Sprache, Ärzte
schrieben ihre Krankenzettel deutsch, zahl-
reiche Einrichtungen der Rechtspflege und Ver-
waltung wurden nach deutschem Muster ge-
schaffen.

War dieses Verhältnis auch noch so ein-
seitig, eben das des Lehrers und Schülers, so
brachten doch nun heimkehrende deutsche Ge-
lehrte und Kaufleute auch ein immer lebendi-
geres Bild dieses Volkes mit zurück und ver-
breiteten allmählich eine gewisse Japankennt-
nis, wenn auch noch im kleinsten Rahmen.
Bei der dem Deutschen eigenen Gründlichkeit
war schon vor 70 Jahren von Gelehrten und
Kaufleuten in Tokio eine Gesellschaft zur Er-
forschung des Landes gegründet worden (die
„Deutsche Gesellschaft für Natur-
und Völkerkunde Ostasiens"), aus
der sich die Grundlagen einer deutschen Japan-
kunde herausentwickelten, die dann allmählich
auch an einigen deutschen Universitäten ihren
bescheidenen Platz fand.

Nie dürfen wir es den Japanern vergessen,
daß sie auch nach dem Niederbruch Deutsch-
lands und während des Jahrzehnts seiner völli-
gen politischen Ohnmacht das Vertrauen auf

den deutschen Geist hochgehalten haben. Zwar
bedeutete Deutschland zwischen 1920 und 1930
dem Japaner eine politische Ordnung gering-
ster Größe und wurde auch in den Schulbüchern
aus der Zahl der fünf Großmächte gestrichen
(an seine Stelle trat Italien),» aber in keinem
Lande der Welt konnte sich unsere Sprache
und Wissenschaft in dieser traurigsten Zeit
eines so nachhaltigen Einflusses rühmen wie in
Japan. Das Land der Denker und Dichter, das
politisch aufgegeben war, blieb für den Japa-
ner ein wichtiger Schauplatz geistiger Vor-
gänge.

Auch auf deutscher Seite fand die neue Welt-
macht Japan zunehmende Beachtung, so daß
sich das Bedürfnis nach einer geregelten kul-
turellen Austauschtätigkeit hüben und drüben
bemerkbar machte. In den Jahren 1926/27 wur-
den mit staatlicher Unterstützung beider Län-
der die Kultur institute in Tokio und
Berlin als eine erste feste Grundlage des
künftigen Kulturaustausches ins Leben gerufen.

Seit Japan mit dem Mandschurei-Zwischenfall
von 1931 von Jahr zu Jahr in steigendem
Maße den Weg zu sich selbst, zu den eigen-
artigen Werten seiner bodenständigen Kultur
zurückfand, begann es auch dem Wesen der
ihm friedlich oder feindlich gegenüberstehen-
den Völker ein ganz neues Interesse zuzuwen-
den. Erst als durch die Taten des Führers
politisches und kulturelles Wollen wieder zu
einer Einheit zusammenwuchsen und die Blicke
des deutschen Volkes auf das große Geschehen
der Weltpolitik gelenkt worden waren, konnte
die Möglichkeit einer engen Verbindung mit
Japan neu entdeckt werden. Aus einer völlig
neuartigen Schau des gegenwärtigen Welt-
geschehens wurd"'i auc* die Twischpuvflllrl- .
sehen Beziehungen in einer völlig neuen Ebene

^aßt. Für die deutsch-japanischen Kultur-
beziehungen ergaben sich daraus eine Reihe
von Notwendigkeiten.

Das Gewicht der politischen deutsch-japani-
schen Beziehungen, das durch die Entwick-
lung der letzten Jahre ständig zugenommen
hat und nunmehr in der engsten Waffenbrüder-
schaft des Entscheidungskrieges kulminiert,
muß im kulturellen Austausch seine Entspre-
chung finden, d. h. es müssen die Menschen,
der Nachwuchs, die Energien, die staatliche
Förderung der finanziellen Mittel eingesetzt
werden, die zu diesem Zweck erforderlich sind.

Es muß sich in der wissenschaftlichen Be-
schäftigung um die Erfassung des Gesamtbil-
des vom andern Lande handeln, um die Er-
kenntnis seiner rassischen, völkischen, staat-
lichen, wehrmäßigen, wirtschaftlichen und kul-
turellen Eigenart. Die beiden Völker müssen
zu einem weitgehenden gegenseitigen Begrei-
fen und Verstehen gelangen. Die. zwischenvöl-
kischen Beziehungen müssen die Gelegenheiten

Amerika und England haben die japanische Stärke, die sich hier in der

Kriegsflotte offenbart, bereits zu spüren bekommen Aufa.: pbz

schaffen, um eine echte, breite und nie mehr
abreißende Fühlungnahme von Mensch zu
Mensch zwischen den beiden Völkern herbei-
zuführen. Die beiden Völker müssen sich in
möglichst weiten Kreisen persönlich nahe
kommen.

Hier liegen die großen Aufgaben der beiden
Kulturinstitute und der deutsch-japani-
sche ^Gesellschaft in Zusammenarbeit
mit den zuständigen Staats- und Parteidienst-
stellen. Die Reichsstudentenführung und die
Reichsjugendführung haben in dieser Hinsicht
bereits seit Jahren wertvolle praktische Arbeit
geleistet. Nachdem ein staatliches deutsch-
japanisches Kulturabkommen die

Grenzen abgesteckt und die grundsätzlichen
Voraussetzungen geschaffen hat, und ständige
Ausschüsse in beiden Ländern sich die Durch-
führung des Abkommens angelegen sein las-
sen, liegt es den genannten zwischenstaatlichen
Einrichtungen als den praktisch ausführenden
oder betreuenden Organen ob, das Mögliche
zu verwirklichen.

Nach dem Abschluß dieses Krieges, der un-
sere beiden Länder als Mittelpunkte gewaltiger
Neuordnungs- und Führungsaufgaben über
weite Räume der Erde sehen wird, werden da-
mit auch der kulturellen Zusammenarbeit
Deutschlands und Japans noch viele neue
Felder geöffnet werden.

Der japanische Film der Gegenwart

Die Geschichte der Filmkunst ist kaum älter
als ein halbes Jahrhundert. Diese neue Kunst
wurde von Anfang an von zwei Elementen,
dem dramatischen und dem dokumentarischen,
getragen. Die vorzüglich entwickelte Kamera
von heute kann fast alle Erscheinungen erfas-
sen. Durch Zeitlupe und Zeitraffung ist es mög-
lich, nahezu alle Bewegungen zu analysieren
und dem Menschen die tiefsinnigen Geheim-
nisse der Natur zu zeigen, die ihm sonst nicht
zum Bewußtsein kommen und ewig die geheim-
nisvollen Erscheinungen bleiben müssen. Solche
Funktionen der Kamera gewährten dem Film
Möglichkeiten, die über den Kräften der Büh-
nenkunst stehen. Als ein Beispiel für das dra-
matische Element des Films möchte ich hier
folgende Szene wiedergeben: Auf der Lein-
wand sieht man einen Mann, der völlig in Ver-
zweiflung geraten ist. Die Großaufnahme zeigt
nur seine Hände mit Weinflasche und Glas.
Der Mann gießt den Wein ein, seine Hand zit-
tert dabei stark. Das Geräusch des eingegossenen
Weins tönt noch stärker als der Naturton.
Solche Großaufnahmen vermitteln uns einen
starken Eindruck; gerade auf diesem Gebiet
hat der Film große Möglichkeiten. Er kann
jede Handlung gründlich analysieren. Ande-
rerseits hat die Kamera noch eine andere Auf-
gabe, nämlich die Auswertung des dokumenta-
rischen Elements. Eine Expedition ohne Ka-
mera kann man mit einer Truppe ohne Kano-
nen vergleichen. Wir können heute die
schreckliche Lawine auf dem Himalajagebirg«
mit eigenen Augen sehen. Wir können auch
das Leben eines Mikroorganismus oder die
rasende Bewegung der Gewehrkugel erkennen.

Von Prof. Hiroo Suga

Ferner schildert uns die Kamera der Wochen-
schau die heldenhaften Leistungen unserer
Soldaten so eindrucksvoll, wie es auch der
größte Dichter nicht in der Lage wäre. Eigent-
lich ist die Kamera schon mit solchen zweisei-
tigen Fähigkeiten geboren. Aber, da die Film-
kunst in dem höchsten Punkt des Kapitalismus
entstanden Ist, geriet sie schicksalhaft in die
Hände der Kapitalisten. Und der rasche Fort-
schritt der Kameratechnik verstärkte diese Nei-
gung immer mehr. Daraus ergab sich die Spal-
tung der beiden Fähigkeiten der Filmkamera.
Die Unternehmer bemühten sich nur um die
Entwicklung des Spielfilms, während sie für
dokumentarische Filme oder Kulturfilme kein
Interesse hatten. Der Inhalt des Spielfilms
wurde immer „phantastischer". Diese Neigung
kam am stärksten in dem traditionsarmen Nord-
amerika zum Ausdruck. Bald jedoch begann
die Amerikanisierung der Filmkunst in der
ganzen Welt. Während sich die jungen revo-
lutionären Staaten diesem Einfluß seit Jahren
fernhalten, dauert er in der übrigen Welt noch
an. Auch die japanische Filmschöpfung konnte
sich diesem Einfluß nicht entziehen.

Der Film fand in Japan bald nach seiner Er-
findung Eingang. Es war der italienische Film,
der den japanischen zuerst beeinflußte. Wäh-
rend des ersten Weltkrieges konnte man in Ja-
pan jedoch keine europäischen Filme mehr ein-
führen. Deshalb gelangten sehr viele ameri-
kanische Filme nach Japan, und bis in neueste
Zeit waren Idee und Technik des amerikani-
schen Films vorherrschend. Die Gründe dafür
sind sowohl im geographischen Verhältnis

zwischen Japan und Amerika als auch in der
damaligen sozialen Lage Japans zu suchen. Die
japanische Filmkunst früherer Zeit folgte immer
dem Vorbild der klassischen Theaterkunst Ja-
pans, dem „Kabuki". Der Inhalt war meist ganz
einfach und allgemeinverständlich, die Form
fast primitiv. Zum größten Teil behandelten
diese Filme historische Themen. Vor ungefähr
fünfundzwanzig Jahren sind zwei große Film-
gesellschaften gegründet worden. Seitdem hat
der Film allmählich die Vergnügungswelt des
Publikums erobert. Es kamen auch ziemlich
viele Meisterstücke auf das Programm. Jedoch
unter dem Druck der damaligen sozialen Ver-
hältnisse waren sie inhaltlich meistens pessi-
mistisch oder dekadent, obwohl ihre Form sich
Tag für Tag verfeinert hat. Der mandschurische
Konflikt im Jahre 1931 beeinflußte kulturell
alle Schichten Japans, und auch in der Film-
welt keimte eine neue Tendenz. Im Jahre 1937
brach der Chinakonflikt aus, der diese Ten-
denz noch gefördert hat. Als das Hauptmotiv
dafür müssen wir den Einfluß der Wochenschau
nennen. Da wir sehr viele Soldaten nach China
geschickt haben, und die Kamera uns in der
Heimat ihre Heldentaten mit größter Realität
vor Augen führte, begeisterten wir uns noch
mehr für das Gelingen unserer Sache. Die un-
geschminkten, schmutzigen Gesichter unserer
Soldaten erzählten uns von der Größe ihres
Kampfgeistes. Daneben bewunderten wir aufs
neue die dokumentarische Gewalt des Films
und sahen uns einer neuen Perspektive gegen-
über, die uns der Film bisher nicht geboten
hatte.

Folge 3 / Die Bewegung / Seite 3
 
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