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Von Gertrud Sigel

, Wenn man sich heute hoch einmal die „Stu-
dentischen Tage Deutscher Kunst" ins Gedächt-
nis zurückruft, so fragt man sich wohl, wie es
möglich war, daß diese wenigen Tage zu
einem so tiefen und unvergeßlichen Erlebnis
werden konnten, das seinen Zauber in den Ar-
beitstag hineintrug und heute noch gleich
lebendig in uns klingt. War es das Gefühl der
großen Zusammengehörigkeit, das uns auf die-
sem Treffen stärker als im Alltag zum Bewußt-
sein kam, war es die unvergleichliche Lieblich-
keit der alten Mozartstadt Salzburg oder der
erfreuliche Verlauf der wohlgelungenen Ver-
anstaltung? All dies,e Faktoren waren nur Frag-
mente einer großen Melodie, deren Grundton
das künstlerische Erleben in sich barg. In einer

.Bo«fo\'iüi Bu>i im Rhythmik UnslerbUcfcs-'
er—JSSb- - 1 Hev-

grausarden Wirklichkeit des Krieges auf den jun-
gen Menschen einstürmten, ihn im Angesicht
des Todes und der höchsten Gefahr begleite-
ten und nun in einer stillen Stunde Gestalt ge-
wannen. Die Krieger- und Jünglingsgestalten
und die lebendigen Soldatenbildnisse sind
symbolhafter Ausdruck sauberen und aufrech-
ten Kampfgeistes, die handwerklichen Arbeiten
dagegen atmen die Ruhe und Geborgenheit
deutschen Familienlebens und deutscher Wohn-
kultur. Junge Künstler schufen diese Werke,
und wenn auch manches noch unreif und un-
vollendet ist, so können wir doch stolz und
zuversichtlich auf diese Kameraden und Kame-
radinnen blicken, die sich in unermüdlicher
Arbeit und strenger Selbstkritik weiterbilden
.und so das europäische Kunstschaffen. künf-
tiger Generationen entscheidend beeinflussen
.werden.

Im Gegensatz zum bildenden Künstler ist der
Schauspieler an den Augenblick gebunden; um
hier zu höchstem Künstlertum zu gelangen,
muß er sich in die von ihm verkörperte Rolle
hineinspielen, muß Gut und Böse gleich stark
beherrschen und dem Zuschauer das gerundete
Bild einer Persönlichkeit übermitteln. Während
nun der gereifte, erfahrene Schauspieler alle
Nuancen menschlicher Leidenschaften wie die
Farben einer Palette jederzeit*;,griffbereit" in
sich trägt, erfordert es für den jungen Künstler
höchste Konzentration und größtes Einfüh-
lungsvermögen, um die Rolle wirklichkeitsnah
und lebensecht zu gestalten.-

Wohl niemand war in Salzburg, der nicht
schon wenigstens einmal Goethes „Urfaust"
erlebt hätte. Und doch wurden wir alle glei-
chermaßen stark ergriffen und zutiefst . er-
schüttert von dieser großen, deutschen Tra-
gödie, die hier in jun-
gen, unverkünstelten
Menschen ihre Ge-
staltung fand. Man
wußte am Ende nicht,
war das unselige Gret-
chenschicksal ergrei-
fender oder packte die
unruhvolle, ausweg-
lose Tragik des Faust.
Diese5._-Gretchen war
ätfc^rii cü—jfix

und Naivität für im-
mer zu erhalten.

Auch das Können
der Sänger und Sän-
gerinnen, die die Hän-
deische Oper „Tamer-
lan" zur Aufführung
brachten, stand auf
einem hohen und sehr

anerkennenswerten
Niveau. Die für heu-
tige Begriffe fremd-
artige und an Hand-
lungen arme Oper
stellt an jeden Einzel-
nen der Künstler
große Anforderungen,
denen die jungen stu-
dentischen Kräfte mit
leidenschaftlicher Hin-
gabe an das Spiel ge-
recht zu werden ver-
suchten. Die Vielzahl
chorischer Szenen ver-
pflichtete zu diszipli-
niertem, exaktem Zu-
sammenspiel. Die Auf-
führung erbrachte den
Beweis, daß auch der
junge, noch 'in der
Ausbildung begriffene
Künstler bei höchster
Konzentration und1
großer Liebe zur
Sache unter den Wei-
sungen eines erfahrenen Lehrers der schönsten
und erfreulichsten Leistungen fähig ist.

Wien, die fröhliche und beschwingte Donau-

Frau Prof. Wies.enthal, die Choreographin des Wiener Balletts,
freut sich mit ihren Schülerinnen über die begeisterten und an-
erkennenden Kritiken ihrer Tanzkunst

den Rhythmus der unsterblichen Melodien
boten diese jungen, Tänzerinnen vollendetes,
gereiftes Können. Sie waren Ausdruck unbe-

1^ *f|^#

Zeit des größten Kampfes zweier Weltanschau-
ungen, einer Zeit des Ringens um Sein oder
Vergehen unseres Volkes, legte die künstle-
risch schaffende deutsche Jugend ein stolzes,
unanfechtbares Bekenntnis zum wiedererwach-
ten deutschen Kulturwillen ab.

Anders als im Frieden gestaltete sich dieses
Bekenntnis, denn der Krieg schafft andere Vor-
aussetzungen für solche Festlichkeiten. Nicht
des organisatorischen und also äußeren Bildes
sei hier gedacht, sondern einzig der inneren
Bereitschaft, mit der der Mensch im Kriege der
Kunst begegnet. Das Kriegsgeschehen, das
Front und Heimat gleich stark erfaßt und das
Leben vieler in andere Bahnen reißt, wird
gerade den künstlerisch schaffenden Men-
schen, der als Soldat an der Frönt sein Leben
einsetzt, von Grund auf wandeln, wird ihn im
Anblick des Grauens und der Not wachsen und
reifen lassen und wird die in ihm schlummern-
den Kräfte geläuterter und reiner ans Licht
drängen.

Die in der „Reichsausstellung junger Kurist"
gezeigten Werke sind zum größten Teil das
Ergebnis kurzer Urlaubsstunden, sind Gestalt
gewordene Gedanken und Empfindungen, die
einen tiefen Blick tun
lassen in die Seele des
heutigen Frontsolda-
ten. Er weiß, worum
er kämpft, ihn treibt
nicht infernalischer
Haß gegen den Feind,
sondern das Wissen

um den Ernst der
Stunde und die Not-
wendigkeit der welt-
politischen Auseinan-
dersetzung. Und nir-
gends könnte sich die
Geisteshaltung und die
innere Einstellung des
deutschen Soldaten
deutlicher und tiefer
widerspiegeln als in
den Kunstwerken, die
junge, rauhe Soldaten-
hände geschaffen
haben. Die Zartheit
und Beseeltheit rüh-
render Mädchengestal-
ten, die Innigkeit aller-
liebster Kinderköpfe
und die Lieblichkeit
sonniger Landschaften
zeugen von tiefen Hei-
mat- und Heimweh-
gedanken, die in der

Seite 8 / Die Bewegung / Folge 16

bis in die letzten

Phasen ausgefeilt,
aber mit ganzer In-
brunst erlebt und er-
leidet, wie nur ein
junger Mensch fähig
ist, mit einem anderen
zu leiden. Wenn diese
klagenden, trostlosen

Schmerzenslaute
durch den Raum
schwangen, fielen die
Wände des Theaters,
und man fühlte sich
dieser unglückseligen
Mädchengestalt aus
tiefstem Herzen zu-
getan.

Es kann für einen
Regisseur keine schö-
nere, .aber 'auch ver-
antwortlichere Auf-
gabe geben, als solche

jungen Schauspieler zu führen und die oft Stadt, entsandte zu den studentischen Tagen
eigenwilligen Temperamente zu lenken, um deutscher Kunst eine Schar ihrer liebreizend-
ihnen jene draufgängerische Jugendlichkeit _ steh und anmutigsten Kinder. Im beglücken-

Bajazet, der Gefangene Tamerlans, beschfitzt seine Tochter Asteria vor
den Zugriffen des Tataren. Ergebene Kindesliebe spricht aus den Zügen
des Mädchens, während der Vater Bitterkeit und Verzweiflung verrät

Der Ausdruck der Hände und die Mimik der jungen Gesichter sprechen eine deutliche Sprache. Im Palast des
Tatarenkhans weicht die erregende Dramatik dem erlösenden Festestrubel. Befreit huldigt das Volk dem Tamerlan

schwerter und kompromißloser Jugend, die
sich mit 'heiligem Ernst und beseelter Hingabe
der Tanzkunst verschrieben hat. Der sprich-
wörtliche Wiener '
Charme feierte in die-
sen unverbildeten,
sonnigen Menschen
schönste Triumphe.

Vier Tage lang ge-
hörte Salzburg der
künstlerisch schaffen-
den Jugend, die zu
einem edlen Wett-
streit angetreten war
und in frohen und
ernsten Stunden ihr
Bestes gab, um einen
überzeugenden Ein-
blick in das künstle-
rische Schaffen eines
Jahres zu gewähren
und aneinander zu
höchster Vollendung
heranzureifen. Die mit
dabei waren, werden
diese Tage als frohe
und bleibende Erinne-
rung in sich tragen,
uns allen aber sollen
sie Ruf und Verpflich-
tung zugleich sein,
nicht nachzulassen im
Maß der Leistung und
im Eifer der Arbeit.
Nur so wird der End-
sieg unser sein!

Sinnvoll in das Gefüge der Handlung gebaute tänzerische^ Szenen
brachten der schweren düsteren Oper lichte Akzente

Sämtliche Aufnahmen: Mieritz-Lenz
 
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