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Heft 4.

ijt jekGt auch einerlei,“ meinte der Kupfer jtecher wicder
in ſeiner leichtſinnigen Manier. „Geſchehene Dinge
ſind nicht mehr zu ändern. Das nette Kaufſümmchen
von dreißig Tauſend iſt aus Ihrer Kaſſe in unſere
Taſche gefloſſen, und der Verkäufer des Gutes, ha,
ha, ha, hat dafür unſer Papiergeld! — Wer heißt
den Narren auf den Titel eines gräflichen Rentmeiſters
blindlings trauen? Vielleicht ſetzen wir auch unſeren
kleinen Reſt unterwegs noch um, wenn wir es geſcheidt
anfangen 1...

Da lag aljo der ganze Handel der fauberen Ra:
trone offenfundig da. Der Rentmeifter, von feiner
grenzenloſen Habjucht verführt, hatte fich mit dem
Abenteurer zum Anfertigen falſchen Papiergeldes ver—
bunden und eine große Summe davon nach dem Aus—
land an Zahlungsſtatt geſchickt, während das echte,
gute Geld aus der Rentkaſſe in die Taſchen der Beiden
wanderte. Die wenigen Scheine, welche Meyer „für
ſeine kleineren Bedürfniſſe“ in der Umgegend ausge—
geben hatte, kamen natürlich gegen jene Hauptſumme
gar nicht in Betracht, waren aber gleichwohl, wie der
Rentmeiſter ſehr richtig bemerkte, die Urſache der vor—
ſchnellen Entdeckung des Betrugs geweſen.

„Eine fatale Läge,“ fuhr der Rentmeiſter wieder
ſort, „jedenfalls müſſen wir uns ſofort trennen.“

„Einverſtanden, mein Beſter! Drüben — über
dem großen Waſſer, finden ſich unſere Geiſter vielleicht
wieder.“

„Ich gehe auch nach Amerika,“ warf Jakob da—
zwiſchen, „dabei bleibt's — das lag mir ſchon lang
im Kopfe!“

„Zur letzten Theilung alſo!“ ſprach Meyer. „Dann
hinab mit den Platten und Maſchinen an den be-
wußten Ort, der Teufel ſelbſt wird vergebens darnach
in dem ſchlammigen Mühlkanal fiſchen.“

Das ſaubere Kleeblatt begab ſich, nachdem an der
Lampe eine Kerze entzündet worden war, in den
größeren Nebenraum.

„Die Päckchen ſind glücklicherweiſe ſchon gezählt,“
fuhr Meyer fort. „Jedes dieſer netten Dinger ent—
hält einhundert Stück. Hier alſo haben Sie zuerſt
zwanzig Päckchen, nun nehme ich ebenſoviel.“

„Und ich?“ fragte Jakob.

„Nur Geduld. Hier iſt Dein Theil, Du ſollſt
nicht übervortheilt werden! Ehrlichkeit unter Dieben
iſt ſtets mein Wahlſpruch geweſen. — Nun zu den
Platten und Maſchinen! Die Maſchine nimniſt Du,
Jakob, ſie iſt für Deine Elephantenkraft nicht zu ſchwer.
Wir beide ſchaffen die Platten bei Seite.“

„Schwatzt nicht ſo viel, ſondern handelt,“ mahnte
der Rentmeiſter. „Nur vorwärts!“ —

Der verhängnißvolle Augenblick, die Kataſtrophe
herbeizuführen, war jetzt für mich gekommen.

„Halt!“ rief ich jetzt mit lauter Stimme, indem
ich mich an Sterzing's Seite dem aus dem Neben—
zimmer herausſchreitenden Kupferſtecher plötzlich ent—
gegenſtellte.

Das Genie ließ vor Schrecken die Platten don—
nernd niederfallen, und da ihm hierbei auch der Leuchter
entglitt, ſo beleuchtete nur noch die trübe Oellampe
malt den Schauplatz.

„Wa — was iſt das? Wer ſind Sie?“

„Wiederum bder verdammte Knochenhändler!“ rief
der Rentmeiſter, indem er mich mit einem gefahr—
drohenden Blicke anſah.

„Knochenhändler ſeid Ihr?“ wiederholte der ge
waltige Jakob, indem er einen Schritt vorwärts trat
und die Fäuſte ballte. „Nun diesmal ſollt Ihr Eure
eigenen Knochen zu Markte getragen haben. Drauf,
Herr!“

„Zurück, wer nicht ein Loth Blei in’s Hirn bes
kommen will!“ rief ich dagegen.

Meyer blickte nach den Waffen und griff darnach.

„O, bemühen ſich die Herren nicht,“ meinte Ster—
zing, auch in dieſer Lage noch wohlgelaunt. „Dieſe
Mordinſtrumente ſind unſchädlich gemacht.“

„So thun es vielleicht andere,“ entgegnete der
Rentmeiſter, indem er raſch nach dem größeren Zim—
mer zurückſprang und mit ſicherem Griffe ein Piſtol,
das wir nicht zuvor bemerkt, von der Wand riß.
„Dieſe Waffe wenigſtens iſt noch brauchbar.“

„Diele nicht minder,“ erklärte Meher, indem er
gleichfall® eine Pijtole zur Hand nahm...

Die Lage war jeßt für uns ſehr beängſtigend. Es
ift {tet bedentflich, wenn man die Kräfte des Gegners
unter häßt hat. Wer aber Hätte denfen follen, daß
auch das Nebenzimmer noch ein ſolches Arſenal barg ?

„Ergeben Sie ſich,“ ſagte ich möglichſt kaltblütig.
„Sie ſind entdeckt — legen Sie die Waffen nieder!“

„Wenn wir Narren wären!“ kreiſchte der Rent—
meiſter. „Ihr ſeid Räuber und verlaßt deshalb dies
Zimmer nicht lebend.“

„Sie irren ſich, meine Herren, wir ſind Beamte
der Polizei

„Das glaube der Satan. Drauf!“

„Zurückl unſere Leute find in der Nähe!“ rief



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Das Buch für Alle

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jogleich ein Donnern an die Hausthlire antwortete,

Einen Augenblick wichen unſere Gegner wirklich
entſetzt zurück. Aber der verzweifelte Renkmeiſter hatte
trotz ſeines grünlich bleichen Geſichts Muth für Drei.

„Was, ihr weicht?“ ſchrie er. „Laßt die Burſchen
draußen fich die Stirn an der fejten IhHüre einrennen
— und auch dieſe Fenſterladen find von Sijenblech.
Ehe ſie hereindringen, haben wir unſer Werk vollendet.
Wer will uns anſechten, wenn wir Räuber nieder—
ſchießen!“

Bei dieſen Worten hob er unerwarket raſch die
Piſtole empor und drückte ab. Ich fühlte ein heißes
Brennen an der Schläfe und wankte. Der Revolver
entfiel dabei meinen Händen, und obwohl ich mich
raſch gefaßt danach niederbückte, ſo hatte doch bereits
der Rieſe ſeinen breiten Fuß darauf ſetzen können.
Vergeblich nahm ich einen heftigen Anlauf, um ihn
zurückzuſtoßen, vergeblich ſtürzte ſich auch Sterzing,
indem er den Bleiſtock hervorzog, auf meinen Gegner.
Meyer erfaßte ihn ſofort von hinten, der Rentmeiſter
nahm einen Hirſchfänger zur Hand, und mich ſelbſt
packte Jakob mit einer Gewalt am Halſe, daß mir
bei dem erſten Griffe die Funken vor den Augen tanz—
ten. Verloren das ganze, gut angelegte Spiel, zuletzt
noch verloren! . . . das war mein letzter Gedanke.

In dieſem bedenklichen Augenblicke wurde die Thüre
mit Gewalt aufgeriſſen. Meine blutunterlaufenen
Augen hatten noch jo viel Sehkraft, um zu erkennen,
daß mehrere Perjonen zugleich in’$ Zimmer ftürzten;
mein Arm fonnte noch einen legten verzweifelten aber
ſruchtloſen Stoß gegen die Bruſt Jakob's führen.
Dann ſtürzte ich nieder. Wie im Traume glaubte ich
noch wüſtes Geſchrei und einen Schuß zu hören.
Dann ſchwand mein Bewußtſein völlig . ..

Als ich nach einiger Zeit allmählig wieder zur Be—
ſinnung kam, war es ſtill im Zimmer. Ich fühlte
ein kühles Tuch auf meiner Schläfe und erblickte,
als ich endlich die Augen zu öffnen vermochte, dicht
über mir das treue Geſicht Sterzings.

„Gott ſei Dank!“ ſeufzte er aus tiefſter Bruſt.
Ich glaubte Sie ſchon todt.“

„Für diesmal kam ich noch mit einem blauen Auge
davon,“ gab ich zurück, mich mit Sterzing's Hilfe
langſam emporrichtend. Die Burſche find doch in
Sicherheit?“

„Beſtens beſorgt und aufgehoben,“ entgegnete Ster-
zing ſchon wieder mit einem munteren Lachen. „Das
heißt, der Rentmeiſter und der famoſe Jakob ſind jetzt
ſchon unter ſicherem Geleite auf dem Wege nach der Stadt.“

„Und der Kupferſtecher?“

Sterzing zauderte einen Augenblick, dann ſagte er:
„Je nun, an dem wird wohl alle ärztliche Kunſt ver—
loren ſein.“

nit er todt?“

„Ja, Herr Inſpeltor. Unſer hieſiger College, der
ebenſo kräftig haut, als er ſpricht, hat ihm mit einer
eichenen Stange einen etwas zu kräſtigen Hieb über
den Schädel verſetzt.“

„Schade,“ entgegnete ich. „Ich hätte auch das
Genie gar zu gerne lebendig gefangen.“

„Was? Schade?“ w ederdolte Sterzing kopfſchüt—
telnd. „Ich ſage Ihnen, der Burſche erhielt den Schlag
genau zur rechten Zeit, ſonſt hätte er Ihrem ergeben—
ſten Diener mit der Piſtole heimtückiſch von hinten
den Kopf zerſchmettert.“

„Ein Glück, daß die Hilfe ſo rechtzeitig kam —
wir ſaßen richtig in der Falle.“

„Ja, aber der Rendant Vogt hatte den geſcheidten
Gedanken, uns durch das Loch über dem Gerinne
nachzufolgen und im entſcheidenden Momente das Hin—
terpförtchen über dem Waſſer zu öffnen.“

„Wo iſt der Brave, dem wir den ganzen Erfolg
und nebenbei unſere Rettung verdanken?“ —

In dieſem Augenblicke trat der Rendant ein. In
der Hand trug er ein Taſchentuch, das er am Bache
ſriſch angefeuchtet hatte, um mir die Stirne zu kühlen.

„Dank, tauſend Dank,“ ſprach ich, ihm die Hand
ſchüttelnd. „Ihnen allein verdanken wir das Leben.“

„Und ich verdanke Ihnen meine Ehre!“ entgeg—
nete Vogt. „Endlich wird man mir glauben, daß
ich kein Verläumder war und bin. Henze iſt entlarvt!
Sie glauben nicht, wie glücklich mich dies Bewußtſein
macht!“

„Nun ja,“ meinte Sterzing, indem er ſich hinter
den Ohren kraute, „Dem und dem ſauberen Jakob ſind
ihre zehn Jahre Zuchthaus als Minimum ſicher!
Die Sache iſt noch ſo paſſabel abgelaufen. Aber
ein ander Mal wollen wir uns doch vorher beſinnen,
ob wir wieder allein in die Falle gehen! Meinen
Sie das nicht auch, Herr Inſpektor?“

Ich drückte ihm als Antwort lächelnd die Hand


die Nachricht, daß die Banknotenfälſcher entdeckt ſeien,
ſich wie ein Lauffeuer verbreitete.




„Wenn die Schwalben heimwärts ziehen“,
Naturgeſchichtliche Skizze

von
W. Baer.

Iſt das Brutgeſchäft unſerer Vögel beendet, ſo tritt
eine andere Sorge an ſie heran; ſie müſſen ſich vor—
bereiten zu der langen Reiſe nach dem ſonnigen Süden.
Wir bemerken daher zu dieſer Zeit eine beſondere Reg—
ſamkeit in der Vogelwelt. Sie ſchaaren ſich zuſam—
men und üben ſich im Fliegen, da die Fertigkeit, welche
fich die Jungen bereits erworben haben, noch lange
nicht ausreicht. für die weite, weite Reife, die nahe
bevorfteht. Ganz befonders kann man dies an den
Schhwalben in jedem CSpätfommer beobachten und fie
find e8 auch, welche das Signal zur AWbreije geben
und den Reigen eröffnen. Sie Jammeln fich fchaaren-
weije auf den Dächern der Kirchen oder Häufer, oder
auf den Telegraphendrähten, wo man fie in langen
Reihen fiben fieht. Sie fliegen dann unruhig umher
und führen allerlei Rünfte in Fliegen aus. Und eines
ſchönen Tages, ſchon im Auguſt, wenn noch nicht das
Geringſte von der rauhen Witterung jener Tage, von
denen 8 Heißt: „fie gefallen un8 nicht“, zu verfplären
ijt, fehren fie von einen ſolchen Ausfluge nicht wieder
heim. Sie find plößlich weit und breit auzZ der Ges
gend verfchwunden, nur einige wenige Nachzügler find
Lern geblieben, die fich im Brautgefchäjt verjpätet
haben.

Weil dieſe Erſcheinung eben eine all'ägliche it,
gehen die meijten. Menfchen. achtlo3 daran vorüber,
Und doch find damit Hinfichtlich der Beit und der Art
und Weije, wie die Vorbereitungen zur Reiſe belrie—
ben werden, hHöchft interefjante Umftände verknüpft,
jo daß eine genaue Beobachtuug des Thunz und Trei:
benz der Vögel zu jener Zeit eine reiche Fülle reiner
Freuden und bedeutungsvoller Lehren darbietet.

Die Urſache jener Wanderungen ſind die klimati—
ſchen Verhältniſſe unſerer Gegenden. Das Kleid, wel—
ches die Natur den Vögeln geſchenkt hat, iſt nicht der
Art, um unſere rauhen Winter überſtehen zu können,
und dann treibt noch ein anderer Grund die Vögel
zu dieſer Reiſe. Die rauhen Winde des Herbſles
machen den Raupen und anderen zahlloſen Kerbthie—
ren, die den Vögeln als Lieblingsnahrung dienen, den
Garaus. Und ſomit würde alſo jenen während des
Winters der Lebensunterhalt fehlen. Darum machen
ſie ſich auf nach dem ſonnigen und ewig heiteren Ge—
id n des Südens, wo fie die gewohnte Nahrung in
Hülle und Fülle finden,

Gewöhnlich jagt man, daß ein unerffärlicher Na-
turtrieb, der Inftinkt, die Vögel nöthige, die Heimath
zu verlaſſen, bevor noch die eigentliche Noth an fie
herantritt. Indeffen die Zeit i{t vorüber, wo man
gedankenlos die Worte der Meijter nachbztet, und dem
Rath in Göthe's Fauſt:

„Am beſten iſt's — — wenn ihr nur Einen hört,

Und auf des Meiſters Worte ſchwört.“
ohne Widerrede folgt. So ſieht man denn heute auch
die Thiere nicht mehr als bloße Maſchinen an, die
durch Naturtriebe in Bewegung geſetzt werden, ſon—
dern man geſteht ihnen wie dem Menſchen Urtheils—
{räjte zu, alſo ſelbſtſtändiges Thun, wenn auch in
einem beſchränkten Grade. Es iſt nicht zu viel ge—
ſagt, wenn wir behaupten, daß die Vögel es wiſſen,
wenn die Reiſezeit naht. Die Erfahrung hat den
Alten untrügliche Anzeichen kennen gelehrt und jene
theilen dieſe den Jungen mit.

Die erften, welche das Signal zur Abreiſe geben,
ſind die Mauer- oder Thurmſchwalben, die an jedeni
ſchönen Sommerabend unter hellem Jauchzen wilde
Wettflüge um die Thürme anſtellen — ein Schauſpiel,
das ſtundenlang ohne Ermüdung fortgeſetzt wird.
Wie im Klettern ſuchen ſie auch im Fliegen ihres
Gleichen und da ſie ſich meiſtens in den höheren Re—
gionen umhertreiben, ſo nehmen ſie hier wohl eher als
andere Vögel die herannahende Aenderung des Wet—
ters wahr. Dann mag vielleicht auch eine oder die
andere Art der Kerbthiere, die ihnen als Lieblings—
nahrung dient, anfangen ſelten zu werden oder gar
zu fehlen, was, wie ſie aus früherer Erfahrung wiſſen,
das Herannahen des Herbſtes verkündet. Sobald fie
dieſe Wahrnehmung machen, verkünden ſie ſelbige
ringsum.

Sobald die Rauch- und Hausſchwalben dieſen Ruf
vernehmen, rüſten auch ſie ſich zur Abreiſe und ebenſo
tragen ſie auch ihrerſeits dazu bei, den übrigen Vögeln
zu verkündigen, daß es Zeit ſei, an die Abreiſe zu
denken. So folgt denn eine Vogelart der andern vom
Auguſt bis in den Oltober, ſo daß im Ganzen nur
die Minderzahl der Arten zurückbleibt. Diejenigen
Arten, welche {päter abzıchen, merken wohl auch an
der VBerfärbung der Blätter, daß es Beit fei, der bes
haglicheren Winterherberge zuzuziehen.

Daß die Vögel nicht undbewußt einem Naturtrieb


 
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