Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
HcN 3.
zu unterdrücken, daß man alle Jwn Augsburg ohne >
gehörige Legitimation kommende Schuhknechte anhalten
und nach Augsburg zurückschicken möge. Angesichts >
der Wichtigkeit des Streites zeigten sich auch Kaiser
und Reichstag sehr willfährig, ans das Gesuch des
Augsburger Magistrates cinzugehen. Ein kaiserliches
Reskript wies den Kurfürsten von Bayern an, die noch
in Friedeberg befindlichen aufrührerischen Schuhknechte
entweder mit Güte, oder falls diese nicht anschlagen
sollte, mit Gewalt nach Augsburg zurückbringcn zu !
lassen. Durch diese kaiserliche Verordnung veranlaßt, !
sandte der Kurfürst von Bayern eine Kommission nach >
Friedeberg, welche zunächst aus gütlichem Wege eine !
Einigung herbcizuführen suchte und als, wie, vorauszu- >
sehen war, ihr Bemühen ohne Erfolg war, ein Gewalt- >
mittel ergriff. Sie ließ durch die von Donauwörth !
kommandirte Miliz die Altgesellen gefangen nehmen und
in Ketten schlagen, die übrigen Schuhknechte aber im
Wirthshause arretiren und in Haft setzen. Jetzt gaben
die Schuhknechte ihren Widerstand auf. Sie legten
einen körperlichen Eid ab, daß sie die Friedebergische
Schuld im Betrage von 3132 Gulden innerhalb drei
Jahren nebst Zinsen zahlen wollten. Zur größeren
Sicherheit stellten sie den Gläubigern eine Obligation !
auf die Bruderschaft aus und bekräftigten diesen Schuld- >
schein mit dem Bruderschaftssiegel. Nachdem die Kom- j
Mission die Forderung der Fnedcberger Gläubiger aus !
diese Art sicher gestellt, gab sie den Schuhknechten die
Erlaubniß zum Weiterwandern. Allein die ausgestan-
denen Schuhknechte fanden denn doch, daß dies ohne
Legitimation ein gefährliches,Unternehmen sei und kehr- l
ten in aller Stille nach dem verhaßten Augsburg
zurück; ja, sie sträubten sich auch nun nicht mehr,
nachdem ihr Muth einmal gebrochen und sie zu der
Einsicht gekommen, daß mit dem Augsburger Rath
nicht zu spaßen sei, Abbitte zu leisten und sich allen
Bedingungen zu unterwerfen, welche der Rath über sie
verhängen würde. Nur zwanzig Gesellen wollten sich
nicht unterwerfen und wurden deshalb als Tumul-
tuanten aus der Stadt verwiesen. Auch da noch wag-
ten einige derselben, unter ihnen die eigentlichen Leiter
des Ausstandes, die Altgesellen Schröter aus Magde-
burg und Heß aus Dielenheim, am lichten Tage zurück-
zukommen und sogar einen bei einem Meister arbeiten-
den Lehrjungen durch Androhen des Beutelns zum
Verlassen der Arbeit zu bewegen. Nach solcher über-
müthigen That machten sie sich freilich wieder davon; :
sie kamen jedoch nicht weit, denn schon in Nürnberg
wurden sie in Folge der steckbrieflichen Verfolgung an- i
gehalten und festgenommen, um späterhin für Hand-
werksuntüchtig, unfähig und unehrlich erklärt zu werden.
Durch die vorausgegangenen, so theuer erkauften
Erfahrungen gewitzigt und in liebevoller Fürsorge, da-
mit keiner der übrigen Schuldigen gleich ihren Kollegen
entkommen möchte, sandte der Augsburger Magistrat
an alle Reichsstände ein genaues Personale aller aufge-
standenen Schuhknechte mit der Bitte, das letztere den
Schuhmacherämtern mit dem strengen Befehle mitzu-
theilen, bei schwerer, unnachlässiger Strafe keinen in j
dem Verzeichnis genannten Schuhknecht in Arbeit zu !
nehmen, bevor er sich nicht mit dem Augsburger !
Magistrate ausgesöhnt hätte.
So kam denn endlich diese „schädliche und höchst
ärgerliche Aufstandssache" zum Abschluß.
Bei der Gelegenheit des heimlichen Briefwechsels
zwischen den Augsburger und Würzburger Schuhmacher-
gesellen hatten sich die Ersteren des Gesellen- oder
Bruderschaftssicgels bedient. Nach der zum Gesetze
erhobenen Handwerksgewohnheit mußte jedoch dies Siegel
in der Lade (dem Gewerksarchive) liegen und durste
nicht von den Schuhknechten beliebig herumgetragen,
geschweige denn ohne Wissen und Erlaubniß der Zunft-
vorsteher benutzt werden. Der Rath zu Augsburg
richtete daher auch eine dahin gehende Ermahnung an
die Altgesellen und ließ, als dies nichts fruchtete, die
Gesellenlade gewaltsam Wegnehmen und die betreffende
Verordnung in die in der Lade aufbewahrten Artikel-
bücher schreiben, damit sich keiner der Schuhknechte mit
der Unkenntniß des bezüglichen Artikels entschuldigen
könne.

^Rüunißsillülßkö. ,Nachdruck verboten.)
Cin Sultan als Kopfabschneider. — Mu-
Hamed ll., mit dem Beinamen der Große, eroberte im
Jahre 1453 Konstantinopel und begründete dadurch die
türkische Herrschaft in Europa. Mit einem Heere von
300,000 Streitern schloß er die Stadt von der Landseite
ein und zur See mit einer mächtigen Flotte von 300
Galeeren und 200 kleineren Fahrzeugen. Die Griechen ver-
theidigteu sich mit verzweiflungsvollem Muthe, doch ihr
Kaiser Konstantin wurde erschlagen und ihre waffenfähige
Mannschaft allmählig aufgerieben. Am 29. Mai waren
die Türken Herren der Stadt und es begann ein gräßliches
Plündern und Morden. Eine junge griechische Fürstin
von blendender Schönheit, Namens Irene, fiel in die
Gewalt des Eroberers Muhamed, der sich sterblich in

Das Buch für Alle.
dies reizende Geschöpf verliebte und darüber alle seine
Regenten- und Feldherrnpflichten vergaß. Seine Haupt-
leute und Soldaten, besonders aber die Janitscharen,
murrten über die Tlatenlosigkeit des Sultans, der sich
gar nicht mehr um die kriegerischen Angelegenheiten zu
bekümmern schien, und der Großvezier wagte es , diese
unzufriedene Stimmung des Heeres zur Kenntnis) des
Gebieters zu bringen. Da packte der wilde Sultan die
schöne Irene bei den Haaren, schleppte die Jammernde
in den Kreis seiner Offiziere und hieb ihr den Kopf
ab mit den Worten: „So verführt Muhamed mit der
Liebe!" Und von dem Augenblicke an war er wieder
vollständig der thütige Regent und Feldherr. Nachher
bekriegte er die Genuesen und Venetianer und schlug sich
mit dem Johanniterorden herum, konnte aber Rhodus
nicht erobern. Ganz Italien zitterte vor dem Gewaltigen.
Zwei Kaiserreiche hatte er zertrümmert, zwölf König-
reiche erobert und über 200 christliche Städte geplündert.
Uebrigcns war er cin kluger, begabter und gebildeter
Mann, der die Wissenschaften und Künste liebte. Er
berief den berühmten italienischen Maler Giovanni
Bellini von Venedig nach Konstantinopel und über-'
häufte ihn mit Gnaden und Reichthümern. Unter an-
deren bluttriefenden Gemälden (denn solche liebte der
Großherr besonders) malte der Künstler für ihn das
abgeschlagene Haupt Johannes des Täufers. Als der
Sultan aufmerksam prüfend das fertige Bild betrachtete,
meinte er, daß die Haut am Halse, da wo der Kopf
vom Rumpfe getrennt worden, nicht ganz naturgetreu
gemalt sei. Bellini wagte es, dagegen zu streiten.
Flugs winkte der Großherr einem Sklaven, näher zu
treten, und schlug ihm ohne Weiteres mit seinem da-
mascirten Säbel den Kopf ab. „Siehst Du nun, daß
ich Recht habe?" sagte er triumphirend zu dem Maler,
aus den blutigen Halsstumpf des unglücklichen Opfers
der Kunst deutend. Bellini siel vor Schrecken in Ohn-
macht und erdreistete sich fortan nicht mehr, anderer
Meinung zu sein als der Großherr, denn es hätte ihm
ja sonst möglicher Weise einmal selber den Kopf kosten
können. Muhamed verachtete alle Religionen, selbst den
Gründer seiner eigenen, den zu Mekka ruhenden Pro-
pheten, nannte er einen „Banditenhäuptling". Die ge-
stimmte Christenheit fühlte sich von einem schweren Alp
erlöst, als der Wütherich am 3. Mai 1481 starb.
F- L
Die älteste deutsche Börsenzeitung. — In
der Mitte des vorigen Jahrhunderts gab ein gewisser
Gerard de Vlieger unter dem Titel: „Kurs der Gelder
in Hamburg" ein Blatt heraus, das kurze Mittheilungen
über den Werth der gangbarsten Münzen brachte und
als die wahrscheinlich älteste deutsche Börsenzeitung unser
Interesse verdient. Dies Blatt erschien wöchentlich zwei-
mal „gantz gedruckt" uud war in dem Laden des Her-
ausgebers bei der „Bcurse" zu bekommen. Jedes Stück,
das nur aus einein Oktavblatt bestand, enthielt auf der
ersten Seite — die letzte Seite war unbedruckt — den
Kurs folgender Geldsorten: „Banko-Reichsthaler —
Dukaten — Louis blaues — Albertus-Thaler — Dä-
nische Kronen — Hamburger Kurantgeld — Dänische
und Holsteinische M Speciesstücke — 6-und 1-Schilling-
stücke — Louisd'or — Spanische Pistoletten." — Spä-
ter eröffneten auch die politischen Zeitungen eine ähn-
liche Rubrik in ihren Spalten, und eine uns vorliegende
Nummer des „Altonaischen Mercurius" von 1782 ver-
vollständigt bereits seine Börsennachrichten durch eiue
Angabe der Getreidepreise. A. I.
Das Schweinefuhrwerk. — Ein Dauer aus
der Nähe des Städtchens St. Albans in England, der
sich schon von jeher durch allerlei seltsame Einfälle aus-
gezeichnet hatte, kam im August des Jahres 1813 an
einem Wochenmarktstage in die erwähnte Stadt gefahren
und zwar auf einem kleinen Wagen, vor welchen vier
kräftige dicke Schweine gespannt waren. Im vollen
Trabe fuhr er uuter dem lauten Halloh der jubelnden
Menge viermal um den Marktplatz. Dann spannte er
in einem Wirthshause feine Schweine aus und ließ sie
mit gekochten Bohnen füttern. Den neugierigen Fragern
erklärte er, daß er sechs Monate gebraucht, um die
Thiere zum Zugdienst abzurichten. Ein reicher Lieb-
haber, dem dieser neue Schweinesport gefiel, bot ihm
sogleich 150 Pfund Sterling für das wunderliche Vier-
gespann, doch schlug der auf seine Erfindung stolze
Bauer dies Anerbieten aus. Nachdem er sich zwei
Stunden in St. Albans aufgehalten und seine Geschäfte
besorgt hatte, fuhr er unter erneutem Jubel mit den
Schweinen wieder nach Hause, wiederholte aber später
die Fahrt nicht, da ihm die Thierquülerei polizeilich
verboten wurde. 2.
Johann Gottfried Kaspar Moller. — Ein
Pfarrer dieses Namens lebte von 1772—1783 zu Leich-
lingen bei Opladen und war allgemein seines originellen
und derben Wesens wegen bekannt. E c er nach Leich-
lingen kam war er Feldprediger in einem Preußischen
Husaren-Regimcnte gewesen und trug uoch immer etwas
von den soldatischen barschen Manieren jener Zeit an
sich. Die Perrücke, die damals allgemein getragen !
wurde, verachtete er, ließ sich aber seiu langes Haar i
kräuseln. Zu seiner Bedienung ließ er nur Männer !

71

zu, weil er ein geschworener Feind des weiblichen Ge-
schlechts war, dem er Eitelkeit vorwarf. Einst be-
suchte- er den Wirth Küpper in Bertenrath, mit dem
er etwas zu besprechen hatte. Frau Küpper mischte
sich in's Gespräch und ergriff für ihren Mann das
Wort. Das verdroß den alten Feldprediger so sehr, daß
er ohne ein Wort zu erwiedern zur Thüre hinaus ging.
Kurz darauf starb die Frau und Möller hielt ihr eine
Grabrede, die er mit den Worten schloß:
„Wo die Henne kinht für den Hahn,
Wo das Weib spricht für den Mann,
Und die Katze läuft vor der Maus,
Da ist nicht gut halten Haus. Amen."
Als alter Reitersmann trabte er auf seinem Fuchs
sehr viel in seinen Gemeinden umher. Einst traf ihn
ein Bauer, der zu ihm fprach: „In der Schrift heißt
es: Gehet in alle Welt und lehret re. und nicht reitet.
Sie, Herr Pastor, kommen aber immer zu Pferd." —
„Wenn ich gewußt hätte," sagte Möller, „daß ich einem
Esel begegnen würde, so hätte ich meinen Fuchs gewiß
gern zu Hause gelassen," und ritt ruhig weiter. R Sch.
Jenny Lind s erster Besuch in Amerika. —
Die Amerikaner sind bekannt dafür, berühmten euro-
päischen Künstlern, die sich hinüber auf die Dollarernte
begeben, in den meisten Füllen mit einem Enthusiasmus
entgegen zu kommen, wovon man in Europa selten einen
Begriff hat. Dieser Enthusiasmus wirkt indeß oft
mehr belustigend als erhebend auf die Künstler ein.
Interessant ist es, zu hören, wie Jenny Lind empfangen
wurde, als sie das erste Mal amerikanischen Boden
betrat. Ein Bericht aus dieser Zeit besagt, daß die
Ankunft des Kolumbus in der neuen Welt bei den
Enthusiasten für ein viel unbedeutenderes Ereigniß ge-
golten haben würde, als die Landung Jenny Lind's. Diese
Landung ging an einem Sonntag vor sich und sofort
waren alle Kirchen leer, Alles warf sich dem neuen Lind-
Kultus in die Arme. Alle Sterne der Union hatten
vor dem der „nordischen Nachtigall" ihren Glanz ver-
loren. Halb New-Pork zog an ihrem Wagen, als sie
nach Irving-Haus fuhr, wo sie wie eine Fürstin wohnte.
Noch um Mitternacht schwärmten mehr als dreißigtausend
Menschen vor ihrem Hotel; um eiu Uhr Morgens er-
schienen hundertundfünfzig Musiker, geführt von sieben-
hundert Feuerwehrmännern, um ihr ein Ständchen zu
bringen. Von ihrem Gesänge wurde natürlich nur in
den entzücktesten Worten gesprochen. Das erste Billet
zu ihrem ersten Konzerte wurde für dreihundert Dollars
verkauft und es gehörte zu den besonderen Auszeichnungen,
sich rühmen zu können, daß man sich Eintrittskarten für
eines der nächsten Konzerte gesichert habe. B.-A.
König Friedrich Wllhelnr t. von Preußen
(1713—1740) malte in seinen Mußestunden oder wenn
ihn Krankheit Plagte, gern in Oel, und wenn es auch
eine unbegründete Nachrede sein mag, daß er aus den
Gesichtern der von ihm gemalten Grenadiere mit den:
Pinsel nachhalf, um Original und Bild übereinstim-
mend zu machen, wenn das Kolorit ihm mißlungen
war, so bezeugen doch die von ihm noch vorhandenen
Bilder, daß Nachhilfe ihnen noth that. Er hatte aber
seine Freude an ihnen und ließ, als eines ihm beson-
ders gut gerathen schien, einen Kunsthändler kommen,
dessen Laden er öfters besuchte, zeigte ihm das eben
vollendete Gemälde und fragte, was es Wohl Werth
sei? Dieser rühmte die Arbeit sehr und versicherte,
das Gemälde sei unter Brüdern 200 Thaler Werth. Der
König lächelte wohlgefällig und sagte: „Dafür soll Er's
haben!" und schickte ihm das Bild nebst der Rechnung
zu. Der Kunsthändler bezahlte ohne Widerrede, ließ
das Bild Prächtig einrahmen, befestigte einen großen
Bogen Papier an den Rahmen, schrieb darauf die
Worte: „Von Seiner Majestät dem Könige eigenhändig
gemalt!" und stellte das Bild in seinem Laden auf.
Das zog eine fort und fort anwachsende Menge Be-
schauer herbei. Als das dem Könige gemeldet wurde,
gerieth er in Zorn und ließ den: Kunsthändler befehlen,
das Papier sogleich zu entfernen und das Bild in den
Laden zu stellen; aber der Kunsthändler stellte unterthänigst
vor: er sei nicht im Besitz einer Privatgallerie, kaufe
nur, um zu verkaufen, müsse für diesen Zweck seine
Bilder ausstellen und sei verpflichtet, die Namen der
Meister zu nennen, deren Werke er ausbiete. Der
König schickte in Folge dessen dem Kunsthändler die
ihm gezahlten 200 Thaler zu und verlangte das Bild
zurück, erhielt aber von dem Händler die Antwort: er
sei Kaufmann und müsse vom Profit leben, er könne das
Bild unmöglich für den Preis lassen, für den er es
eingekauft; er habe gesagt, das Bild fei unter Brüdern
200 Thaler Werth, im Kunst handel aber habe es einen
weit höheren Werth, unter 300 Thaler könne er es
nicht fortgeben. Der König sagte kein Wort, schickte
die 300 Thaler und ließ das Bild abholen, aber den
Laden dieses Kunsthändlers besuchte er nie wieder,
vermied sogar die Stadtgegend, in welcher derselbe lag.
N.
 
Annotationen