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wilde Prinzeß.
N o ui a il
von i
Tlark Karlmann-Allon.
(Fortsetzung.) . . .
o >- (Nachdruck verboten.»
M »E aria ging zu ihrer Kommode und holte
Ueine Photographie daraus hervor. Dieselbe
stellte einen jungeil Mann voll etwa zwan-
Zig Jahren vor in Milrtüruniform.
„Sehen Sie, Herr v. Bollheim," sagte sie
und näherte sich Konrad mit dein Bilde,
„das ist mein Vater, als Soldat Photographirt. Ist
es möglich, können diese hübschen, offenen, treuherzigen
Züge einen so schlechten Charakter verbergen? Nein,
nein, ich glaube seinem Briese und diesem ehrlichen
Gesicht! Aber die Welt glaubt nicht daran und des-
halb ist er und bleibt er im Andenken der Menschen
ein Verbrecher, und ich bin seine Tochter!"
Maria schwieg, erschüttert von der eigenen Erzählung,
und ihre Thrünen, die schon beim Anblick des Bildes
hervorquollen, flössen jetzt reichlicher über ihre Wangen
herab. Sic legte die Photographie auf einen Tisch und
ging zu ihrem Platz zurück.
Konrad sah mit tiesem Mitleid aus die schöne Wei-
nende un5 gerührt durch ihren Schmerz trat er ihr einen
Schritt näher und sagte mit bewegter Stimme:
„Ich bedauere voll ganzem Herzen, Fräulein Well-
brandt, daß auf dem Namen Ihres Vaters ein solcher
Makel ruht, um so mehr, wenu er
wirklich unschuldig ist, was mich ich
gerne glauben will, denn dieses Ge-
sicht ist nicht das eines Verbrechers.
O, wie schwer müssen Sie unter
diesem Bewußtsein leiden! Beant-
worten Sie mir nur die Eine Frage,
ist das der einzige Grund der Wei-
gerung, mir Ihre Hand zu geben,
oder haben Sie noch mehr, noch
andere Gründe?"
„Ist er nicht so schwerwiegend,
daß ein —"
„Für mich nicht. Würden Sie,
wenn dieses Unglück Sie nicht be-
unruhigte — würdeu Sie dann mich
nicht zurückweisen?"
„Aber das Unglück ist da und
mit keinen Mitteln läßt es sich ent-
fernen."
„D, weichen Sie mir nicht aus,
antworten Sie auf meine Frage!"
„Ja, wenn der Name meiner Fa-
milie ein unbescholtener wäre, so
würde ich mit Freuden meine Hand
in die Ihrige legen."
„So lieben Sie mich, lieben mich
wirklich?"
„Würde ich Sie wohl sonst zum
Vertrauten meines Kummers gemacht
haben?"

„O Tag des höchsten Glücks!" jubelte Konrad und
auf Maria zustürzend wollte er ihre Hand ergreifen.
Sie zog letztere aber zurück und sagte:
„Nein, Herr v. Bollheim, nicht so! Die Schwierig-
keiten, die sich unserer Verbindung entgegenstellen werden,
sind zu groß, als daß wir sie besiegen könnten. Denken
Sie an Ihren Vater! Wird er jemals eine Sängerin,
die Tochter eines Verurtheilten, als Gattin seines Sohnes
willkommen heißen? Soll ich die Ursache abgeben zu
einem unheilbaren Konflikt, der nothwendig eintreten
wird und muß, und zwei Herzen, die von der Natur so
eug verbunden, aus einander reißt? Nein, dagegen sträubt
sich meiu Gewissen."
„Ich ehre Ihre Bedenken, aber ich theile sie nicht.
Ich bin mündig. Ja, das will ich Ihnen nicht ver-
hehlen — einen Kampf mit meinem Vater wird es
geben, und können meine Bitten, meine Vorstellungen
ihn nicht bewegen, so werde ich mich emanzipiren von
seiner Autorität; dann bin ich aber nur aus mein Kom-
positionstalent angewiesen und muß von ihm meinen
Unterhalt erwarten; es fragt sich dann nur noch, ob
Sie das Loos eines Mannes theilen wollen, der, ohne
Vermögen, von seiner Arbeit zu leben gezwungen ist?"
Konrad sprach noch länger, noch weiter, er erzählte
ihr mit kurzen Worten seine ganzen Lebensverhältnisse,
er schilderte den Charakter seines Vaters, betonte, daß
schon deshalb ein Konflikt eintreten werde, weil er seinem
Willen nicht gehorchen könne, in die diplomatische
Carriere einzntreten, fügte aber hinzu, daß er trotzdem
noch hoffe, das Herz seines Vaters zu rühren. Er

sprach so eindringlich, so überzeugend und schließlich
mußten seine Gründe doch Wohl dem jungen, hübschen
Mädchen, das seit kurzer Zeit zum ersten Male liebte,
stichhaltig erschienen sein und alle Bedenken überwunden
haben, denn sie erhob sich mit thränenden Augen und
doch glückselig lächelnd sank sie an seine Brust.
Eine selige halbe Stunde erfolgte, in der wir die
beiden Liebenden nicht weiter belauschen wollen.
Ihre Verlobung sollte noch, so hatten sie es ver-
abredet, vorläufig Geheimniß bleiben, bis Bollheim's
Zukunft sich entschieden habe, und als Maria bemerkte,
daß der Zeiger der Uhr in wenigen Minuten die zwölfte
Stunde anzeigen würde, drängte fie Konrad, sich zu ent-
fernen, damit die Hausgenossen keinen Verdacht schöpften.
Noch eine herzliche Umarmung und der Verlobte
entfernte sich.
Jetzt machte Maria im Nachgefühl der soeben ver-
lebten Wonne in aller Eile Toilette, ordnete ihr Haar
und vertauschte ihr Morgenkleid nut einem einfachen
schmucklosen Hausanzuge.
Sie war kaum damit fertig, als das Laufmädcheu
hereinkam und ihr eine Karte Präsentirte, worauf der
Name Mr. Johnson stand.
Maria Wellbrandt war sehr erstaunt, daß ein Eng-
länder sie zu sprechen wünsche und konnte sich durchaus
nicht vorstellen, was ihn zu ihr führe. Sie gab dem
Laufmädchen die Karte zurück und ließ ihm sagen, er
wolle wahrscheinlich zum Kapellmeister und der wohne
nach vorne hinaus. Die kleine Botin kam sogleich
wieder und berichtete, daß der sremde Herr Fräulein
Wellbrandt zu besncheu die Absicht
hätte.
Plötzlich fiel es der Süugerin ein,
daß sie ja jetzt an die Öffentlichkeit
getreten sei und von nun an gewärtig
sein könne, von Kunstliebhabern und
Enthusiasten mit lästigen Besuchen
heimgesucht zu werden. Sic rief daher
in lautem Tone, daß der draußen
auf dem Flur Harrende es hören
mußte:
„Sage dem Herrn, daß ich bedauerte,
ihn nicht empfangen zu könuen."
Nach einigen Minuten kam das
Mädchen noch einmal wieder und
brachte ein Stück Papier, das ans
einem Taschenbuch herausgcrisseu zu
sein schien, auf dem die Worte mit
Bleifeder geschrieben standen: „Ich
ersuche Sie, mich nicht abzuwcisen,
da ich Ihnen einen Gruß zu über-
bringen habe von einem Manne, der
Ihnen sehr nahe steht."
Maria's erster Gedanke, nachdem
sie den Zettel gelesen, war, daß der
Grnß von Konrad käme, aber es
war doch nicht wahrscheinlich, da er
sie ja erst soeben verlassen hatte. Von
Hermine vielleicht? Aber der Gruß
sollte ja vou einem Manne kommen!
Und dieser wurde durch eineu Frem-

Fricdrich August, Erbgroßhcrzog vou Oldenburg, und seine Brant Prinzessin Elisabeth von Prensten.
Nach Photographiem gezeichnet von C. Kolb. (S. 175.)


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