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Heft 10.

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Sonnen in Flammen. — Die Katastrophe in
dem Weltensystem — der Brand eines Sternes. —
welche vor einiger Zeit in den Kreisen der Astro-
nomen so viel Aufregung verursachte, wurde in dem
Londoner Wochenblatte „Belgravia" von dem engli-
schen Astronomen Richard A. Proctor eingehend be-
sprochen. Er meint, daß diese Katastrophe sich wahr-
scheinlich vor einem Jahrhundert ereignete; das Licht
hatte jedoch Millionen und Millionen Meilen zurückzu-
legen, ehe es die Erde erreichte. Sollte unserer Sonne
ein solcher Zufall zustoßen, dann würden alle Geschöpfe
auf der ihr eben zugewendeten Seite des Erdballs in
einem Augenblick vernichtet, und die übrigen sehr rasch
nachher. Die Himmelsdecke über uns würde sich auf-
lösen und die Elemente in Glühhitze schmelzen. Es
wurde die Frage aufgeworfen: ob die Erde in dieser Ge-
fahr sei, und ob der kommenden Zerstörung eine War-
nung vorhergehen würde. Der Zuerst berichtete Sonnen-
brand — beobachtet von Hipparchus — ereignete sich vor
2000 Jahren. Er wurde im vollen Tageslichte leuchtend
gesehen, was zeigte, daß er vielmals Heller war als Sirius,
der Hundsstern. Er wurde ein neuer Stern genannt, weil
er immer unsichtbar gewesen, bis sein Brand sein Licht
zeitweilig sichtbar machte. Ter nächste neue Stern (oder
Sonnenbrand) erschien in der Himmelsgegend zwischen
Cepheus und Cassiopeja dreimal, und zwar in den Jahren
nach Christi Geburt 945, 1264 und 1572, und man er-
wartet in nicht allzn ferner Zeit, diesen Stern wieder in
Flammen zu sehen. Bei seinem letzten Erscheinen brannte
dieser Stern durch sechzehn Monate. Er erschien größer
als der Jupiter und Heller als der Sirius. Er nahm
den Glanz nicht nach und nach an, sondern schien
sofort in voller Größe und Helle, als ob er eine augen-
blickliche Schöpfung gewesen wäre. In: Jahre 1596
bemerkte Fabricius einen neuen Stern an dem Halse
des „Walfisches", und im September 1604 wurde aber-
mals ein solcher entdeckt. Im Jahre 1670 erschien
einer im Sternbilde des „Schwans", und er blieb durch
fast zwei Jahre sichtbar. 1848 wurde ein anderer zu-
erst gesehen, der seither, seit seiner scheinbaren Schöpfung,
zu existiren fortfuhr. Mit Hilfe des Telespektroskops
— eines Instrumentes, in dem das Teleskop mit dem
Spektroskop sich verbindet — wurde gefunden, daß das
Zunehmen des Sternenlichtes, welches diesen Stern sicht-
bar macht, der abnormen Hitze des Hydrogens zuzu-
schreiben ist, das diese ferne Sonne umgibt. Aber es
konnte .nicht entschieden werden, ob dieses Hydrogen
glühend war von der Hitze des Sternes, oder ob ein
Zustand absoluter Verbrennung bestand. Diese Sternen-
brände, glaubt man, würden durch einen Kontakt mit
anderen Himmelskörpern veranlaßt — mit Meteoren, die
sich in excentrischen Bahnen bewegen, oder die sich im
Gefolge von Kometen befinden. Die Meteore, welche
einem Kometen folgen, erscheinen auf dessen Wege noch,
nachdem er schon seit Jahren verschwunden ist. Der
Schweif des Kometen von 1843 muß thatsächlich unsere
Sonne berührt haben und Newton's Komet kam derselben
sehr nahe. Wir haben Beispiele von der fürchterlichen Hitze,
in welche die Sonne in solchen Fällen versetzt werden
kann. Im Jahre 1859 kamen zwei meteorische Massen
in Kontakt mit der Sonne. Der Niederfall dieser zwei
Körper affizirte die Erde in derselben Zeit, in der die
Sonne davon berührt ward. Lebhafte feurige Nordlichter
wurden beobachtet, wo nian sie nie zuvor gesehen, begleitet
von magnetich-elektrischen Strömlingen über die ganze
Erde. Der Telegraph versagte an vielen Orten den Dienst,
die Telegraphisten bekamen schwere Schlüge, und zu Boston
folgte eine Fcuerflamme der Feder von Bain's elektri-
schem Telegraphen, welche die Botschaft auf chemisch-
prüparirtes Papier schreibt. Dies war die Wirkung der
zwei in die Sonne fallenden Meteore auf die Erde. Die
Wirkung eines Kometen, dem auf seineni Wege viele
Millionen von Meteoren folgen, kann man sich da-
nach im Falle ihres Hineinstürzens in die Sonne
vorstellen. Unsere Sonne, von irgend einem fernen
Sterne gesehen, auf dein sie gewöhnlich unsichtbar ist,
würde für einige Tage' wie eine neue Sonne erscheinen,
während Alles, was auf Erden lebt und wächst, sowie
auf anderen Planeten unseres Sonnensystems unver-
meidlich vernichtet würde. Wenn ein Komet aus dem
Sternbilde des Stiers käme und im Mai oder Juni
auf die Sonne siele, so würde das Licht der Sonne für
uns einen Schleier bilden, daß wir diesen Borgang
nicht sähen, und wir würden augenblicklich vernichtet,
ohne etwas darüber Zu wissen. Fiele der Komet im
November oder Dezember, würden wir es Wochen vor-
her sehen, und die Astronomen wären fähig, vorauszu-
fagen, wann er in die Sonne fallen würde. Die Störung
auf der Sonne würde nur eine temporäre fein, aber auf
Erden blieben keine Männer der Wissenschaft übrig, um
über die Wirkungen zu berichten. Die Wahrscheinlich-
keit spricht aber sehr gegen ein solches Ereigniß.
Unsere Sonne ist nur Eine unter Millionen, und
doch werden ans den letzten 2000 Jahren nicht
mehr als zwanzig solcher Katastrophen berichtet. Nir.
Proctor beruhigt uns auch noch in anderer Weise. Er sagt,

Das Buch für Alle.
daß in der Lhat alle diese Brände außer einem Einzigen
in der Zone der Milchstraße erschienen, und jener Eine in
einer Region, welche mit der Milchstraße durch einen
deutlich markirten Strom von Sternen zusammenhängt.
Er erklärt, daß in dieser Region noch immer der Prozeß
der Entwickelung vor sich gehe, und daß, wenn es unter
den Kometen einen gäbe, dessen Bahn den Sonnen-
körper durchschnitte, diese Katastrophe schon erfolgt wäre,
bevor es noch Menschen auf Erden gab. Wir dürfen
also glauben, daß aus unserem Sonnensystem alle Ko-
meten destruktiver Art entfernt sind, und daß noch durch
viele kommende Zeitalter die Sonne sortfahren wird,
Licht und Leben zu spenden. T. N.
Was das „Geschäft" kostet. — Eine englische
Zeitung macht folgende Mittheilungen über verschiedene
bekannte englische und amerikanische Industrielle: Hollo-
way zahlt jährlich mehr als 350,000 Mark für An-
preisungen feiner Pillen; Moses und Sohn geben jähr-
lich 120,000 Mark für Annoncen aus; ebenso Viel die
Firma Rowland und Sohn zu Gunsten ihres Makassar-
öls und Dr. de Fongh für seinen Leberthran. Um die
von ihnen konstruirten Betten bekannt zu machen, an-
nonciren Heel und Sohn jährlich für 70,000 Mark; der
Schneider Nicholls hat jährlich 60,000 Mark Annoncen-
kosten zu zahlen, und es gibt noch sehr viele Geschäfts-
leute, die für das „Geschäft" ebenso viel oder noch mehr
ausgeben. Madame Tufsand zahlt der Omnibusgesell-
schaft „Atlas" monatlich gegen 1200 Mark dafür, daß
sie ihre Reklamen an den Wagen ankleben lassen darf.
Alle aber übertrifft der Chemiker Humboldt in New-
Pork, dessen Annoncen ihm jährlich 1,200,000 Mark
kosten. An einem Tage zahlte er für eine einzige An-
nonce 9000 Mark. Während des Secessionskrieges, als
die politischen Nachrichten den Platz in den Zeitungen
für sich in Anspruch nahmen, bot Humboldt dem „New-
Pvrk Herald" für eine einzige Seite 12,000 Mark und
wurde abgewiesen. Trotz dieser großen Unkosten muß
es sich doch lohnen, denn Holloway ist mehr als zwan-
zigfacher Millionär, und alle oben genannten Leute sind
reich wie Crösus. Ja, der Tam-Tam! R.
Marr must sich zu helfen wissen. — Der eng-
lische Minister Cornhill war ein äußerst wohlthütiger
Mann, der oft viel mehr an Arme ausgab, als seine Ver-
hältnisse erlaubten, und in Folge dessen sich nicht selten
in Geldverlegenheiten befand. Tas war denn auch eines
Tages der Fall, als ein Kaufmann bei ihm eintrat und
ihm einen Wechsel zur Zahlung überreichte. Cornhill
bedauerte sehr, nicht zahlen zu können und bat, in
einigen Tagen wieder zu kommen. Während er aber
noch sprach, bemerkte der Kaufmann eine Rolle Gold auf
einem Tische liegen und bat nun, ihm doch mit diesem
Gelde zu bezahlen. „Das kann ich leider nicht," ver-
setzte aber Cornhill, „dieses Gold bekommt mein Freund
Sheridan, es ist eine Schuld ohne irgend welchen Schein.
Er lieh mir vorgestern diese Summe, damit ich eine
tief unglückliche Familie unterstützen konnte. Ich muß
nun mit dem Bezahlen eilen, denn träfe mich irgend
ein Unfall, so könnte er nichts Schriftliches von mir
vorzeigen." — „Tann verwandle ich meine Forderung
auch in eine Schuld ohne irgend welchen Schein," sagte
der Kaufmann schnell und zerriß den Wechsel. Corn-
hill wurde durch diese resolute That so überrascht uud
fühlte sich durch das iu ihn gesetzte Vertrauen so geehrt,
daß er den Kaufmann bezahlte, indem er sagte: „Nun
muß Sheridan warten, denn Ihr Anspruch ist jetzt der
ältere." Es. Braunfels.
Finkenzucht in Thüringen. — In der Dom-
herren-Bibliothek in Zeitz fand man vor Kurzem eine
von: Jahre 1433 herrührende lateinisch geschriebene An-
weisung zur Finkenzucht in Thüringen, aus der hervor-
geht, daß man schon damals die Zucht in ganz der-
selben Weise betrieb wie heute. Es ist dies ein neuer
Beweis, daß diese Beschäftigung des Thüringers bis in
die älteste Zeit hinein reicht und sich von Geschlecht zu
Geschlecht mit denselben Grundsätzen vererbt hat. Die
Handschrift macht auf elf Punkte in Bezug der Zucht
besonders aufmerksam. Dahin gehört, daß man die
Finken in die Mitte des Juni in's Freie bringt, damit
sie den Gesang bewährter Vorsänger erlernen. Fünfzehn
Tage foll die Lehrzeit betragen, alsdann muß jeder Vogel
für sich in einen dunklen Käfig gesperrt und mit Mohn
und Fenchel gefüttert werden, damit er in dieser Ab-
geschlossenheit sich den gehörten Schlag aneigne. Um
diese Zeit müssen dem Vogel die Federn gestutzt und die
Nägel geschnitten werden, damit sie ihn in seiner Be-
! wegung im Bauer nicht hindern. Die anderen Punkte
beziehen sich auf die Heilung der Darre, der Heiserkeit,
des Fiebers, der Fettleibigkeit, der Augenkrankheiten rc.
Dies sind die Grundzüge, nach denen meistentheils auch
heute noch die Thüringer Finkenzucht betrieben wird,
wenn freilich in einzelnen Punkten eine einsichtsvollere
Behandlung sich geltend gemacht hat. Gegenwärtig
wird die Finkenzucht nicht mehr mit demselben Eifer
betrieben wie vordem, so daß die alte Liebhaberei ihrem
Verfall entgegen sieht. R. Sch.
Groste Kanonen. — Auf der Ebernburg im
Nahethal bei Kreuznach, genannt „die Herberge der Ge-
rechtigkeit", dem Lieblingssitze Franz v. Sickingeicks, be-

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fand sich unter den Geschützen auch eine Kanone, die
Nachtigall genannt, die 13Fuß lang war und 70 Cent-
ner wog. Darauf gegossen war Franz v. Sickingen's
Bildniß nebst dem seiner Gattin Hedwig und folgen-
der Vers:
Die Nachtigall heiß ich,
Lieblich und schön ist mein Gesang,
Wem ich sing, dem wird die Zeit lang,
Meister Stephan von Frankfurt goß mich.
Eine andere Kanone von elf Fuß Länge, die ebenfalls
auf der Ebernburg stand, führte den Spruch:
Das walt' Gott;
Meister Stephan zu Frankfurt goß mich;
Ich heiß der H a h i?,
Im Lager buck ich allzeit voran. S.
Merkwürdige Antipathien. — Zu den merk-
würdigsten und unerklärbarsten Gemütszuständen, denen
der Mensch unterworfen ist, gehört der sonderbare Wider-
wille gegen gewisse Dinge oder Umstünde, der manche
Leute von sonst ganz normaler Konstitution beherrscht.
Um einzelne weniger bekannte Fälle dieser sogenannten
Antipathien aufzuzählen, sei angeführt, daß z. B. der
tapfere Herzog von Epernon, der sich bei verschiedenen
mit Lebensgefahr verknüpften Unternehmungen auf's
vortheilhasteste auszeichnete, nichtsdestoweniger beim An-
blicke eines Hüsleins ohnmächtig wurde. In gleicher Weise
fühlte sich Cäsar v. Albret, Marschall von Frankreich,
beim Aufträgen eines gebratenen Ferkels auf die Tafel
unwohl, wurde jedoch, sobald der Kopf des Thieres ab-
geschnitten, sofort wieder gesund, da dies derjenige Theil
war, der ihm Unbehaglichkeiten verursachte. — Des-
landes berichtet im „Mercure de France" für das
Jahr 1727: „Ein Artillerie-Offizier wurde blaß und
krank, wenn man in seiner Gegenwart einen Flaschenkork
mit dem Messer zerschnitt. Er gab sich alle erdenkliche
Mühe, diesen Widerwillen zu überwinden, allein ohne
Erfolg." — Der berühmte Peter von Apono, ein aus-
gezeichneter Professor der Arzneiwissenschast in Bologna,
konnte weder Käse sehen noch riechen; er wurde jedes-
mal ohnmächtig. Dasselbe war mit Martin Schock,
Professor der Philosophie in Gröningen der Fall, der
sogar eine sehr merkwürdige lateinische Abhandlung über
diesen Gegenstand schrieb, betitelt: ,,1)6 ^versions
6a8oi." (lieber die Abneigung gegen Käse.) — Hobbes
mußte Nachts immer Licht in seinem Zimmer haben,
sonst wurde er ohnmächtig; Tycho de Brahe, der be-
rühmte dänische Astronom, wurde bei dem Anblicke eines
Hasen oder Fuchses krank, und Boyle bekam Krämpse,
wenn er das Plätschern des ans einem Krnhnen fließen-
den Wassers vernahm. — Weit erstaunlicher ist das,
was man von dem berühmten Lamothe le Bayer be-
richtet, der den Ton von keinem einzigen Instrumente
ertragen konnte, dagegen sein größtes Vergnügen am
Rollen des Donners fand. — Der gelehrte Theologe
Johann Pechmann hatte von seiner frühesten Kindheit
an eine heftige Abneigung gegen das Geräusch eines
Besens. Sv groß war diese Antipathie, daß er, wenn
immer er eine Person die Straße kehren hörte, er plötzlich
Unbehaglichkeiten empfand, das Athmen wurde ihm schwer
und er schnappte nach Luft, als wenn er ersticken müßte,
-vraf er zufällig beim Ausgehen mit Straßenkehrern zusam-
men, so lief er so rasch wie möglich, gerade wie ein Toller
davon. — Olaus Borrichius erzählt, daß er den Besitzer
einer Schenke kannte, welcher, sobald er Essig auf
den Tisch gebracht sah, zitterte und mit kaltem Schweiße
bedeckt war. Sah er jedoch den Essig nicht, so konnte
er ihn ohne irgend welche Unbehaglichkeit genießen.
— Erasmus von Rotterdam wurde durch Fischgeruch
fieberhaft erregt, Joseph Scaliger konnte niemals Milch
vertragen, Cardanus hatte einen Widerwillen gegen Eier,
Wladislaus, König von Polen, mochte keine Aepfel sehen,
und Chesne, Sekretär des Königs Franz I. von Frank-
reich, bekam Nasenbluten, wenn ihm ein Apfel gezeigt
wurde; Heinrich 111. von Frankreich konnte niemals mit
einer Katze in einem und demselben Zimmer fitzen. —
Juan Rol, ein Einwohner von Alcantara, verlor, wenn
das Wort „Lana" (Wolle) genannt wurde, das Bewußt-
sein, obgleich er einen wollenen Nock trug. — Ama-
tus Lusitanus berichtet von einem Mönche, der beim
Anblicke einer Rose ohnmächtig wurde und während
deren Blüthezeit niemals seine Zelle verließ. — Zim-
mermann erzählt uns von einer Dame, die keine
Seide und Atlas anfühlen konnte und beim Berühren
der sammctartigcn Haut eines Pfirsichs zusammenschau-
derte. — Hippokrates gedenkt eines gewissen Nicanor,
der beim Hören einer Flöte das Bewußtsein verlor. —
Julia, die Tochter des Königs Friedrich von Neapel,
konnte kein Fleisch genießen, ohne ernstliche Anfälle zu
bekommen. — Ambrosius Pars endlich gedenkt eines
Mannes, der beim Anblicke eines Aales ohnmächtig
wurde, mit welchem Falle wir diese Aufzählung, welche
leicht noch fortgesetzt werde könnte, schließen. M. E.
 
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