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506

„Doch — doch!" fuhr Leonard fort. „Ich habe die
Pflicht, über Ihre Gesundheit zu Wachen."
„Es ist nichts," wiederholte Düringer.
Leone trat zn ihm und legte schweigend die Hand
auf seinen Arm.
„Dn bedarfst der Ruhe, willst Du Dich nicht aus
Dein Zimmer begeben," sprach sie dann.
Kurt folgte ihrem Rathe, denn er fühlte, daß er
nicht stark genng war, seine Erregung zu verbergen.
Leone begleitete ihn.
Als sie auf seinen! Zimmer angelangt waren, blickte
sie ihn prüfend an.
„Kurt, stand das Zusammentreffen mit der Fran im
Walde mit Theodoras Mutter in irgend einer Be-
ziehung?" fragte sie.
„Nein," gab Düringer zur Antwort und er konnte
seiner Frau offen in's Auge blicken.
„Du bist sehr errregt."
„Ja, die Erregung der letzten Tage wirkt in mir
nach, je mehr ich sie zu verbergen suchte, um so nach-
haltiger macht sie sich geltend. Sie wird vorübergehen,
wenn ich mir Ruhe gönne."
„Wirst Dn dies auch thun?"
„Gewiß," versicherte Kurt, indem er die Hand seiner
Fran erfaßte. „Nun kehre zu den Kindern zurück und
zeige ihnen ein sorgloses, heiteres Gesicht."
Düringer sollte nicht zur Ruhe kommen. An: fol-
genden Morgen erhielt er einen Brief Schlobig's, in
welchem derselbe ihn aufforderte, sich in Betreff der
Mutter Theodora's zu erklären.
„Ich habe Ihnen Zeit genug gelassen, um reiflich
in Erwägung zu ziehen, welchen Werth mein Schweigen
in dieser Angelegenheit hat," hieß es in dem Briefe. „Ist
Ihnen daran gelegen, eine friedliche Ausgleichung herbei-
zuführen, so werden Sie mich heute gegen Mittag in
meiner Wohnung antreffen, lehnen Sie dieselbe ab, so
fühle ich mich in keiner Weise verpflichtet, die That-
sachen, von denen ich genaue Kenntniß besitze, geheim
zu halten."
Kurt war durch den Bries nicht überrascht, er hatte
ihn vielmehr erwartet; er war auch entschlossen, Schlobig
anfzusuchen nnd Alles aufzubieten, nm das Schweigen
desselben zu sichern. Eins empörte ihn indessen. Wes-
halb erwähnte Schlobig mit keinem Worte, was er über
Albert wußte? Er errieth die Absicht des Mannes nur
zu gut, derselbe wollte später, wenn sie sich in Betreff
von Theodora's Blutter geeinigt hatten, dieses Geheim-
nis in gleicher Weise ausbeuten, er wollte ihn zwingen,
immer mehr und mehr zn zahlen, um seine Habsucht zu
befriedigen.
Kurt würde gern ein großes Geldopfer gebracht
haben, allein der Gedanke, ganz der Willkür und Hab-
sucht dieses Mannes preisgegeben zu sein und fort und
fort in der Besorgniß zu schweben, daß er doch sein Ver-
sprechen nicht halten werde, erfüllte ihn mit Erbitte-
rung. Diese Besorgniß mußte zuletzt seine Kräfte uns-
re iben.
Er dachte daran, den Schutz der Polizei oder des
Gerichtes anzurufen, allein konnten sie Schlobig zwin-
gen, zu schweigen? Reizte er ihn dadurch nicht noch
mehr?
Albert trat in das Zimmer, um ihn zum Spazier-
gange abznholen. Unwillkürlich heftete sich sein Auge
wieder auf das Gesicht desselben, um sich zu überzeugen,
wie ähnlich er Rode war; der Athem stockte in seiner
Brust, er beherrschte sich indessen.
„Heute nicht," entgegnete er ruhig.
„Und weshalb nicht?" fuhr Albert fort. „Die frische
Luft wird Dir wohl thun. Du bist schon seit mehreren
Tagen so erregt und ernst und ich habe mich vergebens
gefragt, ob ich Dir irgend eine Veranlassung zur Un-
zufriedenheit gegeben habe."
„Nein, nein!" fiel Kurt, des Sohnes Hand erfassend,
ein. „Du bist nicht die Veranlassung."
„Es liegt auf mir stets wie ein schwerer Druck, wenn
ich Dich nicht heiter sehe," sprach Albert. „Du hast
uns Alle durch Deine Liebe und Heiterkeit zu sehr ver-
wöhnt, als daß wir sie entbehren könnten."
„Ich werde wieder heiter werden, sobald ich mich
völlig wohl fühle," gab Kurt zur Antwort. „Schon
heute fühle ich mich gekräftigter und ich würde Dich
auch begleiten, wenn mich nicht ein nothwendiges Ge-
schäft hente Morgen in die Stadt riefe. Theodora und
Else werden Dich begleiten und in ihrer Gesellschaft
wirst Du heiter sein."
„Die beiden Mädchen wünschen zur Wassermühle zu
fahren und ich soll sie begleiten," entgegnete Albert.
„Der Morgen ist so schön, daß ich es ihnen bereits
versprochen habe, vorausgesetzt, daß Du damit einver-
standen bist."
„Nein, nein, nicht heute!" siel Düringer hastig ein.
Er zitterte bei dem Gedanken, daß Christine den, der
ihr Sohn war, so bald Wiedersehen sollte.
Erstaunt blickte Albert seinen Vater an, dessen Er-
regung, mit der er die Worte gesprochen hatte, er nicht
begriff. War derselbe doch stets damit einverstanden ge-
wesen, wenn sie einen Ausflug in die Umgegend unter-
nahmen.

Das Buch für Alle.
„Weshalb heute nicht?" fragte er.
Düringer zögerte mit der Antwort; womit sollte er
seine Ablehnung rechtfertigen?
„Ich will an dem Ausfluge Theil nehmen und beute
ist es mir nicht möglich," erwiederte er mit gezwunge-
nem Lächeln. „Fahrt nach einen: anderen Orte oder
fahrt im Walde spazieren — nach der Wassermühle
werde ich euch begleiten, denn dort — dort habe ich be-
reits mehr als eine heitere Stunde verlebt."
Albert entfernte sich und Kurt rüstete sich, um sich
zur Stadt zu begeben. Es war ein schwerer Gang
für ihn.
Schlobig saß in seinem Zimmer und befand sich
nicht in der rosigsten Laune. Daß er nicht die geringste
Hoffnung mehr hatte, Christinens Hand zn erwerben,
darüber war. er nicht mehr in Zweifel; er hatte nun an
diesem Morgen versucht, das Herz seiner Wirthin zu
erforschen, allein Fräulein Liesbeth Schmaal war seinen
Fragen ausgewichen und er befürchtete, auch von ihr,
auf die er unter allen Umständen so sicher gerechnet
hatte, zurückgewiesen zu werden.
Er erhob sich und schritt unruhig und unwillig in
seinem Zimmer auf uud ab. Sollten denn alle seine
Pläne scheitern! Er war von seiner Klugheit zu fest
überzeugt, als daß er hätte befürchten können, einen fal-
schen Weg eingeschlagen zu haben.
Er fühlte wenig Verlangen, das alte und unschöne
Fräulein zn besitzen, allein ihn verlangte nach ihrem
Vermögen und er hielt dasselbe für bedeutender als es
war. Er hatte versucht,. sich über die Größe desselben
Gewißheit zu verschaffen, dies war ihm indessen nicht
gelungen, er hatte von Anderen nur erfahren, daß das
alte Ill'äulein vermögend sei.
Es lag ihn: aus verschiedenen Gründen viel daran,
über das Herz Liesbeths Gewißheit zu erlangen, denn
auch seine nahe bevorstehende Unterhandlung mit Dürin-
ger wurde dadurch beeinflußt. Gelang es ihm nicht,
das Herz seiner Wirthin zu gewinnen, dann war er ent-
schlossen, die Stadt zu verlassen, und die Forderung, die
er dann an Düringer für sein Schweigen stellen wollte,
wurde eine andere.
Nach kurzer Ueberleguug entschloß er sich, ohne Ilm-
schweife nm Liesbeths Hand anzuhalten; vielleicht war
ihr Ausweichen nicht mehr als Schüchternheit gewesen,
die sie so gerne zur Schau trug.
Er begab sich in ihr Zimmer.
Liesbeth empfing ihn in der freundlichsten Weise,
denn sie war gegen Herren immer freundlich.
„Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches?"
fragte sie halb scherzend.
Schlobig war zum Scherzen nicht aufgelegt, ohue
Einleitung und Umwege schritt er auf sein Ziel zu.
„Fräulein, ich richtete hente Morgen einige Fragen
an Sie, allein Sie sind denselben ausgewichen," erwie-
derte er.
„Mußte ich nicht," gab Liesbeth, die Augen schüch-
tern niederschlagend, zur Antwort.
„Nein, denn ich wünschte eine offene Antwort von
Ihnen," fuhr Schlobig fort. „Ich glaubte sogar, Sie
würden errathen, weshalb ich die Fragen an Sie richtete."
Das Gesicht des Fräuleins röthete sich.
„Ich habe nichts errathen," entgegnete sie.
„Dann will ich es Ihnen sagen. Ich wollte Ihr
Herz erforschen, um zu erkenneu, ob dasselbe im Staude
sei, volles Vertrauen zu mir zu fassen."
Schlobig hatte ein sehr unglückliches Wort gewählt,
denn gerade das Vertrauen des Fräuleins zu ihm war
bedenklich erschüttert, seitdem er sie über den Werth
ihrer Aktien so arg getäuscht hatte.
„Und wenn ich dazu im Stande wäre?" fragte Lies-
beth mit leisem, verschmitztem Lächeln.
„Dann wollte ich Sie bitten, es mir für immer
anzuvertrauen."
„Herr Schlobig, halten Sie ein!" rief Liesbeth, ihn
unterbrechend. Ihr Herz fchlug in fieberhafter Auf-
regung. Zum ersten Male in ihrem Leben wurde ihr
eine Liebeserklärung gemacht, aber sie mißtraute dem
Manne, der sie an sie richtete.
„Nein, ich werde nicht einhalten," führ Schlobig
entschlossen fort. „Es kann Ihnen nicht entgangen sein,
daß mein Herz längst für Sie schlägt; ich hatte nicht
den Muth, Ihnen dies zn gestehen, allein ich vermag
die innere Unruhe nicht länger zu ertragen. Ich soll
mit dem Wesen, welches ich anbete, unter einen: Dache
wohnen und ihn: meine Liebe nicht gestehen — Liesbeth,
werden Sie die Meinige! Ich will Sie lieben, wie nur
ein Mann ein Weib lieben kann — machen Sie den
Abend meines Lebens zu eiuem glücklichen und heiteren!"
Er hatte die Hand des Fräuleins erfaßt und ver-
suchte sie an sich zu ziehen.
Liesbeth entzog ihn: die Hand.
„Herr Schlobig, ich darf solche Worte nicht hören,"
entgegnete sie nicht ohne Koketterie.
„Sie dürfen es, es sind ehrlich gemeinte Worte —
werden Sie die Meinige."
„Ich Lin entschlossen, unvermühlt zu bleiben."
„Sie müssen diesen Entschluß aufgebeu," fuhr Schlobig
fort. „Haben Sie mir nicht selbst gesagt, daß sie allein,

Heft 22.
verlassen und ohne Nathgeber dastehen? An mir werden
Sie einen treuen und festen Schutz finden, Ihr Glück
soll für mich die einzige Lebensaufgabe fein und Sie
wissen, daß ich Sie nicht täusche. Sie können einen
jüngeren Mann finden, aber kein Herz, welches Sie
inniger liebt, keinen Mann, der aufrichtiger ist."
Liesbeths kleine Augen zuckten, um ihren Mund glitt
ein leises, spöttisches Lächeln.
„Und weshalb haben Sie mir die Unwahrheit über
die Aktien gesagt, als ich Sie vor wenigen Tagen nach
den: Werthe derselben fragte?" bemerkte sie.
„Die Unwahrheit, Fräulein?" wiederholte Schlobig,
scheinbar sehr erstaunt.
„Ja. Sie sagten mir, die Aktien seien sehr im
Werthe gesunken, ich mar besorgt geworden nnd ging
sofort zu einem Bankier, derselbe versicherte mir das
Gegentheil."
Schlobig zuckte mit der Achsel.
„Derselbe hofft vielleicht einen Nutzen daraus zu
ziehen, wenn sie noch mehr sinken," bemerkte er.
„Nein, denn auf meine Anfrage erbot er sich, die-
selben sofort zum Tageskurse zu kaufen und ich habe
mich von dein Kurse selbst überzeugt."
„Hat er sie gekauft?"
„Nein."
„Haha! Ich dachte es Wohl," warf Schlobig ein.
„Ich wollte sie nicht verkaufen, zumal der Bankier
mir die Versicherung gab, daß an ein Fallen des Kurses
nicht zn denken fei."
„Und Sie glauben ihn: mehr als nur?"
„Ja," gab Liesbeth offen zur Antwort.
Schlobig sah ein, daß er von dein alten Fräulein
durchschaut war und daß er sich in ihr getäuscht, denn
er hatte ihr nicht so viel Schlauheit zugetraut. Nun
wußte er auch, wsshalb sie seine Werbung zurückwies.
„Fräulein, dann hätten Sie den Bankier von An-
fang an um Rath fragen sollen," entgegnete er. „Ich
will die Möglichkeit, daß ich mich geirrt habe, nicht in
Abrede stellen, obschon ich von dein Jrrthum selbst noch
nicht überzeugt bin, allein dies berechtigt Sie nicht, an
meiner Aufrichtigkeit zu zweifeln."
„Sie gaben nur die Versicherung, daß Sie mit Aktien
sehr vertrant seien."
„Dasselbe wiederhole ich auch heute," fuhr Schlobig
fort. „Vielleicht wird Ihnen schon die nächste Zeit Ge-
legenheit geben, zu beurtheilen, wer es am aufrichtigsten
gemeint hat. Sie durften an mir nm so weniger zwei-
feln, da Sie wußten, daß mein Herz für Sie schlägt!"
„Und wenn ich nun auch daran zweifle?" warf
Liesbeth ein.
Schlobig stellte sich über diesen Einwurf sehr ent-
rüstet. Mit kalter, steifer Verbeugung entfernte er
sich.
In seinem Zunmer angelangt, ließ er seinen: Un-
willen freien Laus. Es ärgerte ihn, daß er von dein
alten Fräulein, dessen Klugheit er so gering geachtet,
durchschaut war. Er hatte fo manchen Plan glücklich
durchgeführt, in dieser Stadt schien Alles zu scheitern.
Erregt fchritt er aus uud ab, es peinigte ihn, daß
er nicht einmal die Macht besaß, sich an der häßlichen
Dame zu rächen.
In dieser Stimmung traf ihn Düringer. Er em-
pfing denselben zwar freundlich, allein das Zucken seiner
kleinen Augen verrieth die Heftigkeit seiner Erregung.
„Ich komme in Folge Ihres Briefes," sprach
Düringer ernst. „Ich will nicht erörtern, ob Sie ein
Recht haben, ein Geheimniß, welches nicht das Ihrige
ist, zn veröffentlichen, es liegt mir daran, einen: jungen
Mädchen, welches meinem Schutze anvertraut ist, einen
Schmerz zu erspare::, ich Lin deshalb zu einen: Ueber-
einkommen mit Ihnen bereit."
Schlobig lächelte spöttisch.
„Sie erwähnen ein Recht," bemerkte er. „Wollen
Sie mir die Stelle des Gesetzes neunen, die mich zum
Schweigen verpflichtet."
„Ich habe nicht von: Gesetze gesprochen," entgegnete
Düringer ruhig. „Es gibt Rechte, die in: Gesetze nicht
genannt werden, die aber um so tiefer in unserer Brust
wurzeln."
Schlobig zuckte geringschützeud mit der Achsel.
„Haben Sie erwogen, welchen Werth mein Schwei-
gen für Sie hat?" fragte er.
„Nennen Sie mir die Summe, welche Sie verlangen."
Einige Sekunden lang zögerte Schlobig mit der Ant-
wort.
„Sie find reich," erwiederte er dann, „Fräulein
v. Salva — ich behalte den Namen, den ihr Vater an-
genommen hat, bei — ist gleichfalls sehr reich, Sie ver-
walten das Vermögen der jungen Dame, cs wird des-
halb nur eine Geringfügigkeit für Sie sein, wenn ich
zehntausend Thaler verlange."
Kurt hatte die Lippen aus einander gepreßt, er War-
ans eine dreiste Forderung vorbereitet.
„Und welche Sicherheit geben Sie mir dagegen, daß
Sie wirklich schweigen werden?" warf er ein.
„Ich gebe Ihnen mein Wort."
„lind wenn Sie schon nach wenigen Wochen sich
nicht mehr an dasselbe gebunden halten?"
 
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