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Nm Ehre und Namen.
Roman
von
F. v. Zobeltiff.
luvUscyuug.) iNnchdrnk! vcrboU-n.)
ns der Hinteren Hausthüre trat William
in den Garten. Erich beachtete ihn nicht,
sein Ange hing wie gebannt an dem jungen
Mädchen, ans dessen rosigem Antlitz Heller
Mondenschein lag. Und dabei zog durch
sein Herz die Erinnerung an eine andere
Mondnacht - weit, weit von hier, an
den Geländen der grünen Rhüne - nnd
eine zweite Erscheinung tauchte vor ihm
aus, ein blühend schönes, berückendes
Weib. Hier Mabel, hier Clelia, und
zwischen Beiden noch eine Dritte: das
starre, bleiche, eisige Bild einer —
Todten. — - —
„Sie sollen einen poetischen Eindruck
von unserer kleinen Inselwelt mit nach
Hause nehmen, Air. Garder," sagte Wil¬
liam, in die Laube tretend, mit fröh-
licher Stimme. „So wundersamer Voll¬
mondnächte kann sich sicher nicht einmal
das Land meiner Väter, daS schöne Ita-
lien rühmen! Beim Himmel, es ist
wahr: es wird mir schwer fallen, ganz
von Jamaika zu scheiden, denn wär' es
auch nicht der Ort meiner Geburt, ich
würde es dennoch lieben müssen seines
blauen Himmels und seiner herrlichen
Natur wegen!"
Nir. Garder nickte zerstreut.
„Ja," sagte er dann, „die Insel ist
reich an Schönheiten, der erste Anblick
und der erste Eindruck lehrten mich das.
Ich begreife, daß Sie am liebsten hier
blieben — und warum auch nicht? Lassen
Sie sich auf irgend einer ausfichtsschönen
Höhe der blauen Berge ein Schloß bauen
und umkränzen Sie es mit herrlichen
Gärten; dann ziehen Sie sich dorthin zu-
rück rind schauen aus Ihrer idyllischen
Einsamkeit in philosophischer Ruhe dem
Weltgetriebe zu! Wäre ich reich und
brauchte ich mich demzufolge nicht mehr
um die alltäglichen Kleinigkeitskrämereien
zu kümmern ich glaube, solchj tiefer
Frieden in schöner Weltabgeschlossenheit
würde mich mächtig reizen!"
„Sollten Sie nicht eine zu thaten-
lnstige Natur für die Einsamkeit sein?"
gab William lächelnd zurück. „Bei einem
Greise: der ein bewegtes Leben hinter sich
und seinen Frieden mit der Welt gemacht
hat, sind mir derartige Stimmungen Noch re

erklärlich — wir Beide, verehrter Freund, sind noch
zu jung für die stillen Genüsse philosophischer Lebens-
verachtung. Nein, Air. Garder, wenn sich wirklich
Alles zum Glücklichen fügt, so wie wir cs erhoffen,
dann habe ich andere Ideale, als ein romantisches
Schloß auf den Hängen des Westpik und als friedliche
Beschaulichkeit von oben herab. Im Stammlande
meiner Familie, in Italien Null ich mich aukaufen und
daun den Versuch wagen, mir in kleinem Kreise eine
Welt voll Glück und voll Zufriedenheit zu schaffen."
Mit Lebhaftigkeit sprach auch Mabel sich für diese
Zukunftsideen aus. Mau Plauderte noch ein halbes
Stündchen mit einander, während der Mond höher
und höher stieg und die Hellen Lichter, die er durch
das Blattgewirr der Platanen streute, allmählig blei-
cher zu werden begannen. Dann trennte man sich.

Gustav Wcrucr.
:r Photognwhic von Paul Hcflec iu StuUgnrt gczcichncl von C. Kolb.

Am folgenden Morgen rüsteten sich die beiden Män-
ner zur Abreise. Mabel begleitete ihren Bruder und
Air. Garder au Bord des „Marschall Ney" und ver-
abschiedete sich dort erst von ihnen. Sie war tief be-
wegt und warf sich schluchzend William an die Brust.
„Gott sei mit Dir, mein geliebter Bruder," flüsterte
sie und legte das braune Köpfchen an seine Schulter;
„er behüte und schirme Dich und führe uns wieder
glücklich zusammen."
Es kostete William Mühe, seine Selbstbeherrschung
zu wahren. Auch er war eine Weiche Natur und liebte
Mabel über Alles: er hatte aber doch nicht geglaubt,
daß die Abschiedsstunde eine so schmerzliche sein würde.
Die Dampfpfeife ertönte und die Ankerketten rassel-
ten herauf. Das Taschentuch vor das Gesicht gepreßt,
hatte Mabel das Boot wieder bestiegen, das sie au das
Land zurückbringen sollte. Die kleine
Barke schaukelte über die sonnendnrch-
glühten Wasser — Mabel winkte mit
Hand und Tuch den letzten Gruß nach
dein „Ney" herüber. An der Schanzver-
kleidnng des Oberdecks standen William
rind Mr. Garder dicht neben einander
und grüßten zurück. William hatte sei-
nen Arm nm die Schulter des Deutschen
gelegt, und so schien es Mabel, als
seien die Beiden schon alte Freunde
Freunde für's Leben.
Es Ivar ihr ein beruhigender Gedanke,
ihren Bruder unter dem Schutze eines
braven Mannes zu wissen.
Schnaubend und stöhnend furchte daS
Dampfboot sich seine Bahn durch die
Wasser und ließ einen hellleuchteudeu
Streifen hinter sich.
„Lebe Wohl, Jamaika!"
Die Londoner „Times" brachte etwa
drei Wochen später folgenden ausführ-
lichen Bericht über ein furchtbares Er-
eignis;, das sich auf hoher See abgespielt
hatte und dem zahlreiche Menschenleben
znm Opfer gefallen waren:
„Marseille, 17. Oktober. Wir
meldeten schon telegraphisch, daß der
beste und seetüchtigste Packetdampfer der
-6c>mpaFuis gönörala trauzatlantigrcay
der Marschall Ney', ein Schiff von sechs-
tausend Tons, Kapitän Charles Vuiton,
auf seiner Fahrt von Centralamerika nach
der Heimath untergegangen sei, und daß
von seiner Bemannung verhältnißmäßig
nur Wenige gerettet werden konnten,
lieber die schreckliche Katastrophe liegen
nunmehr nähere Nachrichten vor. Fran-
zösische Zeitungen theilen folgenden Be-
richt eines der geretteten Matrosen mit:
Am 6. September ging der Marschall
Pley' von Sankt Thomas ans in See.
Bis Jamaika hatten wir das herrlichste
(T. ea; Wetter von der Welt, kaum aber lag
 
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