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Heft 13. AUustrrerte Famitien-Zertung. I-hrg. mi.


Eine Lebenssünde

Roman von R. von der Elbe.

und

(lorkfthung.)

ins

cheneraffeldmarfchalk Leonhard Hraf v. ZZkumentüak ch. (S. 349)

umfaßte sie tröstend und redete ihr
sei ein gutes Kind und solle auch
ein schönes Rad bekommen.
verließen dann das Zimmer, auch
gehen, der Professor aber hielt ihn

allein reisen würdest. Dani: müßte ich doch wieder-
kommen, euch abzuholen."
„Ja, du hast recht. Ich möchte es dir ja auch
nicht zumuten. Sei vernünftig, Annemarie."
„Nein — nein, ich bleibe noch hier!"
Da hob Boström die Augen vom Kursbuche
sah die Erregte vorwurfsvoll an.
Eine Blutwelle stieg dem jungen Geschöpfe
Gesicht, es schlug beschämt die Hände vor die Augen
und stammelte aufschluchzend: „Ich will's ja thun
alles thun — was ihr wollt."
Die Mutter
liebevoll zu, sie
gleich in Berlin
Die Damen
Boström wollte
zurück.
„Kommen Sie mit zum Telegraphenamt. Ich
möchte mich bei meinem Patienten und beim Portier
meines Hauses in Berlin telegraphisch anmelden."
Sie gingen; unterwegs fragte MüLelsbach: „Und
Ihre Pläne, mein junger Freund? In Ihrer be-
scheidenen Zurückhaltung haben wir fast nie von Ihnen
gesprochen. Welchen Bildungsgang haben Sie durch-
gemacht und was beabsichtigen Sie ferner zu thun?"

Lisette einpacken, ich telegraphiere zurück,
dort sein kann." —
Als Annemarie ernst und hoch gestimmt
im Hotel ankam, fand sie die Eltern im
vollen Aufbruch.
Nanny Stöckmann half Lisetten Kleider
zusammenlegen, die Mutter, jeder Mühe
ungewohnt, wurde vom Vater zu einer
näheren Ueberlegung der Reise abgerufen.
Annemarie sank auf einen Stuhl und
brach in Thränen aus.
„Aber Kind, so ungern gehen Sie?"
rief die Malerin und legte den Arm zärt-
lich um die Schluchzende.
„Ach, das wunderschöne Nadeln," stam-
melte das junge Mädchen.
„Das können Sie ja in Berlin fort-
setzen. Sie sind so geschickt geworden,
daß —"
„Das alte eklige Berlin ich mag
nicht nach Berlin!" — Annemarie trat
mit dem Fuße auf. „Ich will mit Ihnen
hier bleiben, gleich sag' ich's den Eltern."
Sie sprang auf und lief ins Nebenzimmer.
Robert Boström war da und stand neben
dem Professor über das Kursbuch geneigt.
„Mama, liebe Mama, laß mich hier
bei Nanny Stöckmann!"
„Aber Kind, was fällt dir ein?"
„Rede keinen Unsinn, Annemarie,"
fagte der Vater, sich ärgerlich aufrichtend.
„Es ist kein Unsinn, denn ich mag noch
nicht weg. Warum soll ich durchaus nut
reisen?"
„Was meinst du, lieber Mann, ob ich
mit dem Kinde noch hierbleibe — wenn
sie's doch so gerne möchte."
„Aber Claire — welch eine Idee! Ich
weiß, daß du unter keiner Bedingung

„Theoretisch bin ich in den Hörsülen von Upsala
für meinen Beruf vorbereitet worden und darauf
praktisch im Universitätshospital weitergebildet. Hier-
wird, wie es auch in Deutschland üblich ist, an den
Fällen demonstriert und sodann dem Kandidaten all-
mählich diese und jene Untersuchung und Behandlung
auf irgend einer Station überlassen, so daß man in
seine selbständige Arbeit hineinwächst. Nachdem ich
die Examina bestanden, habe ich das Glück gehabt, ein
Vierteljahr lang einen Assistenzarzt vertreten zu dürfen.
Der Betreffende wird im nächsten Frühjahre die Praxis
seines Vaters übernehmen, und zu meiner Freude
habe ich vom dirigierenden Professor die Zusage er-
halten, dann an seine Stelle zu treten. Ich benutze
diese Zeit, mich im Auslands weiter zu bilden. In
Paris war ich drei Monate. Für den Winter habe
ich Empfehlungsbriefe nach Wien."
„Schade, daß Sie nicht nach Berlin kommen wollen.
Ich würde Ihnen gern behilflich sein, allerlei bei uns
zu sehen."
„Ich bin durch nichts an Wien gebunden," sagte
Boström zögernd.
„So satteln Sie um; Berlin bietet Ihnen reichlich
so viel medizinisch Interessantes wie Wien."
„Eine lockende Aussicht, die Belehrung und gütige
Protektion des Herrn Professors zu ge-
nießen. "
„So sagen Sie ja."
„Jedenfalls werde ich mir die Sache
ernstlich überlegen."
„Kommen Sie gleich zu uns ins Haus,
wenn Sie Berlin wählen. Hier ist meine
Karte, die Adresse steht darauf."
Robert Boström dankte mit warmen
Worten. Er fühlte sich außerordentlich froh
und leicht. Wie liebenswürdig der ausge-
zeichnete Mann gegen ihn war! Das konnte
eine höchst wertvolle Anknüpfung für ihn
geben. Ja, er würde wohl Berlin vor-
ziehen. —
Die Stunde von Mittelsbachs Abreise
kam bald heran. Nanny Stöckmann und
Boström begleiteten die Familie zur Bahn.
Annemarie schwamm in Thränen und
siel wiederholt im Wartezimmer der Ma-
lerin um den. Hals. „O das schöne Mon-
treux — das schöne Montreux —" schluchzte
sie immer wieder.
Auf dem Bahnsteig trat Boström zu
Annemarie heran, sie konnte aus ihren vom
Weinen verschwollenen Augen kaum zu ihm
aufsehen.
„Soll ich diesen Winter nach Berlin
kommen?" flüsterte er.
Eine merkwürdige Veränderung ging
mit ihrem traurigen Gesichtchen vor. Es
war, als wenn nach einem schweren Ge-
witterregen die Sonne plötzlich Hellen Scheins
durch Wolken bricht.. Sie lächelte strahlend
glücklich. „O ja — ja — bitte, thun Sie
das!"
Die Schaffner mahnten zum Einsteigen.
Annemarie wurde von ihrem Vater in

ls Professor Mittelsbach seiner Frau
seine Berufung zur Operation des
Fürsten mitgeteilt hatte, sagte sie ge-
dehnt: „Sehr ehrenvoll, aber —"
„Auch ich breche ungern so Knall
und Fall hier auf. lieber acht Tage,
dachte ich noch — indes, wenn ich nicht gehe, beruft
man eine andere Kapazität, einen Rivalen, und kein
Mensch erfährt, daß ich die erste Aufforderung erhielt."
„Du hast auch wohl noch nicht den Orden des
hohen Herrn?"
„Wie du an alles denkst! Nein, Ablehnen geht
nicht. Wir reisen noch heute — die Nacht durch. Ich
bringe euch nach Berlin, über dort liegen alle Züge
am besten, und ich fahre dann gleich weiter. Lasse
wann ich
 
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