Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
* 94 '

gründlich verhasst, und gerade in den ersten Jahren ihres Bestehens war
man öfter einer Zerstörung der beiden neuen Warten von Seiten des
Adels der Umgebung gewärtig.
Während der Belagerung von 1552 kam die Friedberger Warte ziem-
lich glimpflich weg. Am 17. Juli dieses Jahres brachen hier die hessischen
und sächsischen Heerschaaren in die Landwehr ein und begannen von
hier aus die Umschliessung der Stadt; die Warte selbst, ein trefflicher Stütz-
punkt an ihrer Hauptzufuhrstrasse, wurde von den Belagerern anscheinend
unversehrt gelassen. Schlimmer erging es ihr im dreissigjährigen Kriege;
am 6. Oktober 1634 wurde sie von den um die Stadt streifenden Kroaten
in Brand gesteckt. 1G37 Hess der Rath die ausgebrannte Warte wieder
herstellen, „weil sie dem Land ein sonder Zierd", wie die vom jüngeren
Lersner mitgetheilte Schrift angibt, welche die Bauherren in den Knopf
der Warte zur Erinnerung an den Aufbau einfügen Hessen. Von sonstigen
Schicksalen und Herstellungen des Bauwerks ist wenig bekannt. In den
Jahren 1810 und 181G wurden kleinere, 1827 die oben erwähnten Repara-
turen vorgenommen. Die Warte dient in neuerer Zeit als einfache Wirth-
schaft; das Fachwerkgeschoss des Thurmes seit 1875 als Aussichtsstube.
Die Friedberger Warte (Fig. 147—154) war bis in die neueste Zeit
die in jeder Beziehung am besten erhaltene unter ihresgleichen. Der
Thurm verlor 1895 seine innere Einrichtung, indem durch das städtische
Tiefbau-Amt auch hier ein Entlüftungsschlot des Kanalnetzes hergestellt
wurde, welcher im Helm mündet und die Gase durch die vier kleinen
beschieferten Gauben ins Freie führt. Zu diesem Zwecke wurde das Holz-
werk mit Monier bekleidet, dem im Achteckgeschoss befindlichen Raum
seine jetzige Gestalt gegeben und im Untergeschoss der Anschluss an den
Kanal hergestellt, wie Fig. 150 zeigt. Eine Veränderung am Aeusseren
des Thurmes fand damals nicht statt; die geplante Vermehrung oder
Vergrösserung der Gauben unterblieb. Cornill und Wolft sprachen sich,
zu einem Gutachten aufgefordert, am 13. Januar 1896 dahin aus, dass der
Charakter der Thurmspitze im Wesentlichen gewahrt bleiben müsse, eine
Vermehrung der Gauben unzulässig, eine geringe Vergrösserung der vor-
handenen dagegen statthaft sei. Die schraffierten Tlieile sind neues Mauer-
werk und stammen aus dieser Zeit. Bis dahin war der unterste kreis-
förmige Raum, da wo sich der Absatz beßndet, überwölbt und stand mit
dem Hofe durch eine auf der nordwestlichen Seite Hegende Oeffnung in
Verbindung, welche steil nach unten ging und offenbar zur Entleerung
dieses Raumes, der Abortgrube, diente. Eine Oeffnung im Gewölbe war nicht
vorhanden. *) Im Fussboden einer Fensternische des zweiten Obergeschosses
ist die Mündung des Abtritts, dessen Fallrohr in der Umfassungsmauer
lag und dessen untere Endung 1895 in dem als Abortgrube bezeichneten

0 Nach Mittheilung des mit der Ausführung beschäftigt gewesenen städtischen
Bauführers Boch.
 
Annotationen