Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Funktionen und Formen gewannen, die sich bis in die
frühe Neuzeit hinein kaum wesentlich verändert ha-
ben. Das räumlich klare Nebeneinander von Adel und
Kaufleuten, das sich in den Anfängen durchaus als
ein konstruktives Miteinander verstehen läßt, erfährt
in der untersuchten Zeit eine bezeichnende Verände-
rung: die fortschrittlichen Organisations- und Produk-
tionsformen des entstehenden Bürgertums werden in
der rapiden, formal klaren und konsequenten Ent-
wicklung seiner Stadt gut faßbar, ebenso wie das vor-
läufige Zurückweichen und Abkapseln des adeligen
Landesherren in seiner neuen Burg Form gewinnt.
Dieser höchst dynamische Gesamtvorgang steht am
Beginn eines jahrhundertelangen Dualismus von ho-
her innerer Spannung, in dem der Adel den endgülti-
gen Durchbruch des Bürgertums auch zur politischen
Macht mit allen Mitteln zu verhindern sucht; die Ge-
burt und ungemein rasche Frühentwicklung des Bür-
gertums treibt den Adel, der mit dem Entstehen eines
so kraftvollen Konkurrenten kaum rechnen konnte,
zunächst in die Defensive. Einer Zeit des freilich kei-
neswegs friedlichen Gleichgewichts, in der sich der
Adel, vom Bürgertum lernend, neu organisiert, folgt
dann im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit ein er-
neutes Zurückdrängen bürgerlicher Macht, das im

Absolutismus seinen Höhepunkt findet.

Im Zuge dieser letzten Entwicklung wird Spandau seit
dem 16. Jahrhundert zur landesfürstlichen Festung
ausgebaut, ohne bis ins 19. Jahrhundert den Umfang
und die Form seiner Besiedlung grundlegend zu ver-
ändern, worin die wirtschaftliche Stagnation seit der
Zurückdrängung bürgerlicher Selbstverwaltung klar
zum Ausdruck kommt. Erst die in diesem Falle an mili-
tärische Funktionen anknüpfende Industrialisierung
des 19. und 20. Jahrhunderts hat in der Folge der
endgültigen bürgerlichen Machtübernahme nicht nur
die besiedelte Fläche der Stadt um ein Vielfaches ver-
mehrt, sondern auch schwerste Störungen in ihrer for-
malen Struktur verursacht, die dazu geführt haben,
daß die hier analysierten grundlegenden Prozesse des
12. bis 14. Jahrhunderts sich an Ort und Stelle über-
wiegend nicht mehr nachvollziehen lassen. In der z. Z.
(1979) anlaufenden Sanierung der Spandauer Alt-
stadt könnte — ein tiefer reflektiertes Geschichtsver-
ständnis vorausgesetzt — eine Möglichkeit liegen, die
historischen Abläufe wieder wahrnehmbar und
fruchtbar zu machen und so ein über Fachkreise hin-
ausgehendes historisches Verständnis zu fördern.

30
 
Annotationen