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Blinkenberg, Christian
Archaeologische Studien — Kopenhagen: Gyldendal [u.a.], 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.52553#0139
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120

Ob die Fingerhaltung der Sabazioshand aus dem soeben
erwähnten Gestus abgeleitet ist, lässt sich vorläufig kaum
mit Sicherheit ermitteln. Eine Voraussetzung dafür wäre
jedenfalls, dass der Gestus, der nach den angeführten Bei-
spielen recht alt ist, nicht allein in Griechenland und Italien,
sondern auch in Kleinasien seit Alters her einheimisch wäre.
Denn wie schon oben an einem Beispiel ausgeführt wurde,
macht sich in den äusseren Erscheinungen des phrygischen
Kultes ein stark konservativer Zug geltend: mit dem übrigen
Ceremoniell stammt dann gewiss der bedeutungsvolle Gestus aus
der Heimat des Sabazioskultes; dafür sprechen auch gewisse
Figurendarstellungen, deren Prüfung jedoch einer späteren
Untersuchung vorbehalten bleiben muss. Die Frage über den
Ursprung der sakralen Fingerhaltung könnte also nur mit
einiger Sicherheit beantwortet werden, wenn wir über das
altphrygische Leben und die Sitten durch figürliche Darstellun-
gen oder litterarische Nachrichten recht gut unterrichtet wä-
ren, was ja nicht der Fall ist. Es ist nur die allgemeine
Möglichkeit zuzugeben, dass der Gestus im Sabazioskult sich
aus dem erwähnten profanen Gestus specialisirt haben kann.
Bestimmter können wir über die Analogie des christli-
chen Ritus urteilen, die schon von den Schriftstellern des
17. Jahrhunderts empfunden wurde. In der älteren katho-
lischen Kirche wurden vom Priester die drei Finger erhoben
beim Aussprechen des Segens am Schluss der Messe; es ist
die sogenannte benedictio Latina, während bei der benedictio
Graeca der Ringfinger eingeschlagen und vom Daumen ge-
kreuzt oder berührt wird, die anderen drei Finger dagegen
erhoben sind (s. die Abbildung der beiden Gestus bei Fr. X.
Kraus, Geschichte der christlichen Kunst I (1896) S. 118).
Ferner wurden in der altchristlichen Kunst die göttlichen
Personen, besonders der Erlöser, in ähnlicher Weise segnend
dargestellt. So findet sich schon in sehr alten Elfenbein-
schnitzereien der unbärtige Christus abgebildet. Eine schöne
Pyxis in Berlin aus dem 5. oder vielleicht dem 4. Jahrhun-
dert, auf welcher Christus (benedictio Latina) unter den
 
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