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Die Protorenaissance.

herrscht die italienische Plastik ein volles Jahrhundert; offenbar
weil Niccolo's Nachahmung der Antike ohne tieferes Natur-
studium eine äufserliche blieb und einer tieferen Auffassung,
wie sie die christlichen Stoffe verlangten, entbehrte.

Unter den Schülern und Mitarbeitern des Niccolo sind uns
zwei in eigenen Werken bezeugt, welche ohne höhere Eigenart
die Pfade ihres Meisters wandern, Fra Guglielmo und Arnolfo
di Cambio; beide namentlich dadurch von Bedeutung, dafs sie
die Kunstweise ihres Lehrers über Italien verbreiteten. Der Do-
minikaner Fra Guglielmo d'Agnolo aus Pisa (um 1238 bis
nach 1313) war Niccolo's Mitarbeiter an der Area des hl. Domenico
in Bologna gewesen, an deren Reliefs ihm aufser der Ausführung
vielleicht sogar die Erfindung mit gebührt. Nach der Verwandt-
schaft dieser Arbeiten mit den Reliefs an der von einem Meister
Guglielmo ausgeführten Kanzel in S. Giovanni fuoreivitas in
Pistoja hat man diese mit Recht ebenfalls als ein Werk des Do-
minikaners Fra Guglielmo in Anspruch genommen. Einfacher
und dadurch klarer in der Komposition wie Niccolo, zeigt er in
seinen Gestalten den ähnlichen klassischen Zug in den Typen, in
der Gewandung und Bewegung; freilich kaum aus direktem Stu-
dium der Antike, sondern nach den Vorbildern seines Lehrers.
Wenn er diesen in der Eigenartigkeit wie in der Gröfse der Er-
scheinung lange nicht erreicht, so hat er doch eine feinere Em-
pfindung und namentlich eine gewisse Innigkeit im Ausdruck
vor ihm voraus, die sich gelegentlich (wie in der Beweinung
Christi) selbst auf die Bewegung und ganze Komposition aus-
dehnt.

Der Florentiner Arnolfo di Cambio (1232 bis 1315),
Niccolo's Gehülfe an der Kanzel in Siena wie am Brunnen zu
Perugia und, wie Guglielmo, in seiner späteren Zeit namentlich
als Architekt hervorragend thätig, steht in den beiden von ihm
bekannten plastischen Monumenten gleichfalls ganz unter des
Meisters Einflufs, ist aber noch weniger selbständig als Fra
Guglielmo. Die Statuetten und kleinen Reliefs am Grabmal des
Kardinals de Braye (f 1280) in S. Domenico zu Orvieto sowie an
dem gemeinsam mit einem Künstler Paulus ausgeführten Taber-
nakel in S. Paolo fuori le mura in Rom sind gut in den Ver-
hältnissen, einfach und ernst in Ausdruck und Haltung, in der
Gewandung sogar geschmackvoller und naturwahrer als bei
Niccolo, aber sie erscheinen unbedeutend und werden durch den
architektonischen Aufbau unterdrückt. Sowohl in jenem Taber-
nakel wie namentlich in dem Grabmal hat Arnolfo, soweit bisher
bekannt, das Vorbild für den Aufbau ähnlicher Monumente ge-
geben, welches für die plastische Entwickelung im Trecento,
namentlich in Siena, verhängnisvoll wurde.
 
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