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Die Frührenaissance

Das Quattrocento, um 1400 bis 1500;.

Die Kunst der »Renaissance«, die Wiedergeburt der antiken,
der_ klassischen Kunst — wie schon die Künstler des XV. Jahrh.
mit Bewufstsein und Stolz ihre Kunst bezeichneten — zeigt
sich auf keinem anderen Gebiete in so scharfem Gegensatze
gegen die vorausgehende Zeit wie in der Plastik. Die Rück-
kehr zu den antiken Formen in der Dekoration hat sie mit
der Architektur gemein; wie diese betrachtet sie die Antike,
die Uberreste der römischen Kunst, als ihre unübertroffene
Lehrmeisterin, entlehnt sie derselben zahlreiche Motive und
Gestalten. Aber während die Architektur des Quattrocento in
ihren Grundformen, in den Verhältnissen und technischen Hilfs-
mitteln auf den grofsen Errungenschaften des Trecento nur
weiterbaut, setzt die gleichzeitige Plastik an die Stelle der male-
rischen Anordnung von stillos gehäuften Freifiguren ohne natura-
listische Durchbildung als obersten Grundsatz die Wirklich-
keit: volle Naturwahrheit und schärfste Charakteristik im Motiv
wie in der Durchbildung der einzelnen Gestalt bis in die
kleinsten Einzelheiten. Die menschliche Figur in der vollen
Wirklichkeit ihrer Erscheinung: individuell in Kopf und Gestalt,
eigenartig in Haltung und Bewegung, wie in Tracht und Stoffen
bleibt das vornehmste Streben der Bildhauer durch das ganze
XV. Jahrh. Diese Aufgabe verfolgen sie mit einer Begeisterung
und Uberzeugung, mit einem Ernst und oft mit einer Ein-
seitigkeit, die vor Übertreibung nicht zurückschreckt; aber ein
glücklicher Takt, Naivetät und angeborener Schönheitssinn
bilden die natürlichen Schranken, in denen sich jenes Streben
trotz seiner Kraft und Einseitigkeit in einer so mannigfaltigen,
so eigentümlich reizvollen Weise entfalten konnte, wie inner-
halb der Plastik zu keiner anderen Zeit seit der Blüte der attischen
Kunst.

Das realistische Streben führte in erster Linie auf das
Studium des Nackten, welches das Trecento schon aus
kirchlichen Gründen und religiöser Scheu' vernachlässigt hatte.
Hier galt es die gröfsten Anstrengungen; nur langsam und
mühsam hat selbst der bahnbrechende Meister Donatello aus
 
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