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Die Frührenaissance.

selbst seine zahlreichen Puttendarstellungen an den Sockeln der
Statuen, an den Kapitellen und Einrahmungen, an den Rüstungen
seiner Krieger und an den Friesen seiner Kanzeln sind fast regel-
mäfsig nichts anderes, als mehr oder weniger freie Umbildungen
antiker Amorettendarstellungen auf Sarkophagen oder geschnitte-
nen Steinen. Selbst in den biblischen Motiven Donatello's läfst
sich die Benutzung verwandter antiker Darstellungen verfolgen;
so sehen wir in seinen verschiedenen grofsartigen Kompositionen
der Beweinung Christi bald die eine, bald die andere Figur den
antiken Sarkophagreliefs mit der Klage um den Tod der
Alceste oder ähnlichen Scenen frei entlehnt. Freilich ist es für
Donatello und für die ganze Richtung der Plastik des Quattro-
cento bezeichnend, wie Donatello auch diesen Nachbildungen
der Antike seinen Geist, seinen Stil aufprägt, so dafs sie als
eigenste Erfindungen des Künstlers zu gelten pflegen.

Der Ort der Bestimmung für die plastischen Kunst-
werke bleibt im Wesentlichen der gleiche wie in der voraus-
gegangenen Zeit: die Kirchen vereinigen, nach wie vor, als
Schmuck der Aufsenseite wie des Innern die grofse Mehrzahl
aller Skulpturen; vereinzelt kommt daneben, wie im Trecento,
der plastische Schmuck von Gemeindebauten und selbst von
Plätzen vor. Aber die Auftraggeber, die Gesinnung und Absicht
der Bestellung sind wesentlich andere geworden. Obgleich für
die Kirche bestimmt, sind diese Bildwerke doch keineswegs immer
im kirchlichen oder gar frommen Sinne gestiftet oder geschaffen;
die Auffassung ist vielmehr meist eine rein menschliche, auf treue
Wiedergabe der Wirklichkeit gerichtet. Der Kultus des Indivi-
duums, aus der Erkenntnis des eigenen Wertes und der all-
seitigen Ausbildung der Individualität hervorgegangen, hatte zur
demokratischen Umbildung der italienischen Gemeinwesen oder
zur Unterwerfung derselben unter Tyrannen geführt; er erhielt
einen charakteristischen Ausdruck in der schrankenlosen Ruhm-
sucht, welche in der Kunst, vor Allem in der Plastik, ein
hervorragendes Mittel zu seiner Bethätigung fand. Der Platz
für diese bildnerische Thätigkeit zur Verherrlichung der einzelnen
Persönlichkeit wurde aber nicht das Privathaus, nicht der Palast,
wie man erwarten sollte, auch nur in beschränktem Mafse die
städtischen Bauten, die öffentlichen Plätze und Strafsen: dieser
Platz war oder blieb recht eigentlich die Kirche. Denn in der
Umwälzung, welche die moderne Zeit heraufführte, hatte zwar
Selbstsucht und Selbstüberhebung den Glauben aufs tiefste er-
schüttert, aber die Kirche hatte ihre Stellung zu behaupten ge-
wufst. Die Wiedergeburt des ganzen Lebens hatte nicht zu einer
inneren Reform der kirchlichen Institutionen geführt, sondern
hatte dieselben mit in ihre Kreise gezogen: die Päpste und die
hohe Geistlichkeit wetteiferten in der monumentalen Bethätigung
ihres Ruhmes und beschäftigten zahlreiche Künstler zu ihrer
 
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