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Bodmer, Johann Jacob [Hrsg.]; Manesse, Rüdiger [Hrsg.]
Sammlung von Minnesingern aus dem schwaebischen Zeitpuncte: CXL Dichter Enthaltend (Band 1) — Zürich, 1758

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https://doi.org/10.11588/diglit.4110#0004

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iv j tORKEb'E ZU D'M SAMMLURG
Addison erzählet uns impsten Zusch'aüer , daß der LordDorset, der
einen großen Geist mit dem hesten Herzen vereinigte , eia scharfdenkender Criti-
cus' und ein sehr guter Poet, eine reiche Sammlung von Englischen alten Lie-
dern besesseti , und sich.mit L,eiung derselbeu . ein. beibnderes Vergnügen gema-
chet habe. Er sagt dasselbevon Dryden, und verschiedenen andern der geist-
reichsten Scribenten seiner Nation, die denselben Geschmack daran gehabt haben.
Wie vvyrde nicht eine so starke Sammlung , wie gegenwärtige ist, von so
hohem Alter, von Solchen edeln Verfasfern, von so naifem Inhalt, in, einer so
tychtigen Sprache , Dorser und Dryden und Addison entzükt haben!
Wir gedenken mit Vergnügen, dass diese Minnelieder auch in unserny
Deutschiand die Mamner von Dorsets , von Drydens , und Addisons Sinnesart in
eine angenehme Bestürzung gesezet haben. Der horazische Hagedorn war ganz
von ihnen eingenommen, und sehr empfindlich, dass die vielfältigen Bemühun-
sen , die er sich gab, ihnen Befcederer und Ganner zu sinden, beynahe verge-
ens gevvesen. Der anacreontische Gleim hat sich durch seine Uebersezung einiger
Strophen des von Trosberg sehr geschikt erkläret, wie viel Hochachtung er syr sie
hegete- Und wir sind im Zweifel, ob der vornehme Verfasser der Büke in das
Landleben , den Herren von Jß, von Hohenveh, von Nisen , von der Vogelvveide, oder
seiner eigenen edeln Gemythsart mehr Ehre gethan habe, da er CeinQ Ahnen in
ihrer Gesellschaft suchete.
Wir kcennten noch mehr schcene Geister unserer Tage nennen , welche
die Arbeit in die Sprache der Minnesinger einzudringen nicht scheuen, und was
fyr wenige Myhe dieses braucht, durch die hcessichen Sitten , die zärtlichen Em-
pfindungen, die ehreliebenden, menschenanstsendigen Gedanken, die naife Aus-
bildung, die sie darinnen finden, fyr reichlich belohnet halten. Es war'gewiß
eine Sprache, die ihre Verfassung hatte, und auf richtige Regeln gegryndet war;
und 'es laesst sich noch streiten, ob sie durch die Veränderung], die sie seit
dem sechszehnten Jahrhundert erlitten hat, an Reichthum, Klange, und andern
Geschiklichkeiten mehr gewonnen oder mehr verlohren habe. In den Stüken,
welche den Idiotisme, und also das Leben einer Sprache ausmachen )Nist die Ver-
änderung so merklich, dass es für die große und die artige Welt eine todte Spra-
che ist , wiewol die Sprachgelehrten in der iztlebenden deutschen Sprache, vor-
nehmlich in ihren Provinzialdialeclen, ferner in der franzcesischen und noch mehr
in der englischen Sprache, eine Menge besonderer.Ausdrüke und Wortfygungen
, entdecken, die von der alten Sprache ybrig geblieben find / es sind so viele leb-
hafte und starcke Zyge derselben, von welchen man auf die wolgebildete Gestalt
ihrer jugendlichen Munterkeit schliessen kann. Die Verwandlung, die sie gelit-
ten hat, mag ungefähr in dem Verhadtnisse slehen, wie der Raupe, die in einen
Schmetterling übergegangen ist; die scharfen Augen der Naturforscher entdeken
in dem Schmetterlinge noch immer Zyge und Gelenke der Raupe 5 und es ist
gan»
 
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