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Boeheim, Wendelin
Handbuch der Waffenkunde: das Waffenwesen in seiner historischen Entwicklung vom Beginn des Mittelalters bis zum Ende des 18. Jahrhunderts — Leipzig, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.13832#0013

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2

Einleitung.

Näher der Gesittung standen die transalpinen Gallier; durch
die Jahrhunderte währende Berührung mit den Römern hatten sie
vieles von deren Wesen sich angeeignet, manches angenommen, was
äufserliches Gehaben, Lebensart und die Art der Kriegführung be-
trifft, aber im innersten Kerne ihrer Natur waren sie doch eigen-
artig geblieben und fühlten ihre Verwandtschaft mit den barbarischen
Stämmen im Osten.

Zur Zeit des Beginnes der Völkerwanderung war auf dem
weiten Gebiete von der Wolga bis an den Ozean unter den
Hunderten von Stämmen der verschiedenartigsten nationalen Her-
kunft die Kultur keineswegs in jener Gleichmäfsigkeit verbreitet, wie
im weströmischen Gebiete am Ausgange seiner ruhmreichen Periode.
Im Gegenteil sind die bisherigen Anzeichen deutliche Zeugen dafür,
dafs damals die verschiedensten Kulturgrade vom rohesten Zustande
bis zu einem verhältnismäfsig wohlentwickelten in den zahlreichen
Völkerfamilien herrschend gewesen sind. Wenn wir die bisherige
Einteilung in eine Stein-, eine Bronze- und eine Eisenzeit in unserer
vorgeschichtlichen Periode, als unter Bedingungen richtig, hier zur
Grundlage nehmen wollen, so treffen wir doch alle diese zu gleicher
Zeit in den Gebieten Nordeuropas. Wir finden weite Gebiete, deren
Bewohner das Metall nicht kannten, ebenso wie solche, in denen
sich die darin Wohnenden des Erzes bedienten, das ihnen im Wege
des Handels zugekommen war; endlich treffen wir auf zahlreiche
Völkerschaften, welche das Eisen nicht nur kannten, sondern selbst
bereiteten und verarbeiteten. Sicher ist anzunehmen, dafs viele der
nach dem Süden ziehenden Völker auf ihrem Zuge durch die norischen
Alpen ihre Bewaffnung erst dort vervollständigten, dort das Eisen
erst anders betrachten lernten als der Arme das Gold.

Der gewaltige Gegensatz des Wesens der nun auf die Welt-
bühne tretenden Völker zu jenem der antiken Kultur angehörigen
macht sich in der Form der Waffen deutlich ersichtlich. Die An-
griffswaffen der Römer, der Byzantiner etc. bestanden in dem dünn-
schäftigen Spiefse der lancea, quiris, dem Wurfspiefse, hasta, pilum,
dem kurzen Schwerte für den Nahkampf, dem Dolche, dem Bogen
und, bei einigen Nationen, auch der Schleuder. Die Schutzwaffen
wurden allmählich leichter, der Harnisch dünner und bequemer, der
Helm kleiner. Zwei eigenartige Rüststücke erhielten die Römer der
Spätzeit aus dem Oriente, das Drahthemd und den handlichen
kleinen Rundschild. Diesen entgegen stand eine Unzahl von Be-
waffnungsarten bei den im Norden auftretenden Völkern, je nachdem
dieselben mehr oder minder vom Oriente her beeinflufst waren.
Aus dem bunten Durcheinander tritt uns aber mit verhältnismäfsiger
Deutlichkeit die nordische und germanische Bewaffnung entgegen,
die aus der kräftigen Natur jener Stämme und ihrer Fechtweise sich
ergab. Was auf die Waffenform bei barbarischen Völkern zunächst
 
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