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Boeheim, Wendelin
Handbuch der Waffenkunde: das Waffenwesen in seiner historischen Entwicklung vom Beginn des Mittelalters bis zum Ende des 18. Jahrhunderts — Leipzig, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.13832#0603

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592

V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.

Der Waffenschmied ist ein Eisenarbeiter, von seiner Fähigkeit,
•das harte Metall zu bearbeiten und zu formen, hängt die Güte der
Waffe ab. Schon in antiker Zeit war darin der Orientale, vor allem
der Inder, den westlichen Nationen weit überlegen und ist es ge-
blieben bis auf die Gegenwart; denn noch heute ist man mit dem
riesigsten Aufwände von Mitteln in Europa nicht im stände, eine Klinge
von der Güte einer indischen, persischen oder japanesischen herzustellen.

Von der Zubereitung des Eisens im Oriente in älterer Zeit ist
man nur ungenügend unterrichtet. In Europa war die Zubereitung
des Eisens lange Zeit äufserst primitiv. Das uralte Pochen in Mörsern
und das Sieben hatte sich vom Altertume her bis ins Mittelalter fort-
vererbt, und erst 1519 wurde zu Joachimsthal im Erzgebirge das
erste nasse Pochwerk angelegt. In der Frühzeit des Mittelalters bot
dem Waffenschmiede die Fertigung der Schwertklinge die gröfsten
Schwierigkeiten, daher man guten Schwertern schwärmerische Ver-
ehrung widmete und ihnen nicht selten auch wunderbare Kräfte bei-
mafs. Der alte Haubert, die Brünne und auch der spätere Lentner
wurde nur aus kleinen Eisenstückchen und geschmiedetem Draht ge-
bildet, die Schilde aus mehreren Blechstücken zusammengesetzt, die
untereinander vernietet waren; selbst der Helm bestand aus mehreren
verschweifsten Stücken, aber eine Klinge, zumal von gröfserer Länge,
zu fertigen, das gehörte bei den hohen Ansprüchen an die Leistungs-
fähigkeit zu den schwierigsten Aufgaben, und daraus erklärt sich,
dafs die ersten Waffenschmiede ihr Verfahren mit dem Schleier tiefsten
Geheimnisses zu umgeben trachteten. In grofsen Mengen sendeten
die sarazenischen Werkstätten Siziliens, die maurischen Spaniens vom
9. Jahrhundert an ihre unübertrefflichen Klingen nach Europa. Später,
im 1 I.Jahrhundert entwickelte sich eine namhafte Einfuhr aus Damaskus
über Byzanz nach Venedig, ebenso aus Indien nach Genua.

Eine aufserordentliche Geschicklichkeit und ungemeine Vorsicht
und Geduld erforderte das Schmieden einer Schwertklinge, das Ver-
sen weifsen des eigentlichen Kerns aus weichem Eisen mit den äufseren
Partien an den Schneiden aus feinstem Stahl. Diese schwierige, nur
mit dem Handhammer ausgeübte Technik war aus dem Oriente ge-
kommen.

Die Keltiberer und viele andere Gebirgsvölker fertigten ihre
Klingen, indem sie Eisenplatten in feuchte Erde vergruben und sie
so lange darin liegen liefsen, bis der Rost die schwächeren, schlech-
teren Teile ausgefressen hatte. Aus den festesten, übriggebliebenen
Teilen schmiedeten sie dann ihre Schwerter, die zu den vortrefflichsten
gehörten. Das Verfahren ist nicht unglaubwürdig, denn wir wissen,
dafs der Rost weit weniger den Stahl als das Eisen ergreift; je un-
reiner dieses ist, desto eher wird es verzehrt, so dafs die besten
Partien übrigbleiben. Die Japaner beobachteten ein ganz ähnliches
Verfahren.
 
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