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Brugsch, Heinrich
Reise nach der grossen Oase El Khargeh in der libyschen Wüste: Beschreibung ihrer Denkmäler — Leipzig, 1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.3991#0009
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benachbarten Dorfe Qauwäme, mit welchem die Oasen-Bewohner in steter Handelsverbindung
stehen, später an Ort und Stelle abgeholt werden sollte.

Am 23. Januar, acht Uhr Morgens, stand die ganze Karawane längs des Flussufers reise-
fertig da. So viel als möglich war vermieden worden überflüssiges Gepäck mit auf den Weg
zu nehmen. Der Begriff des Entbehrlichen erstreckte sich bis auf Betten, Tische und Stühle,
welche als reine Luxusgegenstände auf dem Schiffe zurückgelassen wurden. Dagegen fehlte
es nicht an der hinreichenden Zahl der unentbehrlichen mit Nilwasser gefüllten Wasserschläuche
aus Ziegenfell, da wir erst nach fünftägigem Ritt uns des Oasenswassers erfreuen durften. Als
Unterlage auf dem harten hölzernen Kameelsattel dienten die Bettmatrazen, die somit bei Tage
und bei Nacht unsere unzertrennlichen Begleiter blieben.

Der Augenblick des Aufbruchs war gekommen, wir bestiegen die hohen Kameele, ein
Jeder suchte sich den unbequemen Sitz so viel als möglich zurechtzurücken. Begleitet von
den Salamäts der Umstehenden zogen wir mit froher Lust der Wüste und ihren Schrecken
entgegen. Die lange Karawane bot einen stattlichen Anblick dar. Ausser dem Erbgrossherzog
von Oldenburg und meiner Wenigkeit nahmen als Europäer daran Theil, die Herren
v. Philipsborn, Hauptmann im K. Generalstabe, Graf v. Bismark-Bohlen, Leutnant im
Kürassier-ßegiment-Königin, Dr. Schröder, Oberlehrer aus Berlin, und ein wackerer Diener
und Jäger des Prinzen. In langer Reihe folgten sich die Beiter, einer hinter dem andern,
daran schlössen sich die bepackten Thiere, auf deren hohen belasteten Rücken hier und da ein
Beduine sich seinen ebenso unbequemen als gefährlichen Sitz zurechtgebaut hatte. Die
„Brüder" jüngeren Alters liefen neben den Thieren einher, mit einander schwätzend und
lachend, wie es die Art der ebenso heiteren als auspruchlosen Söhne der Wüste ist.

Auf schmalem Pfade, meist neben den Rinnsalen der bebauten Felder, führte der Weg
zunächst durch blühende Saaten der steilen Gebirgshöhe entgegen, welche im Westen von
Sohag den Steilabfall des Wüsten-Plateau's nach dem Nilthale zu bildet. Dicht unter dem
Kamme des Bergzuges zeigte sich, wie eine Schnur dunkler Perlen nebeneinander liegend, eine
lange Reihe schwärzlich schimmernder Oeffnungen, welche mir von weitem wie die Thür-
eingänge alter verlassener Grabstätten erschienen. Fellahin, Landbewohner, am Feldwege,
die ich darüber fragte, sprachen etwas von maktub ahmar d. i. „rother Schrift" im Innern
der Felskammern, was vielleicht auf das Vorhandensein christlich-koptischer Graffitti an den
Wänden schliessen lässt. Nachdem die Kameele rechts und links vom Wege den letzten Im-
biss grünen Futters, Bohnenkraut und Getreidehalme, zur grossen Plage des reitenden Europäers
zu sich genommen hatten, ging die Weiterreise den Rand der Wüste entlang, wenigstens
deutete der vorgeschobene gelbe Sand darauf hin. Bei Qauwäme, — diesen Namen führt
ein aus ärmlichen Hütten und Gebäuden bestehende Ansiedlung, die wie es scheint auf älteren
Schutthügeln (Kumj angelegt ist, — nimmt die eigentliche Wüsteustrasse in der Richtung
Süd-West ihren Anfang. Eine lange Reihe trabender und springender Esel, welche aus diesen
Gegenden den weiten Weg nach Kairo zu Markte getrieben wurden, bildete eine der ergötz-
lichsten Episoden bei unserem Abschiede vom Nilthale und der Welt des Lebens.

Der oben bereits erwähnte Führer durch die Wüste nach der grossen Oase harrte bereits
bei Qauwäme mit ungewöhnlicher Pünktlichkeit unserer Ankunft. In seinen Händen, oder viel-
mehr in seineu Füssen und Augen, lag das Schicksal unserer Karawane, denn unsere Beduinen
hatten als Bewohner der jenseitigen Wüste zwischen dem Nile und dem rothen Meere niemals
das vor uns liegende Stück der libyschen Sahara betreten und waren daher mit Weg und
Richtung vollständig unbekannt. Am allerwenigsten würde es ihnen und uns gelungen sein,
gleichsam das Thor der Schlucht oder des offenen Seitenthaies ausfindig zu machen, welches

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