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Brugsch, Heinrich
Reise nach der grossen Oase El Khargeh in der libyschen Wüste: Beschreibung ihrer Denkmäler — Leipzig, 1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.3991#0010
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iu manchen Windungen und durch manche Thalspalte in das felsenreiche Gebiet der libyschen
Wüste führt, denn die Wüste ist das, als was sie bereits die Inschriften der altägyptischen
Denkmäler und die neuägyptische Sprache der Araber bezeichnet, ein Gebirgsland (hierogl. tu,
arab. gebel) im eigentlichen Sinne des Wortes. Die gewöhnliche Vorstellung einer ungeheuren,
mit Sand und Steinen bedeckten Ebene, über welche sich der blaue Himmel wie eine Glas-
glocke ausspannt, ist irrig, da sie durch die Thatsache des Gegentheils in der gründlichsten
Weise wiederlegt wird.

II.

Die libysche Wüste zwischen dem Mle und der grossen Oase.

Entsprechend der Natur einer Gebirgslandschaft ist die libysche Wüste ein ohne Führer
unpassirbares Gebiet. Das Wandern in derselben ist ein nie endendes Auf- und Absteigen
von Hügelzug zu Hügelzug und ein fortdauerndes Durchschreiten von Pässen und Berg-
schluchten, deren höchste Erhebung über dem Nilbette mehr als 700 Fuss misst. Ist einmal die
eigentliche einzuschlagende Strasse bestimmt, so wird ihre Pachtung in der Folge durch die
bekannten parallel neben einander laufenden Wegfurchen oder, wo der Flugsand die Spuren
zu verwehen pflegt, durch aufgehäufte Stein-Pyramiden oder durch regelmässig nebeneinander
gelegte Wüstensteine angedeutet. Selbst die gebleichten, weithin leuchtenden Knochen und
Gerippe gefallener Kameele gelten einem gleichen Zwecke und der Tod wird hier dem Leben
dienstbar. Im Grossen und Ganzen war und blieb S.S.W, die Hauptrichtung unserer Strasse.
Die Streichungsrichtung der Höhenzüge folgte im Allgemeinen dem Laufe des Nilstromes von
Süd nach Nord. Die dazwischen liegenden Thäler und Schluchten boten imwillkührlich das
Bild ehemaliger Flussbetten dar. Erst nach zurückgelegtem halben Wege zeigten sich auf den
Hochflächen, isolirt oder in engerem Zusammenhange miteinander stehend wie durch eingebaute
Mauerwände, eine nicht geringe Menge kegelförmig oder pyramidal gestalteter Berggruppen,
deren äussere Formation auf mechanische Wirkungen schliessen lässt, die der Geologe den zer-
störenden Einflüssen eines gewaltigen Oceanes zuschreibt, dessen Fluthen das Gestein auflösten
und wegführten. Treffend bemerkt Prof. Karl Zittel in seinen „Briefen aus der libyschen
Wüste" (München, 1875 S. 49) in Bezug auf die Entstehung dieser „Inselberge", es bleibe
nur die Annahme übrig, „dass die libysche Wrüste, ehe sie ihr heutiges Aussehen erhielt,
einstens vom Meere bedeckt war, und dass die Wellen eines grossen Oceanes alle die
flachen, muldenförmigen Vertiefungen und Wadis mit ihren sanft abgerundeten Bändern her-
vorgerufen, die Massen von Sand und Kieseln herbeigeschwemmt und den Untergrund bis auf
die inselartig zurückgebliebenen Zeugen ausgewaschen haben". Der Gedanke auf dem ehe-
maligen Meeresgrunde einherzuwandern, über welchen vor hunderttausende]! von Jahren die
Wasser eines ungeheuren diluvialen Sahara-Oceaues dahinflutheten, hat thatsächlich etwas er-
schreckendes Und beängstigendes inmitten dieser gewaltigen Oede und Leere, welche wir gegen-
wärtig mit dem Namen der Wüste bezeichnen.

Tröstlicher, weil uns begreifbar und fasslich, ist die Vorstellung vom verwitterten Gestein;
denn wie der Verwesung und Auflösung anheimgefallene thierische und vegetabilische Ueber-
reste, in grossen Massen aufgehäuft, ein trauriges Bild der Vergänglichkeit in der Seele des
Beschauers hervorrufen, so wirkt in ähnlicher, weil scheinbar verwandter Weise der Anblick
der Wüste auf die geistige Betrachtung. Unter dem stetig wirkenden Einfluss der wechselnden
Temperatur des Tages und der Nacht, im extremen Gegensatz der 'brennend heissen Sonne und
 
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