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Brugsch, Heinrich
Reise nach der grossen Oase El Khargeh in der libyschen Wüste: Beschreibung ihrer Denkmäler — Leipzig, 1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.3991#0018
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kranker Eingeborener, welche von unserer fränkischen Bildung die sofortige Heilung ihrer
Leiden beanspruchten.

Von El-Khargeh aus begannen unsere Ausflüge nach den verschiedensten Richtungen hin.
Selbstverständig müssen wir unsere Beschreibung mit dem Orte selber beginnen, obschon wir
offen bekennen, nur nach den Mittheilungen und Eindrücken während eines verhältnissmässigen
sehr kurzen Aufenthaltes die nachstehenden Angaben dem Leser vorlegen zu können.

Der gleichnamige Hauptort der grossen Oase besteht aus einer Anlage von Häusern und
Gärten, in welchen etwa 3000 Seelen zusammen wohnen. Die einzelnen Gehöfte sind durch
Erdmauern von einander abgeschlossen, die eine Höhe von acht bis zehn Fuss haben und am
oberen Bande mit einer Reihe neben einander stehender Palmen- und Dornbüsche besteckt
sind, um für Thier und Mensch das Eindringen von aussen her zu erschweren. Ein plumpes,
terrassenförmig ansteigendes Minaret aus gebrannten Backsteinen mit weisser Tünche darauf
bildet den höchsten und monumentalsten Bau des Ortes. Die Zugänge zur Stadt und zu den
einzelnen Vierteln derselben werden durch niedrige breite Oeffnungen vermittelt, hinter
welchen sich nach allen Richtungen hin gewundene, hier und da von Rinnsalen eingefasste
Strassen öffnen. Hohe Mauern aus getrockneten Lehmziegeln aufgeführt fassen die beiden
Strassenseiten ein, ohne Aussicht auf eine bauliche Anlage. Hier und da zeigt sich der Eingang
zu einer dunklen, wenig hohen, von oben bedeckten Sackgasse, von welcher aus drei oder vier
Thüröffnungen in das Innere der Häuser führen. Einen wahren Schmuck und einen über-
raschenden dem Auge ungemein wohlthuenden Anblick in dieser düstern Umgebung grau-
leuchtender Gassen gewähren die balsamisch duftenden, saftiggrüuen Baumkronen, welche in
wechselnder Folge über die Mauern hinwegragen und mich unwillkührlich an die persischen
Fruchtgärten von Schimrän am Fusse des El-Burs in der Nähe der persischen Hauptstadt
Teheran erinnerten. Der Sont-Baum mit seinen zarten Blättern und gelben, fein duftenden
Blüthenkugeln, die Dattelpalme, an welcher sich der Weinstock emporrankt, mit Früchten
beladene Citronenbäume, der Orangenbaum mit seiner reichen Last goldgelb schimmernder
Früchte berauschen die Sinne durch die Pracht ihrer Farben und den Duft ihrer Blüthen und
Früchte und lassen uns für ein Paar Augenblicke vergessen, dass wir uns auf einer Sand-Insel
mitten in der trostlosen libyschen Wüste befinden. Von den Früchten, die uns zum Verkauf
angeboten wurden, waren es vor allen die Orangen, welche durch ihren Wohlgeschmack und
ihren zuckersüssen Saft den Eindruck unvergleichlicher Naturproducte hervorriefen. Bazare
und Kaufläden, wie sie sonst in den orientalischen Städten an der Tagesordnung sind, scheint
der Ort El-Khargeh nicht zu kennen. Verkauf und Kauf geht von Hand zu Hand. Der
Mangel klopft desshalb häufig genug an die Thür. Der Gouverneur Mohammed Effendi
hilft von Zeit zu Zeit dem lebhaft empfundeneu Bedürfniss nach besserer Verpflegung ab, indem er
zum Einkauf von Lebensmitteln und besonders von Tabak den weiten Abstecher durch die Wüste
nach Ossiut unternimmt, um in den reichen Bazaren der ägyptischen Handelsstadt was ihm
nothwendig scheint, zu erhandeln. Durchgehende Karawanen gewähren selten die Gelegenheit
zur Erwerbung von Lebensmitteln, denn sie brauchen selbst was den Oasiten als begehrungs-
werth erscheint. Wie bereits oben bemerkt umgiebt eine lange Mauer aus schlechten Back-
steiuziegeln die Stadt, wenigstens den grösseren Theil derselben. Nach der Mittagsseite zu
hat sich der gelbe Flugsand von aussen her bis zur vollen Höhe der Mauer aufgetliürmt, so
dass der Fuss wand erer ähnlich wie in Rosette, bequem über die Mauer hinweg in den Ort
hinabsteigen kann.

Die Vegetation ist äusserst spärlich in der grossen Oase, vielleicht aus Mangel nöthiger
Pflege und Kenntniss Seitens der Einwohner selber. Die Dattelpalme, die Dompalme, der
 
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