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Brugsch, Heinrich
Reise nach der grossen Oase El Khargeh in der libyschen Wüste: Beschreibung ihrer Denkmäler — Leipzig, 1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.3991#0019
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Citronen- und Orangenbaum, der Feigenbaum, die Sont-Akazie und die Weinrebe bilden fast
die einzigen Vertreter der Baum weit. Weizen, Gerste, Reis werden von den Eingeborenen als
die nothwendigsten Nahrungsmittel angebaut, wie für das Vieh der ägyptische Klee. Der nur
geringe Anbau des Baumwollenstrauches und der Indigopflanze dienen zu gewerblichen Zwecken.
Haifa-Gras, dorniges Kraut und strauchartige Asklepiadeen, in deren mattgrünen Blättern sich
die todte Farbe des Wüstenbodens wiederspiegelt, wachsen freiwillig selbst an den sandigsten
Stellen der Oase, ziehen jedoch höchstens ein Kameel zu längerem Verweilen an. Die viel-
gerühmte Frucht des Dattelbaumes bildet für die Bewohner der Oase eine der bauptsäcblichsten
Einnahmequellen, wie andererseits für die ägyptische Regierung eine nicht unbeträchtliche Steuer-
quote. Nach den Angaben Mohammed Effendi's, dessen Hauptbeschäftigung in der Ein-
treibung der fälligen Steuer besteht, zahlt die grosse Oase jährlich die Summe von 30,01)0 Mark
an den Steuersäckel in Kairo. Das nöthige Bauholz liefert die Dattel- und die Dompalme,
seltener die Sont-Akazie.

Wie mit der Pflanzenwelt so ist es auch mit der Thierwelt in der grossen Oase ärmlich
genug bestellt, obgleich die im Nilthale angetroffenen Hausthiere nicht fehlen. Eine kleine,
aber sehr gut genährt aussehende Rindvieh-Art überrascht durch ihr gehäbiges Aussehn. Als
Reit- und Lastthier dient ein magerer und struppig aussehender Esel, dem ein hartes dem
Kameelsattel nachgebildetes Holzgestell auf dem Rücken zu liegen pflegt. Zaumzeug aus
Leder scheint ein Luxus-Artikel zu sein; ein einfacher Strick um den Hals des Thieres
gewunden ersetzt die Stelle der Halfter und ein Stock die des Zügels. Die Hyäne (dhab'J, der
Luchs (dib) und eine kleine Art libyschen Fuchses (tuleb), hier zu Laude fenneh genannt,
zuerst durch Dr. Schweinfurth's Bemühungen in die zoologischen Gärten Europa's über-
geführt, hausen in der Oase. Mit heiserem Gebell und Geheul pflegen sie des Nachts zu den
Quellen von El-Khargeh niederzusteigen, um ihren Durst zu löschen oder weggeworfenes
Aas zu verzehren. Von Gazellen und Antilopen sahen wir keine Spur, obwohl sich ihr Revier
auch auf das Gebiet der Oasen erstrecken soll.

Der Segen und die ganze Existenz der Oasen beruht auf den Quellen, welche mitten in
der wasserleeren Wüste aus der Tiefe des Bodens emporsprudeln und die ganze Umgebung in
ihrer Nähe in ein grünes Pflanzenkleid hüllen. Die grosse Oase von El-Khargeh besitzt
deren gegen einhuudertundfünfzig. „Die älteren Quellen, bemerkt Prof. Zittel darüber, kommen
entweder freiwillig aus Spalten des dichten Kreidemergels hervor, oder sie wurden schon in
einer Zeit gegraben, welche der Tradition der Oasenbewohner entrückt ist". Die Zahl dieser
Quellen kann durch Bohrungen, wie sie in neuerer Zeit thatsächlich ausgeführt worden sind
und noch immer ausgeführt werden, in jeder beliebigen Zahl vermehrt werden. Die Thermal-
quellen, von ausserordentlich starkem Eisengehalt, haben eine Temperatur von 30° bis 36° C.
Wärme. Durch Rinnsale wird das Wasser der einzelnen Quellen über den Boden in der-
nächsten Umgebung geleitet. Das Trinkwasser für die Stadt selber und für die Gärten neben
den Häusern liefern mehrere Brunnen im Innern des Ortes. Wo sich dichte Gruppen von
Palmen und Gebüschen vorfinden, kann man sicher sein im Dickicht sprudelndes Wasser an-
zutreffen. Der umhegte Palmenwald, in dichter Nähe des grossen Tempels von Hibe, in
südlicher Richtung, lässt eine Quelle erkennen, deren Wasser besonders reichhaltig fliesst.
Aeltere oder verlassene Quelllöcher, wie in der Nachbarschaft des Scherbenhügels bei der Nekro-
polis, gewähren das Bild eines grossen mit Schilf bewachsenen Sumpfes. Wären die Thermen
der Oasen in irgend einer Gegend Europa's gelegen, so würden sie unbedingt ihrer Heilkräfte
wegen den vielbesuchten Anziehungspunkt tausender von kranken Kurgästen bilden. So hat
aber auch die Natur ihre Güter scheinbar oft ungerecht vertheilt.
 
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