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Brugsch, Heinrich
Reise nach der grossen Oase El Khargeh in der libyschen Wüste: Beschreibung ihrer Denkmäler — Leipzig, 1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.3991#0020
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Wir schliessen dieses Kapitel mit einer kurzen Beschreibung des Menschen, welchen das
Schicksal angewiesen hat fern von dem Getriebe der grossen Welt, inmitten der libyschen
Wüste, sein Dasein auf diesen nichts weniger als lieblichen Sand-Eilanden zu verleben. Die
Oasiten, so viel ich derer zu sehen Gelegenheit fand und welche allen Lebensaltern angehörten,
erschienen mir als ein wohlgebauter Menschenschlag von mittlerer Grösse, mit breiter Brust
und von starkem Knochenbau. Ihr Gesicht ist mehr rund als oval, Mund und Nase sehr wohl
proportionirt, die Augen sind gross und lebhaft, die Haut voll und glatt, bisweilen von einer
eigenthümlichen gelblichen Blässe angehaucht, und ein angenehmer Zug freundlicher Milde
und Sanftmuth lagert sich auf ihrem Antlitz. Haupt- und Barthaar ist schwarz, weich und
ziemlich üppig. Die greisen Männer nähern sich ungemein unseren europäischen Typen,
abgesehen von der dunklen Farbe, welche die Bewohner der Oase auszuzeichnen pflegt. Soll
man den Aussagen der Eingeborenen, welche sämmtlich arabisch sprechen und zwar den
ägyptischen Dialekt, Glauben schenken, so stammen sie von ägyptischen Fellahin oder Land-
bewohnern aus den Rif d. h. Hafenplätzen Aegyptens ab, die im Laufe der Zeiten nach den
Oasen übergesiedelt wären. Dass sie Bekenner und Anhänger des Islam, übrigens sehr laue,
sind, kann ihrer eigenen Ueberlieferung in keiner Weise als Stützpunkt dienen, da bekanntlich
die Mehrzahl der ägyptischen Christen im Laufe der Jahrhunderte zum Islam übergetreten ist.
Steht auch vom geschichtlichen Standpunkte aus ihrer ägyptischen Abstammung nichts im
Wege, da bereits im hohen Alterthume die Oasen als beliebte Verbannungsorte einheimischer
Aegypter dienten, so ist es dennoch wohl gethan die Bewohner der Oasen als ein Mischvolk
zu betrachten, in dessen Adern libysches, äthiopisches und phönizisches Blut fiiesst, wie ich es
weiter unten durch inschriftlich beglaubigte Ueberlieferungen nachweisen werde. Zu gleicher
Zeit dienten die Oasen im Alterthum als grosse Handels- und Kriegsstrasse, auf welcher
libysche Völkerstämme von den Küsten des Mittelmeeres nach dem Süden, und nubische
Stämme, die Vorfahren der heutigen Barähra, von den Nilufern der äthiopischen Landschaften
nach Norden zu ziehen pflegten. Diese Wanderungen, von denen uns die ägyptische Geschichte
mehr als ein Beispiel überliefert hat, und deren Thatsache um so sicherer fest steht, als noch
heutigen Tages die Sprache der Bewohner der Oase von Siuah (die berühmte Jupiter Ammon's
Oase des klassischen Alterthums) ein Gemisch von Arabisch und der Sprache der Baräbra
ist, wie zuerst General v. Minutoli auf seiner Reise nach der Oase des Jupiter Amnion nach-
gewiesen hat, ich sage diese Wanderungen sind so authentisch und so begründet, dass es un-
möglich ist anzunehmen, dass nicht Niederschläge der libyschen Rasse einerseits und der nubischen
Völkerstämme andererseits in der grossen Oase zurückgeblieben wären und sich mit der bestehen-
den Masse der Oasiten vermischt hätten. Im Uebrigen eine autochthone Bevölkerung in diesen
Wüsten-Inseln vorauszusetzen, wäre gegen allen gesunden Menschenverstand, da die Natur in
diesen Einöden von selber Nichts bietet was zu Ansiedlungen reizen könnte und erst des
Menschen Hand die Vorbedingungen seiner Existenz auf dem wüsten Boden zu schaffen hatte.

Die Gesammtbevölkerung der grossen Oase von El-Khargeh beläuft sich nach den An-
gaben meines offiziellen Gewährsmannes Mohammed Effendi auf ungefähr 60ö0 Seelen, die
über vier Hauptorte hin zerstreut sind und denen der Ertrag von 65,000 fruchttragenden
Dattelbäumen die Hauptquelle ihrer Einnahmen bildet. Dass neben der Eigenschaft als
Steuerzahler den Oasiten auch die Verpflichtung der Stellung zum Militärdienst auferlegt ist,
bewies uns eine Zahl von etwa zwanzig jungen Burschen, welche für die nächste Aushebung
in die Militärrolle eingetragen waren und gleichzeitig mit unserem Abzüge aus der Oase ent-
wischten, um an den Ufern des Niles ihren libysch-oasitischen Ursprung zu verdunkeln.
 
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