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Brugsch, Heinrich
Reise nach der grossen Oase El Khargeh in der libyschen Wüste: Beschreibung ihrer Denkmäler — Leipzig, 1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.3991#0025
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Der Name des Tempels oder vielmehr der Oertlichkeit, dessen Cultusmittelpunkt er bildete,
wird unzählige Male in den Texten genannt. Er lautete lieb oder Ilib. Das den Laut-
zeichen folgende Deutbild eines Pfluges weist auf den ägyptischen Stamm heb, hob hin, dessen
feststehende Bedeutung als „Pflug, Pflugschaar" durch die entsprechende koptische Nachfolge
Jiebi, aratrwn, schliesslich bestätigt wird. Der Ortsname, über dessen ägyptischen Ursprung so-
mit kein Zweifel bestehen dürfte, hatte die Bedeutung von „Pflug-Stadt-', ohne dass wir
im Stande wären die historische Begründung dieser Bezeichnung nachzuweisen. Bereits noch in
den christlichen Zeiten der Geschichte des Landes bestand die alte Benennung, denn die
Notitia dignitatum, wie Lepsius nachgewiesen hat (s. ägyptische Zeitschrift 1874 S. 80), er-
wähnt eine militärische Besatzung als Ala prima Abasgorum Hibeos Oaseos Majoris. Der
geographische Zusammenhang zwischen dem alten Ortsnamen Ilib und der griechisch-römischen
Bezeichnung Ilibis liegt somit auf der Hand.

Als Haupt- und Localgott der Stadt und des Tempels nennen die Inschriften ohne Unter-
lass einen Amon, der sich bei näherer Prüfung als eine besondere Gestaltung des thebanischen
Amon-ra's erweist und durch den Beinamen User-yopes, Us-xopes „der Armstarke" von jenem
unterschieden wird. Er heisst: Amon-rü neb Ilib „Ämon-rä, der Herr der Stadt Hib", oder
auch kurzweg Ämon-Hib „Amou von Hib". Die letztere Bezeichnung bietet ein gewisses
Interesse dar, da sie uns den Ursprung des Götternamens ld/.ierqßtg in einer griechischen
Weihinschrift am Tempel von Qasr-e'-zajan (ehemals 'l'yare/.ngig genannt), aus den Zeiten
Antoninus Pius, in der bündigsten Weise liefert Neben dem thebanischen Amon von Hib
spielt seine Gemahlin, die Göttin Mut, und das Kind beider: „der älteste Sohn Amon's"
Chonsu eine grosse Kolle in der Göttergesellschaft des Tempels, wie ich es weiter unten aus-
führlicher belegen werde. Auch andere Cultusstätten im Nilthale hatten ihre himmlischen
Bewohner nach dem Tempel von Hib hinziehen lassen, vor allen das wohlbekannte dini, die
Stadt Thinis der Griechen, die Metropolis des im Norden von Theben gelegenen gleichnamigen
Nomos mit dem berühmten uralten Wallfahrtsorte Abydus. Der Localgott von Thinis: „Anhur-
su, der Sohn des ßu, der grosse Gott, der Herr von Thinis" und seine löwenköpfige Schwester
„Tafnut, die Tochter des ßä, die Herrin von Thinis" erscheinen am vordersten Platze in der
Göttergesellschaft des Tempels von Ilib. Diese Beziehung, welche zwischen der Stadt Thinis
und der grossen Oase bereits in den älteren Zeiten der ägyptischen Geschichte bestanden zu
haben scheint, wird in augenscheinlichster Weise durch eine Inschrift documentirt, deren Alter
nicht jünger als die zwanzigste Dynastie ist. Die Stele C. 112 in der ägyptischen Sammlung
des Louvre, welche einem Schreiber von Thinis angehörte, bezeichnet denselben zugleich als
„königlichen Schreiber der Keclmuugcn der Stadt Ilib der südlichen Oase" (s. meine Geograph.
Inschriften Bd. I, S. 278). Wir gewinnen durch diese Inschrift zugleich die zuverlässigste
Angabe über die Bezeichnung der grossen Oase im Alterthume, worauf ich weiter unten noch
zurückkommen werde.

Nach diesen Vorbemerkungen, welche sich auf den Stadtnamen und den Localgott des
Tempels beziehen, gehe ich auf die Bauurkunden über, in welchen die zwei oder drei Darius
genannten Könige die Urheberschaft der Anlage des Heiligthumes sich in offizieller Weise
vindiciren.

Die älteste Urkunde, leider zur Hälfte zerstört, befindet sich an der Bückseite des Tempels
unter dem Fries (s. den Text Taf. XI, g—g). Der fehlende Anfang dürfte etwa in folgender
Weise zu ergänzen sein: [„Es hat ausführen lassen dieses Denkmal zu seiner Erinnerung für
„seinen Vater Amon-rü, den Herrn der Stadt Ilib, den grossen Gott, den Starkarmigen und
„für] die Götter und Göttinnen des Landes Ta-merd (Aegypten) der König oou Ober- und

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