Wallerstein hat zuerst die Liebe für die Kunst
dieser Zeit in mir angeregt. leh habe dort in der
schönen Sammlung reichen Genuß gehabt. Und da
jene Sammlung meist aus oberdeutschen Bildern be-
steht, wie die meinige, so würde es mich freuen, jene
vervollständigt, und diese an einem Orte aufgenommen
zu sehen, wo sie mit eben so viel Liebe gepflegt würde,
als ich sie zusammengebracht habe.
Ich habe von meinem Vorhaben noch keinem Men-
schen etwas entdeckt. Es sind mir schon Anträge ge-
macht worden, die ich jedesmal mit der aufrichtigen
Erklärung, daß ich nichts weggebe, zurückwies. Ich
mache (indeß) von jenen Anträgen schon darum keinen
Gebrauch, weil ich nicht gern schachern möchte, und
überzeugt bin, daß der Fürst, wofern Er überhaupt
Seine Sammlung zu vermehren und zu vervollständigen
gedenkt, ein angemessenes Angebot machen würde.
Indem ich Ihnen nun hiemit meine Sammlung antrage,
und indeß diesen Antrag gegen Niemand wiederhole,
füge ich die Bitte bei, mir innerhalb eines Monats eine
Antwort zu erteilen.1 Wenn während dieser Frist keine
erfolgt, so betrachte ich es als Erklärung, S. Durch-
laucht wollen in mein Anerbieten nicht eingehen.
Ich habe dem Verzeichnis kein trüglich Lob der ein-
zelnen Bilder beigefügt, da sie ja doch an Ort und Stelle
eingesehen werden müssen, wo sich das Gute und
Mangelhafte zeigen wird.
Wie befindet sich Ihre liebe Frau?2 Ich empfehle mich
Ihrem freundlichen Andenken angelegentlich. Wie geht
es der lieben Amalie und dem.holden kleinen Knaben?3
Möge sie Gott gesund erhalten und segnen!
Wir leben in einer sehr bewegt.en Zeit. Möge weiser
RatvonOben über allekommen, welche sie(einschläfern
kann man sie nicht) zu lenken berufen sind!
Freundlich und treulich grüße ich Sie — verehrtester
Herr Consulent!
Gott erhalte Sie recht gesund!
Tiibingen, den 10. Februar 1821. Dr. Hirscher.“
Als der liebenswürdige, inzwischen verstorbene
Fürstl. Rat Dr. Georg Grupp in Maihingen dem
Yerfasser diesen Brief vorlegte, war er selbst er-
staunt, daß dem Angebot eine genaue Liste bei-
lag, die dasYerzeichnis der ersten Sammlung Hir-
1) Die Antwort ist nicht erhalten, sie lautete aber zweifellos
ahlehnend. Der Fürst war schon 1821 völlig verschuldet und
sah sich gezwungen, in den nächsten Jahren his 1828 den
großten Teil der Bestände abzustoßen Die Gemälde kamen
in der Hauptsache in die alte Pinakothekund nachNürnberg,
ein kleiner Teil ging nach London. Siehe Grupp a. a. O. S.
101 ff.
2) Sie war eine Tochter des Adlerwirts Neher inWallerstein.
3) Ludowika Amalie, geb. 1813; Ludwig, geb. 1817.
schers darstellt. Diese Liste verzeichnet folgende
Bilder:
V e r z e i c h n i s d e r G e m ä 1 d e
Nr.
10
Gegenstand
Zwei Stücke auf Goldgrund — oberdeutsch
— mitvorherrschender symmetrischer An-
ordnung der Gegenstände — wahrschein-
lich aus dem 14. Jahrhundert — (wie mich
dünkt, für die Geschichte der oberdeut-
schen Kunst höchst merkwürdig) ......
DasPfingstfestund die hl. 3 Könige werden
auf der einen, das Martyrertum der hl. Ur-
sula und die Erweckung Christi durch sei-
nen Yater vom Tode auf der andern Seite
vorgestellt. Der Meister ist mir unbekannt.
Zwei große Stücke von Zeythblom — der
englische Gruß und die Heimsuchung . .
Von demselben — die vier lateinischen Kir-
chenlehrer — Brustbilder, 2 Stücke. . . . .
Von demselben — Ein kolossaler Christus-
kopf auf dem Schweißtuch, welches von
zwei Engeln gehalten wird (beschädigt) .
Diese Bilder sind im Jahre 1495, also ein Jahr
früher als die Heerbergischen, gemalt. Die Kir-
chenlehrer waren beschädigt. Das Restaurieren
hat sich aber seit zwei Jahren durchaus nicht
verändert. Die Restauration ist gelungen zu
nennen.
Die hl. Anna mit dem Jesusknaben und der
hl. Jungfrau auf den Armen; von demsel-
ben Meister (wenigstens aus einer ebenso
guten Zeit dieses Künstlers als die vorigen)
Von demselben — der Kopf eines Bischofs
(weniger bedeutend).
Von Hans Holbein — eine Grablegung . .
V on demselben—eine Auferstehung Christi
Von demselben — 15 Stücke, z. T. doppelt
bemalt, und einzelne Heilige vorstellend.
Es befindet sich auf je einer Seite ein Hei-
liger. Einige haben Goldgrund.
Außer der inneren Glaubwürdigkeit haben
diese Bilder sämtlich das Zeugnis des Freiherrn
von Laßberg (Jlerausgeber der Sammlung alt-
deutscher Gedichte) für sich, welcher von einer
andern Seite her einen Teil dieser ehemals zu-
sammengehörigen Bilder erworben und ver-
sicher-t hat, daß er es urkundlich habe, daß die-
selben von demBasler Holbein seien. In Absicht
auf Talent und Gewandtheit ist sich Holbein
in diesen Bildern ganz treu geblieben; in Hin-
sicht der Ausführung hat er in vielen andern
Bildern mehr getan.
Ein Wasserfarbgemälde auf Leinwand —
von Hans Holbein. Es stellt die Profeß
zwoer Klosterfrauen aus den Häusern H.
Zollernund Fugger vor. Die Komposition
ist reich und im allgemeinen etwa zu
vergleichen mit der Familie des Canzlers
Morus, wovon die Handzeichimng auf der
Bibliothek zu Basel ist..
Höhe Breite
Schuhe
4Y
2
274
37,
3
6
2 7.
2
»/ _4 /
/ 8
21/,
268
dieser Zeit in mir angeregt. leh habe dort in der
schönen Sammlung reichen Genuß gehabt. Und da
jene Sammlung meist aus oberdeutschen Bildern be-
steht, wie die meinige, so würde es mich freuen, jene
vervollständigt, und diese an einem Orte aufgenommen
zu sehen, wo sie mit eben so viel Liebe gepflegt würde,
als ich sie zusammengebracht habe.
Ich habe von meinem Vorhaben noch keinem Men-
schen etwas entdeckt. Es sind mir schon Anträge ge-
macht worden, die ich jedesmal mit der aufrichtigen
Erklärung, daß ich nichts weggebe, zurückwies. Ich
mache (indeß) von jenen Anträgen schon darum keinen
Gebrauch, weil ich nicht gern schachern möchte, und
überzeugt bin, daß der Fürst, wofern Er überhaupt
Seine Sammlung zu vermehren und zu vervollständigen
gedenkt, ein angemessenes Angebot machen würde.
Indem ich Ihnen nun hiemit meine Sammlung antrage,
und indeß diesen Antrag gegen Niemand wiederhole,
füge ich die Bitte bei, mir innerhalb eines Monats eine
Antwort zu erteilen.1 Wenn während dieser Frist keine
erfolgt, so betrachte ich es als Erklärung, S. Durch-
laucht wollen in mein Anerbieten nicht eingehen.
Ich habe dem Verzeichnis kein trüglich Lob der ein-
zelnen Bilder beigefügt, da sie ja doch an Ort und Stelle
eingesehen werden müssen, wo sich das Gute und
Mangelhafte zeigen wird.
Wie befindet sich Ihre liebe Frau?2 Ich empfehle mich
Ihrem freundlichen Andenken angelegentlich. Wie geht
es der lieben Amalie und dem.holden kleinen Knaben?3
Möge sie Gott gesund erhalten und segnen!
Wir leben in einer sehr bewegt.en Zeit. Möge weiser
RatvonOben über allekommen, welche sie(einschläfern
kann man sie nicht) zu lenken berufen sind!
Freundlich und treulich grüße ich Sie — verehrtester
Herr Consulent!
Gott erhalte Sie recht gesund!
Tiibingen, den 10. Februar 1821. Dr. Hirscher.“
Als der liebenswürdige, inzwischen verstorbene
Fürstl. Rat Dr. Georg Grupp in Maihingen dem
Yerfasser diesen Brief vorlegte, war er selbst er-
staunt, daß dem Angebot eine genaue Liste bei-
lag, die dasYerzeichnis der ersten Sammlung Hir-
1) Die Antwort ist nicht erhalten, sie lautete aber zweifellos
ahlehnend. Der Fürst war schon 1821 völlig verschuldet und
sah sich gezwungen, in den nächsten Jahren his 1828 den
großten Teil der Bestände abzustoßen Die Gemälde kamen
in der Hauptsache in die alte Pinakothekund nachNürnberg,
ein kleiner Teil ging nach London. Siehe Grupp a. a. O. S.
101 ff.
2) Sie war eine Tochter des Adlerwirts Neher inWallerstein.
3) Ludowika Amalie, geb. 1813; Ludwig, geb. 1817.
schers darstellt. Diese Liste verzeichnet folgende
Bilder:
V e r z e i c h n i s d e r G e m ä 1 d e
Nr.
10
Gegenstand
Zwei Stücke auf Goldgrund — oberdeutsch
— mitvorherrschender symmetrischer An-
ordnung der Gegenstände — wahrschein-
lich aus dem 14. Jahrhundert — (wie mich
dünkt, für die Geschichte der oberdeut-
schen Kunst höchst merkwürdig) ......
DasPfingstfestund die hl. 3 Könige werden
auf der einen, das Martyrertum der hl. Ur-
sula und die Erweckung Christi durch sei-
nen Yater vom Tode auf der andern Seite
vorgestellt. Der Meister ist mir unbekannt.
Zwei große Stücke von Zeythblom — der
englische Gruß und die Heimsuchung . .
Von demselben — die vier lateinischen Kir-
chenlehrer — Brustbilder, 2 Stücke. . . . .
Von demselben — Ein kolossaler Christus-
kopf auf dem Schweißtuch, welches von
zwei Engeln gehalten wird (beschädigt) .
Diese Bilder sind im Jahre 1495, also ein Jahr
früher als die Heerbergischen, gemalt. Die Kir-
chenlehrer waren beschädigt. Das Restaurieren
hat sich aber seit zwei Jahren durchaus nicht
verändert. Die Restauration ist gelungen zu
nennen.
Die hl. Anna mit dem Jesusknaben und der
hl. Jungfrau auf den Armen; von demsel-
ben Meister (wenigstens aus einer ebenso
guten Zeit dieses Künstlers als die vorigen)
Von demselben — der Kopf eines Bischofs
(weniger bedeutend).
Von Hans Holbein — eine Grablegung . .
V on demselben—eine Auferstehung Christi
Von demselben — 15 Stücke, z. T. doppelt
bemalt, und einzelne Heilige vorstellend.
Es befindet sich auf je einer Seite ein Hei-
liger. Einige haben Goldgrund.
Außer der inneren Glaubwürdigkeit haben
diese Bilder sämtlich das Zeugnis des Freiherrn
von Laßberg (Jlerausgeber der Sammlung alt-
deutscher Gedichte) für sich, welcher von einer
andern Seite her einen Teil dieser ehemals zu-
sammengehörigen Bilder erworben und ver-
sicher-t hat, daß er es urkundlich habe, daß die-
selben von demBasler Holbein seien. In Absicht
auf Talent und Gewandtheit ist sich Holbein
in diesen Bildern ganz treu geblieben; in Hin-
sicht der Ausführung hat er in vielen andern
Bildern mehr getan.
Ein Wasserfarbgemälde auf Leinwand —
von Hans Holbein. Es stellt die Profeß
zwoer Klosterfrauen aus den Häusern H.
Zollernund Fugger vor. Die Komposition
ist reich und im allgemeinen etwa zu
vergleichen mit der Familie des Canzlers
Morus, wovon die Handzeichimng auf der
Bibliothek zu Basel ist..
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