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Buchwald, Conrad; Vries, Adriaen de [Ill.]
Adriaen de Vries — Beiträge zur Kunstgeschichte, N.F., 25: Leipzig, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.21979#0119
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— 97 —

Glaubensinnigkeit eines Lutherliedes uns ergreift, können wir nicht
gelten lassen.

Insofern ist also Adriaen de Vries wirklich keine Künstler-
individualität, sondern nur ein Typus für das Kunstschaffen seiner
Zeit, wie Böttiger am Schlüsse seiner Abhandlung geschrieben hat
Nur da, wo der Künstler direkt vor die Natur gestellt war, wo er
nicht bequem mit Vorhandenem wirtschaften konnte, im Bildnis, hat
er in der That Bedeutendes, Originales geleistet. Er bestätigt damit
aufs neue eine Erfahrung, die schon oft bei Manieristen, Bildhauern
und Malern, gemacht worden ist. Seine Porträts von Christian IL,
Rudolf II. und die Reiterstatuette von Herzog Heinrich Julius von
Braunschweig sind Meisterwerke. Man vergleiche die Büste Karls V.
von Leone Leoni und die Rudolfs II. vom Jahre 1603:*) trocken,
öde und hausbacken die eine, frisch, lebendig und geistvoll die andere.
Viel glücklicher und harmonischer ist die völlig gleiche Aufgabe der
Gestaltung des figuralen Postamentes bei der Büste Rudolfs gelöst.
Mit verschwenderischer Fülle ist über den Prunkharnisch ein Reich-
tum an reizvollen Ornamenten ausgebreitet, dessen Bedeutung aber
gegen die Charakteristik des Kopfes zurücktritt. Dass diese malerisch-
dekorativen Zuthaten nur Zuthaten sind, zeigt, dass er mit dem ein-
facheren Porträt Rudolfs vom Jahre 1607 dieselbe starke Wirkung
erzielt. Gleiches Lob verdient auch die Büste des sächsischen
Fürsten und das Reiterbildnis des Braunschweigers, an dem man
noch Adriaens Kunst im Pferdeporträt bewundern kann. Auf Adriaens
Bildnisse trifft das zu, was Bode von der Porträtplastik der Spät-
renaissance und des Barock sagt, dass sie neben der malerisch-
dekorativen Auffassung auch eine sehr eigenartige und reizvolle
Wiedergabe der Individualität auszubilden verstanden hat.

Adriaens Kunst war eine modische, eine höfische Kunst. Das
erklärt, wie er in einem fremden Lande reichliche Beschäftigung und
Anklang Zeit seines Lebens finden konnte. Nicht ohne Grund ist
sein Wirken nach seinen Gönnern eingeteilt worden, von denen
immer einer den anderen ablöste. Kunstliebende Fürsten waren in
der Hauptsache seine Auftraggeber, und in deren auf das Prunkvolle

*) Klassischer Skulpturenschatz Taf. 245 und 263.
Beiträge zur Kunstgeschichte. N. F. XXV.

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