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Ruskin

liebende Freunde. Mit verwundetem Herzen schliessen
sie, an der Menschheit verzweifelnd, die Augen. Dank
ihrer Begabung, dank dem unbeugsamen sittlichen
Ernst ihres Lebens und ihrer Bestrebungen haben sie
mehr genutzt als geschadet, folgt ihnen Achtung und
Ehrfurcht bis über das Grab.
Nur Wenige zeitigt ein Geschlecht; einer lebt
noch unter uns — Tolstoi, und einige charakteristische
Züge entdecke ich in unserem verehrten, betrauerten
Hermann Grimm. Wer weiss aber, wo, in welchem
Lande, unter welchen Verhältnissen, in diesem Augen-
blick eine junge Feuerseele klar das Unheil der Welt
erkennt, ein unfehlbares Allheilmittel den ungläubigen
Ohren in beredten Lamentationen verkündigen möchte?
Ruskins Los schien keineswegs auf exaltierte
Gluten gestimmt zu sein, eher auf brave, fleissige
Behaglichkeit. Aus allerbester Quelle kennen wir den
Beginn seines Lebens, er selber hat Kindheit und
Jugend in der „Praeterita“ beschrieben. Zwar bin
ich unmassgebend in meinem Urteil über Auto-
biographien, mich fesselt eine jede, auch die pedan-
tisch ungeschickte, auch die, wo der Verfasser freudig
radschlägt, auch die, welche vorsichtig geglaubt wer-
den muss. ,,Praeterita“ wird zum Schluss bedenk-
lich weitschweifig, hat langweilige Schilderungen und
läppische Stellen, aber mit Entzücken habe ich die
intimen, anschaulichen, überaus echten Schilderungen
gelesen. Diese kleine, umgebende Welt, dieses Still-
leben, sind mit einer oft überraschenden Kunst be-
schrieben.
Urbritisch sind die Ruskinschen Eltern, typisch
für den kleinen englischen Mittelstand, mit dessen
bezeichnender Verfeinerung in der Sauberkeit, Fröm-
migkeit, dem steifen Anstand, der abgeschlossenen,
 
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