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Erweckungen. Erste Eindrücke von Italien

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Die einzige leidenschaftliche Liebe seines Lebens
beherrscht diese Jünglingsjahre. Eine Stelle der
„Praeterita“ (I 53) erläutert sie am besten, er hatte
die apathische Lieblosigkeit seiner Kindheit erwähnt
und meint dann: „Als Liebe mich schliesslich über-
kam, trat sie mit einer vernichtenden Leidenschaft
auf, die ich Ungewohnter nicht zu bändigen ver-
mochte.“ Es handelte sich um die anmutige Tochter
des französisch-spanischen Mitinhabers der väterlichen
Firma; sie heiratete, während er in Oxford war, den ihr
von Kindheit an zugedachten vornehmen Franzosen.
Selbstverständlich dichtete er in dieser lyrischen
Periode des Lebens, und seine Gedichte sind später,
zur Zeit seines höchsten Ruhmes, in kostbarer Aus-
stattung wieder aufgelegt worden. Ich habe keine
Eigenart entdecken können; so deutlich er auch in
der Prosa andere Schriftsteller nachahmte, erwarb er
sich hierin doch einen glänzenden, vollendeten Stil,
der seinen selbständigen Gedanken eine herrliche Folie
verlieh; in den Gedichten sehe ich nur gelungene, an-
sprechende Nachempfindungen anderer Leute, Formen
und Gefühle.
Nach Ansicht seines Biographen Collingwood litt
seine Gesundheit thatsächlich unter der unerwiderten
Liebe; auf jeden Fall begann er bedenklich zu husten,
sein Studiengang musste unterbrochen werden, die be-
sorgten Eltern nahmen ihn nach dem Süden und er
lernte Italien kennen. Sonderbarerweise sagten dem
späteren Verkünder des Tre- und Quattrocents Fra
Angelico und Botticelli nichts, die herrlichen, ernsten
Palazzi erinnern ihn an Londoner Gefängnisse, charak-
teristisch englisch freut er sich an pittoresken Winkel-
gassen mit offenen Läden, wie an seinen eigenen Zeich-
nungen und Aquarellen. Er kopierte vorzüglich, hatte
 
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