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Ruskin

keiten — diese Kunst war kaum für ihn da. Aller-
dings giebt er einmal zu, dass Portraitmalerei die
höchsten Eigenschaften des Malers bedingt, „doch
kann jeder mit durchschnittlicher Geduld und künstle-
rischer Empfindung begabte Mensch eine befriedigende
Büste hervorbringen“ (Aratra 78). Diese Aeusserung
kann nur erklärt werden durch Ruskin’s Entschuldi-
gung, erst so spät den Carpaccio verstanden zu haben.
„Ich hatte ihn mir nämlich noch niemals angesehen.“
Das war wohl auch mit den griechischen und florenti-
nischen Portraitbüsten bei ihm der Fall.
Geradheraus sagt er, dass vornehme Venetianer
„vor allem“ im Gebet gemalt werden wollten; „wünsch-
ten sie ein edles, vollendetes Bildnis, so wählten fast
alle die knieende Stellung“ (M. P. V 225). Diese Be-
hauptung ist bezeichnend für seine „Ungenauigkeit“,
welche alle temperamentvolle Uebertreibung über-
flügelt, welche zur fälschenden Unwahrheit wird.
Vielleicht liessen fast ebenso viele vornehme Vene-
tianer sich mit ihrer nackten Geliebten als in Gebet-
stellung malen und diesem gewiss nicht unkünstle-
rischen Einfall verdanken wir unsterbliche Bilder.
Wählten sie die knieende Stellung, so waren es, mit
Ausnahme einiger konventioneller „Zeremoniebilder“,
zur Aufstellung in Kirchen bestimmte Votivgemälde.
In diesen bewog eine vollkommen entschuldbare Eitel-
keit die Stifter, sich selbst, auch ihre Familien, an-
zubringen, aber alter, ihnen gewiss angemessen er-
scheinender Tradition zufolge, immer im Moment des
verehrenden Gebets. Dieser, den vornehmen, reichen
Familien fast zukommenden Ruhmredigkeit entstammen
herrliche Bilder, welche noch oft an Ort und Stelle,
in der nach ihnen benannten Kapelle oder auf be-
sonders mit dem Namen verknüpften Altären, den
 
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