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Ruskin

näher läge ihnen in Wirklichkeit Fra Bartolommeo,
noch mehr Guido Reni und Carlo Dolce. Aber an
diesen, auch an den gewiss verdienstvollen Rafael
und Leonardo, gehen sie mit erhabener Missbilligung
vorbei.
In seiner ersten, grünen Jugend hat Ruskin
wenigstens etwas von Rafael und Michelangelo —
niemals von Leonardo — gehalten. „Da Leonardo
Maschinenmodelle anfertigte, Kanäle grub, Festungs-
wälle errichtete und die Hälfte seiner künstlerischen
Fähigkeiten in launenhafter Spitzfindigkeit verzettelte,
sind viele Anekdoten von ihm erhalten — aber
kein Staffeleibild von irgend welcher Bedeutung . . .
und nur die paar verwitterten Flecken des einen Wand-
gemäldes. Da jedoch sein Schüler oder vermeintlicher
Schüler, Luini, in treuer und erfolgreicher Schlichtheit
arbeitete, besitzen wir keine Anekdoten über ihn,
wohl aber Hunderte seiner edlen Werke. ... Er ist
zehnmal grösser als Leonardo“ (Queen 211). Da
kränkt es weniger, wenn er in Murillo wie in Rem-
brandt einzig und allein „vulgäre“ Maler sieht (M. P.
II 79 III 263), wenn er vom siebzehnten Jahrhundert,
dem Jahrhundert des Velasquez, meint, es habe keine
grosse noch echte Kunst hervorgebracht. (Einmal, in
viel späteren Jahren, rühmt er allerdings seine un-
nachahmliche , wenn auch seelenlose Kunst (Fors
III 343). Franz Hals, van der Meer van Delft er-
wähnt er meines Wissens nicht einmal, hatte von den
alten holländischen Meistern eine äusserst geringe
Meinung. „Das Gerechteste, was man ihnen nach-
sagen kann, ist, dass sie als brave Krämer zuverlässige,
mit Oelfarbe hergestellte Ware lieferten“ (M. P.V282).
„Sie liebten nicht die Natur, noch empfanden sie ihre
Schönheit, sie wählten die kältesten und nüchternsten
 
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