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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 35.1934

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Nieß, Peter: Wie kleideten sich die Bewohner der Ronneburg?: ein Beitrag zur Trachtenkunde des 16. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.35024#0017
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Wie kleideten sich die Bewohner der Ronneburg?
Ein Beitrag zur Trachtenkunde des 16. Jahrhunderts von p. Biest, Büdingen.
Mit 4 Abbildungen nach Aufnahmen des Verfassers.


Ln den meisten Fällen kann mail sich bei der Betrachtung einer alten Burgruine nur einen schwachen
' Begrifs davon machen, welches Leben, welche Schönheiten, und welch eine Fülle von wundervollen
Farben die heute so düsteren Räume einst erfüllt haben mögen. Wir erfreuen uns in der Regel an dem
romantischen Zauber der ruinierten Mauern und sind schließlich begeistert, wenn wir in einer Burg noch
die Werke der Maurer, Steinmetzeil, Bildhauer usw. ziemlich restlos bewundern können. Aber von den
vielen anderen Werken, die zur Ausstattung einer wohlhabenden Burg gehörten, sehen wir fast nichts mehr. Im
günstigsten Falle findet man einzelne Stücke in verschiedenen Museen zerstreut, hat aber nur selten einen richtigen
Eindruck davon, weil sich die Dinge in einer anderen Umgebung befinden. Zu den schönsten dieser verschwundenen
Dinge gehören auch die Kleider. Gerade auf diesem Gebiete gebührt den Bewohnern der Burgen hoher Ruhm.
Wir denken hier vor allem an die Zeitgenossen der Hohenstaufen, die die stattlichen Burgen errichteten und sich mit
soviel Anstand und Würde auf deutsche Art zu kleiden und zu schmücken verstanden. Nach dem Untergange der Hohen-
staufen verfiel das deutsche Kostüm leider gänzlich. Und was die Modeherrschaft der Franzosen im 14. und 15. Jahr-
hundert von der schönen deutschen Tracht übriggelassen hatte, wurde in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts durch
„die stolzen Spanier" gänzlich verdorben. Man hat sich in späterer Zeit oft und lange darüber den Kopf zerbrochen,
wie es möglich gewesen, daß man in Deutschland solche aufgeblasene, mit Watte ausgestopfte, höchst unnatürliche und
jeder Körperform Hohn sprechenden Kostüme,
nicht nur in den Städten und auf den Burgen,
sondern auch auf dem Lande für schön finden und
nachahmen konnte. Heute wissen wir, daß diese
„Mode" in ihrerUnnatur vollständig demZeitalter
der Gegenreformation entsprach. Jede natürliche
Linie an der Kleidung war verpönt. So kan: es,
daß in Deutschland nicht nur die Kleidung der
Frauen, sondern auch die der Männer durch die
„Spanische Mode" entscheidend beeinflußt und
umgestaltet wurde. Auf welche Art und Weise
siäh aber diese „Mode" in den kleinen Städten
und auf dem Lande eingeführt hat, darüber sind
wir bis jetzt nur sehr ungenau unterrichtet. Fast
will es uns scheinen, als ob die Begeisterung,
mit welcher man diese neue Art der Kleidung
übernahm, doch nicht so groß gewesen wäre.
Beim Studium der Urkunden und der Literatur
(vgl. Fr. Hottenroth-Handbuch der deutschen
Trachten, Verlag Gustav Weise, Stuttgart) ge-
winnt man den Eindruck, daß auch aus diesen:
Gebiete die Spaltung des Bekenntnisses eine
große Rolle gespielt hat. JnHessen,vor allem aber
im Bezirke der Menburger Herrschaft, fanden die
Neuerungen nur sehr langsam Eingang. Dies
wird uns in schönster Weise durch die Büdin ger und
Ronneburger Kleiderrechnungen des 16. Jahr-
hunderts bestätigt (Archiv Büdingen). In diesen
Kleiderrechnungen kamen nicht nur die Stoffe
zur Verrechnung, die für Männer- und Frauen-
kleider Verwendung fanden, sondern es wurden
hier auch die Kleider näher beschrieben. Was
aber diese Urkunden ganz besonders interessant
gestaltet, ist die Tatsache, daß den Beschreibungen
eine ganze Anzahl Kostümentwürfe beigegeben
sind (oder waren), woraus man die Farbe der
Stoffe, die Form der Kleider und die Namen der
Urheber entnehmen kann. Außerdem nehmen

Abb. 13. Ronneburg,
kapelle.

Blick vom Türchen des Bergfrieds auf Palas mit Burg-
Nufn. P. Nieß.
 
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