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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Editor]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 1.1862

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Nr. 2 (Februar 1862)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6483#0006
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ſer Art, mit einem durchbrochenen Helme, ſondern auch für
den ſchönſten, und fügt zur Beſtätigung ſeiner Behauptung
Folgendes bei: „Nirgends ſondern ſich die drei Theile ſo
klar (und harmoniſch) wie hier; nirgends iſt ihre Bedeutung
ſo beſtimmt ausgeſprochen.
dem herrlichſten Portale geſchmückt,

Maaß werk auf undurchſichtiger Mauer, oben aber weit geöff-
nete Schallfenſter hat
Unterbaues und des luftigen Helmes in ſich vermittelt, welcher

demnächſt ohne weiteren Abſatz zwiſchen Fialen und Spitzgie-
als ein luftiges Gerüſt von acht

beln hoch empor ſchießt,
pyramidaliſch aufſtrebenden Rippen, welche unten durch Hori-

zontalbänder und wechſelndes Maaßwerk verbunden, hoch oben

den kurzen Weg bis zur Spitze allein und frei durchleuchtet
fortſetzen. — Auch erfreute ſich dieſer erſte Verſuch ſo ſehr
des Beifalls der Bauhütten, daß er den meiſten Anlagen der
Art, wie unverkennbar am Straßburger Münſter, und nach
den glücklich erhaltenen alten Planzeichnungen auch für die

beiden rieſigſten Thurmbauten am Kölner und Ulmer Münſter,

welche Deutſchland ſchmücken ſollten, an der Liebfrauenkirche
zu Eßlingen u. m. A.“ Doch ſteht Schnaaſe nicht an zu be-

haupten, daß keine der ſpäteren wirklich ausgeführten oder nur

projectirten Nachahmungen dem Vorbilde an einfacher harmoni-
ſcher Schönheit gleichkomme. Hätte der geiſtvolle Kunſtrich-

ter noch beigefügt, der Hauptthurm des Freiburger Münſters
verſinnbildet am ſchönſten das Ziel der gothiſchen Baukunſt:
die Erhebung und Richtung des Geiſtes nach-
dem Himmel (Koloß. 3, 1, 2.— sursum corda) durch

immer weitere Entäußerung des Matzriellen und
Irdiſchen, ſo würde er den einen großen Gedanken die-
ſes Wunderbaues erfaßt und ausgedrückt haben.
der dem dunklen Schachte entſproßene Stein aufſteigend ver-
geiſtigt, licht und durchſichtig erſcheint, ſo lautet die unverän-

derte Mahnung und Anſprache an den religiöſen Beſchaner:

je mehr und weiter du dich der Erde, der ſchwerfälligen Maſſe,
entwindeſt, deſto atheriſcher, geiſtiger und freier wirſt du
werden!

Doch wir nahen der Halte unſeres Thurmes, und als-
bald treten uns in einer ſehr geiſtvollen Compoſition zahl-
reicher Figuren die ganze Geſchichte des Chriſtenthums,
alle Myſterien und Wahrheiten unſerer Erlöſung,
aber auch erſchütternde Mahnungen zur Verähnlichung
mit Gott, Ihm allein zu dienen, und dem Satan und allen
ſeinen Werken zu entſagen, zauberiſch und ſchreckhaft vor die
Seele; und wir fühlen, obſchon erſt in der Vorhalle: hic est
terra sancta (hier iſt heiliger Boden). Doch davon nächſtens,

n. uahemithen der Runſtvereine gegen den garba

rismus in Airchenſachen.

Unter obiger Aufſchrift brachte der „Kirchenſ chmuck
redigirt von Laib und Schwarz“ im 11. Hefte des V. Jahr-

Kräftig und einfach, aber doch mit
ſteigt der frei vor dem
Langhaus ſtehende Unterban bis über den Dachfirſt hinaus,
und trägt das hohe achteckige Glockenhaus, das unten reiches

„und auch ſo den Gegenſatz des feſten

Da hier

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ganges von 1861, einen für unſer beginnendes Unternehmen
beſonders beherzigenswerthen Mahnruf, aus Anlaß folgender
Klage in der revue de Bretagne et Vendée, die leider auch
anderwärts öfters vorkommt, beſonders da, wo die chriſtlichen
Kunſtvereine ihren Einfluß zur Verhittung der Barbarei noch
nicht geltend machen können.
„„„Statt der ſpitzbogigen Fenſter, klagt ein Franzofe, ſetzt
man rechteckige ein; ſtatt der gothiſchen Maaßwerke und Pfoſten
hölzerne Futter; für die farbigen, oder wenigſtens bleigefaßten
wurden Scheiben von ungeſchliffenem Glas, wie in einer Prort-
nersſtube, oder einem Badkabinet eingelegt.
Um die Schönheit des Chors zu erhöhen, mauert man oft
das Hauptfenſter an der Oſtſeite zu oder verhängt es mit
einem türkiſch rothen Vorhang mit broncegeſtanzten Enden an
der Stange, daß man meint, den Tanzplatz in einer Kneipe
zu ſehen. Um die Taäuſchung vollkommen zu machen, ſehen
wir ſtatt der alten Lichtſtöcke Kronleuchter von Glasſtücken
und Billardlampen mit Reflexionsſpiegeln.
Dann reißt man den ehrwürdigen über dem Grab des
Schutzheiligen errichteten Steinaltar nieder, und verbannt die
geſchnitzten Aufſätze und Flügelbilder, um einen ſogenannten
„römiſchen“ Altar zu errichten, den man an die Stelle des
Chorpultes ſtellt. Dieſe. neue Mode hat die Entfernung vieler
Altarbilder aus dem ſechzehnten und ſiebenzehnten Jahrhundert
nach ſich gezogen. Was ſage ich von dem neuen Hochaltar,
der einem Zahltiſch im Kaffeehaus oder einem Friſirtiſchchen
gleicht; von dieſer Leuchterform; von den porzelainenen Vaſen,
in welchen bunte aufgekräuſelte Fidibus ſtecken, die wahrſchein-
lich Blumen vorſtellen ſollen; was vom. Tabernackel, der aus-
ſieht wie eine Standuhr auf Säulen mit einem Spiegel als
Rückwand; von dieſen Antipendien aus Tannenholz, die mit
verſchiedenen Lagen fantaſtiſcher Marmorirung überzogen ſind!
Man reißt die Grabplatten aus den Kirchen, auf welchen
ſo viele Geſchlechter gekniet ſind, um für die Seelen der Vor-
angegangenen zu beten. Dieſe erſetzt man durch Fußplatten der
gemeinſten Art, welche in Verbindung mit der von Zeit zu
Zeit angepinſelten Tünche dem Tempel das Anſehen einer
Waſchküche geben.
Nur Eins iſt dieſen neumodiſchen Kirchenzierern noch nicht
eingefallen: ſie mit Papiertapeten das Stück zu 25 Sous zu
überziehen. Aber verzweifeln wir nicht an ver. Zukunft, es
wird auch dazu noch kommen.
Ich ſtehe nicht an zu behaupten, daß faſt a alle auf die Kir-
chen in Zeit von fünfzig Jahren verwendeten Gelder — mit
Ausnahme von Hauptreparaturen und Unterhaltung der Dächer
— mehr als hinausgeworfen ſind. Denn dieſe Auslagen haben
nicht nur nichts zur Ausſchmückung beigetragen, ſ haben viel-
mehr verdorben und entſtellt.
Unter dieſen Verunzierungen haben große und reiche Pfarr⸗ x
kirchen am meiſten eingebüßt, und im Gegentheil habe ich nur
noch in kleinen vereinſamten Kapellen, wo des Jahres ein-

Hoder zweimal die hl. Meſſe geleſen wird, Kunſtſachen gefunden.

Zu den unheilvollen Neuerungen, durch welche heutzutage
die Kirchenkaſſen geplündert werden, nehme ich noch folgende:
die alten Glocken, durch ihren Wohlklang und ihre Inſchriften
 
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