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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 3.1864

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https://doi.org/10.11588/diglit.6485#0019
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— 111 —

ter wahre Muſter einer exacten, liebevollen und kunſtverſtän-
digen Darſtellung. Die Doppellieferung enthält 14 Blätter,
unter welchen vorzüglich die Tafeln 8 und 9 durch zarteſte
Vollendung herzerfrenend wirken. Ueberhaupt iſt die ganze
Herausgabe ſo opulent und ſtaatlich angelegt und durchgeführt,
daß nicht blos der Fachmann unmittelbar praktiſchen Nutzen
daraus ziehen kann , ſondern daß ſie auch den Laien hohen
Genuß bereiten muß. Wenn irgendetwas, ſo ſind ſolche Pub-
licationen geeignet jedem das Auge für die Schönheit unſerer
alten Kunſt zu öffnen. Und ſo ſei denn dieſes vorzügliche Werk
der warmen Theilnahme nicht allein der Fachmänner, ſondern
des größeren gebildeten Publicums empfohlen. W. Lübke.

ſich an den lachenden Ufern des Neckars früh ſchon regte, das
bezeugt noch immer eine Anzahl kleinerer Werke, die in ihren
anmuthigen Formen das ritterliche Gepräge der Hohenſtaufen-
St agen. Selbſt kleine Dorfkirchen wollten damals nicht
ableiben, und ihren Theil an dem feſtlichen Schmuck ge-
unen, der dem ganzen Leben jener Tage in unſern Augen
einen idealen Grundton verleiht.
Aber die Glanzzeit ſchwäbiſcher Kunſt brach doch erſt ſpä-
er an, als' das Bürgerthum zum Gipfel ſeiner Selbſtherrlich-
keit und Macht gelangt war. Wohl hat der damalige Bürger
Eig gezogene Schranken, innerhalb deren er ſich unabäuderlich
bewegte; aber um ſo inniger hieng er mit ſeinem Denken und
Empfinden an der Heimath, die zu verherrlichen und zu ſchmü-
cken ihm Ehrenſache war. Jnzwiſchen hatte ſich im Schooß
der reichen Städte der gothiſche Styl immer mehr eingebür-
gert; man hatte allmählich ſeinen franzöſiſchen Urſprung ver-
geſſen, und die Abneigung überwinden gelernt, welche offenbar
anfangs in Deutſchland gegen ihn herrſchte. Man verſöhnte
ſich mit ihm, und wie ſeine Träger, die Bettel- und Predi-
germönche, gegenüber den ältern vornehmen Benedictinern und
Ciſtercienſern, ſo erhielt der gothiſche Styl jetzt, gegenüber
dem von jenen ſo zu ſagen ariſtokratiſchen Orden gepflegten
romaniſchen, das Gepräge einer demokratiſchen Popularität.
Er war volkthümlich geworden; die ſtädtiſchen Gemeinden
wandten ihm ihre Liebe und ihre beſten Kräfte zu, und ſo
erwuchs er in immer reicherer Entfaltung zum vielgeſtaltigen
Ausdruck deutſchen Bürgerthums.
Bei dieſer Umgeſtaltung hat vielleicht kein deutſcher Land-
ſtrich ſich ſo glänzend hervorgethan wie das edle Schwaben-
land. Wo findet ſich in Deutſchland, auf ſo engen Raum
zuſammengederängt, eine ſolche Reihe von reich geſchmückter,
mit plaſtiſchem Ueberſchwang ausgeſtatteter Kirchen wie Schwa-
ben ſie im Chor des Augsburger Doms, im Ulmer Münſter,
in der Kreuzkirche zu Gmünd, den Liebfrauenkirchen zu Eß-
lingen und Reutlingen, den Stiftskirchen zu Stuttgart und zu
Tübingen aufweiſen kann? Beſonders reich iſt das Neckarthal
mit ſeinen Seitenthälern. Namentlich gibt ſich in den kleinern
Werken, die ſich den großen Monumenten als köſtlicher Schmuck
anſchmiegen: in den Kanzeln, Taufſteinen, Lettnern, Chorſtühlen
u. dgl. eine Fülle künſtleriſch freier Phantaſie, ein großer
Reichthum an Gedanken und reizenden Formſpielen kund.
Vielleicht das prachtvollſte Werk dieſer Art, jedenfalls das
ſchönſte, künſtleriſch vollendeſte in Deutſchland, ſind die be-
rühmten Chorſtühle im Münſter zu Ulm. Bekanntlich wurden
ſie durch den Ulmer Meiſter Jörg Syrlin den ältern von
1469 bis 1474 in faſt unglaublich kurzer Zeit ausgeführt,
achdem derſelbe vorher den ebenfalls noch vorhandenen Drei-
tz für den Chor vollendet hatte. Dieſe Werke ſind zwar ſchon
in den Heften des dortigen Alterthumsvereins abgebildet wor-
den; allein eine künſtleriſch erſchöpfende Aufnahme und Dar-
ſtellung finden ſie erſt in Egle's Publication von welcher bis
jetzt drei Lieferungen vorliegen. Wir erhalten hier nicht
bloß von de architektoniſchen Anlage wie von deu überaus
reich abgeſtuften Drnamenten vegetativer, figürlicher und line-
arer Art, welche das Ganze bedecken, eine vollkommene An-
ſchauung; auch die feinen plaſtiſchen Zierden, welche nament-
lich die Bruſtbilder von Sybillen und frommen Frauen des
alten Teſtaments enthalten, ſind in dieſen Darſtellungen der
ſüdlichen Stuhlreihen mit aller Feinheit veranſchaulicht. Die
zarte, durch einen wehemüthigen Anflug bisweilen noch ge-
hobene Anmuth dieſer lieblichen Geſtalten iſt mit einer Treue
und Jnnigkeit der Empfindung wiedergegeben die nichts zu
wünſchen übrig laſſen. Aufgenommen und gezeichnet von den
Hauptlehrern der königl. Baugewerkſchule, A. Beyer und C.
Rieß, geſtochen von Paul und L. Ritter, ſind dieſe Blät-

IIJ. Miscellen
* Die Kirche in Veringenſtadt. Das Hohenzollern'ſche
Städchen Veringen hat im verfloſſenen Jahre eine neue Pfarr-
kirche erhalten, deren Bau von dem fürſtlichen Hofkammerbau-
rath Laur geleitet wurde. Dieſelbe iſt im einfachfrühgothiſchen
Style erbaut, einſchiffig mit Kreuzgewölbe und einem aus dem
Achteck conſtruirten Chorabſchluſſe. Von der alten Kirche wurde
ein Theil des Thurmes und das Hauptportal aus dem 12ten
Jahrhunderte erhalten. Der Thurm, durch welchen der Haupt-
eingang führt, bildet eine Vorhalle. Die Kirche macht mit
ihren Strebepfeilern auf der Anhöhe, auf der ſie ſteht, einen
erhabenen Eindruck auf den Beſchauer und kann zu den ſchön-
ſten Kirchen Hohenzollerns gerechnet werden. Das Jnnere der
Kirche ſchmückt ein neuer gothiſcher Flügelaltar, entworfen und
ausgeführt von dem Bildhauer Marmon in Sigmaringen. Der
mittlere und Haupttheil des Altares nämlich der Tabernakel
hat die Form eines Sacramenthäuschens mit einer Höhe von
ungefähr 20 Fuß. Der eigentliche Tabernakel zerfällt in zwei
Abtheilungen (für das Ciborium und die Monſtranz), die in-
wendig mit weißem Seidendamaſt ausgeſtattet ſind; ſeitwärts
ſind an demſelben die Statuen der vier Evangeliſten unter
reichen Baldachinen angebracht. Ueber dem eigentlichen Ta-
bernakel ſteht das Bild des auferſtandenen Heilandes und den
Schluß bildet das Kreuz mit demCrucifix. Der ganze Taber-
nakel iſt reich in Gold gefaßt und mit künſtleriſcher Strenge
gearbeitet. Der Anblick desſelben muß unwillkürlich das Herz
des gläubigen Chriſten erheben. Hinter und über dem Taber-
nakel erhebt ſich der Altaraufſatz, der den Schluß des Taber-
nakels in Form eines Baldachins mit reich durchbrochenem
Helme überragt. Zu den Seiten des Tabernakels ſind die
Niſchen mit den Altarflügeln. Jn erſteren ſtehen die Statuen
des hl. Nikolaus, des Patrons der Kirche, und der hl. Katha-
rina, in ſehr ſchönem Schnitzwerk ausgeführt. Die beiden Flü-
gel zieren die Reliefbilder des hl. Thomas und des hl. Jakobus
min. Die Bilder haben den mittelalterlichen Typus und ſind
ebenſo polychromirt. Ueber den Niſchen ragen reich mit Maß-
werk durchbrochene Helme empor, in welchen noch zwei kleine
Statuen des hl. Johannes und der allerſeligſten Jungfrau (als
Seitenſtücke des Crucifixes am Tabernakel) angebracht ſind.
Auf dem Antipendium iſt in der Mitte das hl. Abendmahl, in
Relief geſchnitzt, auf Goldgrund und polychromirt; die einzelnen
Bilder ſind voll Charakter und Leben. Wird das Abendmahl
hinweggenommen, ſo erſcheint eine Niſche, die zu einem heil.
Grabe geeignet iſt, zu welchem Zwecke an dem Antipendium
noch zwei anbetende Engel angebracht ſind. Der ganze Altar
mit ſeiner reichen Vergoldung und Schnitzarbeit iſt in ſchöner
geometriſcher Conſtruction bis ins Kleinſte mit größtem Fleiße
ausgeführt und ein treffliches Kunſtwerk zu nennen. — Neben-
altäre fehlen noch. —
Vor einigen Tagen hat die Kirche einen nenen Schmuck
erhalten: es wurde nämlich ein Kreuzweg in dieſelbe geſtiftet
 
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