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Chriſtliche

Kunſtblätter

Organ des chriſtlichen Kunſvereins der Erzdiöceſe reiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. A1.

Domine dlexi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

Mai 1863.

J. Die dritte Kirche auf der Reichenau.
St. Peter in Unterzell.
Nach dem Berichte des badiſchen Alterthumsvereins') iſt
dies die älteſte der jetzt beſtehenden Kirchen auf der Reiche-
nau. Hermann der Contracte berichtet, daß Biſchof Egino
von Verona, früher Mönch in der Reichenau, nach Nieder-
legung ſeines Hirtenſtabes, Reichenau zu ſeiner Ruheſtätte
wahlte, und jene Kirche in Unterzell im J. 799 zu Ehren der
Apoſtel Petrus und Paulus erbaute. Wenn dieſe Kirchen mit
ihren beiden Thürmen aber das Gepräge einer beträchtlich
jungern Zeit, als die der beiden andern trägt, ſo iſt wohl an-
zunehmen, daß Egino den Bau derſelben begonnen, die Vol-
lendung des Baues aber erſt gegen Ende des 11. Jahrhunderts
erfolgte. Und für dieſe Annahme ſpricht der Umſtand, daß
innerhalb der Thurmleibung rechts und links von dem Haupt-
chore das Gewölbe der urſprünglichen Abſiden des Chores noch
erhalten iſt. Dieſer alte Bau ſteht aber in keiner organiſchen
Verbindung mit dem ſpätern Hauptbaue. Daraus erſieht man,
daß die beiden Thürme und die mit ihnen gleichzeitige jetzige
Kirche ein Neubau über einem eingegangenen alten Baue
ſei, von welchem man einzelne Theile in den Thürmen gleich-
ſam wie in einem Mantel einſchloß.
Der in Nro. 39 und 40 erwähnte ſorgfältige Beobachter
und Alterthumsforſcher beſchrieb auch dieſe Kirche in der A.
P. Z. Nro. 276 vom 6. Deembr. 1857 in nachſtehender Weiſe.
Dieſe Baſilika, noch der am beſten erhaltene Kirchenbau
auf der Jnſel, iſt nicht mehr Egino's Bau, wenn auch Grund-
mauern und einzelne Theile von ihm herrühren mögen. Wir
ſehen überhaupt nicht mehr die Formen der alten römiſchen,
ſondern der fpätern romaniſchen Baſiliken. Nach ihrer
Anlage hat dieſe Kirche große Aehnlichkeit mit der alten ehr-
würdigen Templerkirche in Altenſtadt bei Schongau, und mit
der in den ,,Mittheilungen der k. k. Centralkommiſſion zur Er-
forſchung der Baudenkmale in Oeſterreich'' im erſten Heft des

Jahres 1857 abgebildeten Kirche zu Lebeny in Ungarn. Wie
dort ſind auch drei Schiffe gleich lang, und erheben ſich über
der Oſtung der Seitenſchiffe 2 Thürme; nur laden hier die
3 Abſiden nicht aus, ſondern ſind in die Oſtwand der Thürme
und des Chorſchluſſes eingetieft.
Als ein ſpäterer Bau in der gegenwärtigen Geſtalt hat
dieſe Baſilika (wie es damals ſchon als Regel galt, da der
Prieſter bei der aufgekommenen Gewohnheit, auf den Altartiſch
ſelbſt verſchiedene Gegenſtände zu ſtellen und Altarbauten
aufzuführen, nicht mehr hinter dem Altar im Weſten gegen
Sonnenaufgang und das Volk blickend celebriren konnte) —
den Chor im Oſten. Das Aeußere, leider jetzt weiß über-
tüncht und ſeiner Ehrwürdigkeit beraubt, iſt von guten Ver-
hältniſſen, aber ſchmucklos.
Eine Vorhalle führt zu dem ſehr einfachen Weſtportal
Auf jeder Seite ſteht in einer Abſtufung der Wandecke eine
Säule, mit dem in der romaniſchen Periode allgemein vor-
kommenden Würfelkapitäl nach unten halbkreisförmig abgerun-
det, mit nur angedeuteter Deckplatte; die Rundform der Säule
ſetzt ſich im Portalbogen als Wulſt fort.
Beim Eintritt ſehen wir abermals eine Säulenbaſilika,
die ſich über 100' in die Länge, und 52' in die Breite er-
ſtreckt. 24' iſt das mittlere Schiff, 12' das Seitenſchiff breit.
Die Schiffe werden von acht freiſtehenden Säulen getragen,
die durch Rundbogen von flacher Leibung und 10' Spannweite
verbunden werden. Die runden Säulen auf attiſcher Baſis,
aus flachem Pfühl (Plinte), und ohne Dazwiſchentreten eines
Kehlgliedes, einen Wulſt darüber beſtehend, ſteigen unverjüngt
9. empor, und haben 2' Durchmeſſer. Auf dem Pfühl liegen
4 Eckknollen. (Leider iſt die Baſis der Säulen durch die
wegen Feuchtigkeit vorgenommene Erhöhung des Fußbodens ganz
verunſtaltet.) — Die Kapitäle ſind wiederum von verſchiede-
ner, theils dem Würfel ähnlicher, theils ſeltener, ungewöhnli-
cher Form. Faſt alle ſind durch einen ſtarken Wulſt um die
Säule eingeleitet, worüber das meift niedrige, weit ausladende,
nur die halbe Höhe ſeiner Breite meſſende Kapitäl beginnt,
über welchem dann eine viereckige Deckplatte ſich befindet. Drei
derſelben haben die Form eines unregelmäßigen, verkürzten,
nach unten abgerundeten Würfels mit ſcharfen Ecken. Eins

*) Jn ,,Denkmale der Kunſt und Geſchichte des Heimath-
landes'' Publieation v. J. 1856 u. 1857: ,die Kirchen auf Reichenau''
mit 4 Tafeln Abbildungen: Tafel J gibt eine ſchöne Abbildung der Jnſel
mit ihren kirchlichen und Profangebäuden zur Zeit des Conſtanz. Fürſtbi-
ſchofs Jakob Fugger (1604—1624).
 
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