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selben eine schöne, in gutem Verhältnis znm ganzen stehende Chordurchbildung,
der Vorzug maßvoll gehaltener gegenseitiger Hauptproportionen der Schiffe
und Kapellen, und gute Wechselwirkung der Einzelbanteile zu einander erreicht
ist. Hier konnte eben beim Berner Münster nicht wie beim Ulmer durch eine
Planänderung im Lauf des Bauens Wesentliches geändert werden, es mußte nach
der Art des Baubeginns, wie wir von Anfang betonten, der Plan des ersten
Meisters in der Hauptsache der leitende bleiben. Im einzelnen scheint im Äußern
der dermalige Bestand der Strebebögen und Fialen, die wie ein Wald das
Münster umziehen, einiges zu wünschen übrig zu lassen. Im Innern muß der
Umstand, daß die Arkadeubögen, um das Licht von den Kapellen ins Innere
hereinzulassen, nur in flachen Stichbogen geführt find, im Zusammenhang mit
den niedern Fenstern des Hochschiffs einen weniger günstigen Eindruck geben.
Um so besser wirkt dann aber sichtlich der Chor mit seinem reichen Gewölbe,
seinen lichten Fenstern, den an Ulm (und das Neutlinger Langhaus) uns wieder-
anheimelnd erinnernden Blendarkaden, die sich unten um ihn herumziehen, und
mit so manchem andern alten Schmuck, den wir noch näher teilweise uns ansehen
wollen. Für die Außenansicht der Kirche im ganzen giebt die Festschrift selbst
zu, daß es dem. hochstrebenden Turm an einem rechten Gegengewicht, wie es ein
höher geführtes Dach des Mittelschiffs und ein einst am Ostabschluß vorhandener
Dachreiter ihm wenigstens teilweise verleihen konnte, und damit an dem schönen
Gleichgewicht aller Teile, wie das in Ulm durch die zwei Chortürme und das
gewaltige und hohe Mittelschiff doch erreicht ist, noch fehlt. Möge ein günstiges
Geschick auch ferner über dem Münster walten und wie am Turme jetzt geschehen,
so auch an andern Teilen das, was der erste Meister wohl geplant hat, noch
besser durchgeführt werden. (Schluß folgt.)

Vom Mchertisch.
Rembrandts Radierungen von W. von Seidlitz mit 44 Textbildern und
3 Heliogravüren. Leipzig 1894. E. A. Seemann. (Sep. C.) 10
Die manchem Leser schon aus der Zeitschrift für bildende Kunst bekannten
Aufsätze werden hier von der Verlagshandlung — im einzelnen vom Verfasser-
nicht unwesentlich vermehrt und verbessert, mit noch reicherem Anschauungsmaterial
ausgestattet — zu gesondertem Besitz und Genuß dargeboten. Man empfängt
in der That daraus eine reiche und eindringende Belehrung; in angenehmer,
nicht pedantischer Form wird man eingeführt in die Eigentümlichkeiten Rembrandts,
seiner Kunst und Zeit und zugleich des Radierverfahrens, in dem er der erste
Meister bis heute geblieben ist. Weite Ausblicke von Dürer und Raffael bis
zu unserer heutigen Kunstentwicklung stellen, ohne aufdringlich zu sein, den histo-
rischen Hintergrund her. Was aber die Hauptsache ist: das Auge wird dem
Leser und Beschauer geöffnet für die Schönheit dieser zunächst so kraus und
unansehnlich erscheinenden Blätter, in denen doch das reine Gold höchster Kunst
verborgen liegt — und ein höheres Lob wußten wir für den Kunstschriftsteller
 
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