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Weh' jeden:, der vermessen und verblendet
Die Schönheit nieder zu den Sinnen reißt,
Zum Himmel trägt sie den gesunden Geist.
Doch schwach sind wir, wo Gott nicht Kraft uns spendet,
Durch Gnade nur kann's unserm Aug gelingen,
Von: Sterblichen zu Göttlichen: zu dringen."

Altes und Neues vom Dom M Schleswig.
Von Doris schnittger.
(Fortsetzung statt Schluß.)
Die letzte Hand — hoffen wir für lange hinaus — haben also die Jahre
1888—94 an den Schleswiger Dom gelegt. Ans Staatsmitteln — da die
Kirche fiskalisch ist — nnd denen des kaiserlichen Dispositionsfonds ist er zu
einer Vollendung des Außen- und Jnuenbaues gefördert, die er während seiner-
langen Lebensdauer wohl kaum je besessen hat. In einer Chronik heißt es freilich
vom Jahre 1273: „Zwei Türme und ein großer Teil der Domkirche stürzten
ein." Das weist aus zwei einstige Westtürme hin, deren gewaltige Unterbauten
sich jetzt noch vorsanden. Auch wir hofften kurze Zeit auf einen Doppelturm,
welcher der einstigen Kathedrale zukäme und für unser Land ein Unikum abge-
geben hätte. Doch freuen wir uns jetzt des Einen, aber standfesten Turms —
statt jener zwei hinfälligen — der schon den furchtbaren Orkan im Februar 1894
würdig überstanden hat, während allerorten alte und neue Kirchen einstürzten
und wir für unfern ungeprüften Liebling zitterten. Der Herrgott aber hat nach
allen Seiten hin dem Werke Gedeihen nnd den Schutz verliehen, den wir bei der
Grundsteinlegung im August 1889 erfleht hatten. Die Weihe vollzog
Hauptpastor Schnittger, der, einst im Dom getauft und eingesegnet,
jetzt drei Jahrzehnte seiner Heimatgemeinde das Wort hat verkünden dürfen.
Vorwiegend aus lichtrotem Backstein errichtet, mit wenig Sandstein, aber-
belebt durch vielgestaltige Formsteine und zum Teil Flächenfüllungen in Durch-
brucharbeit, dunkel auf verputztem Grunde—- hat der Westturm^) eine Höhe
von 112 na. In 3 Hauptgeschossen steigt er in gut vermittelter Verjüngung
bis zu der 50 in hohen, mit gewelltem Kupferblech eingedeckten und mit kupfer-
nen Krabben gezierten Pyramide auf. An den Ecken des am der Basis 13 in
breiten Turmkörpers wachsen kräftige Strebepfeiler empor, die sich unterhalb
der Glockenstube in eine Anzahl von Fialen und Giebelchen auslösen. Das
architektonische Leben quillt hier so übervoll, daß sich das Auge fast darin verwirrt;
doch sind der ruhig aufstrebenden Teile gerade genug, um gesundes Gegengewicht
zu halten. — Unterhalb der hohen Schallöfsnungen der Glockenstube zieht sich
eine hübsche Aussichtsgalerie entlang, die herrlichen Ausblick in die lichte Weite
'9 Bergt, die Abbildung. Weiteres in: Der Dom zu Schleswig. — Geschichte und Be-
schreibung von Doris Schnittger. Schleswig, Verlag von I. Bergas, 1894.
'O Jahrgang 1859 des „Christi. Kunstbl." enthält einen Artikel von A. Adler mit einer
Ansicht der damals neuen Bartholomäus-Kirche in Berlin, deren, freilich schlichterer Turn:
den: Schleswiger ähnelt, besonders in Verwendung der Strebepfeiler.
 
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