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Chronik.
Mit der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis kirche, die am I. September eingeweiht wird, ist
die Zahl der evangelischen Kirchen Berlins ans fünfzig gestiegen. Es ist die zehnte Kirche, die
unter der Regierung Wilhelms II eingeweiht wird. Die Zahl der katholischen Kirchen innerhalb
des Berliner Weichbildes ist in derselben Zeit von sechs auf acht gestiegen.
Der Baumeister Grothe, der den Bau der deutsch-evangelischen Kirche in Jerusalem
leitet, war am Fieber erkrankt, ist aber wieder hergestellt und hat die Bauleitung bei dem Kirchen-
bau wieder übernommen.
Der Verein zur Erbauung einer Protestationskirche in Augsburg hielt kürzlich seine
Generalversammlung ab. Das Gesamtvermögen beträgt zur Zeit 57 938
Der Bildhauer Professor Tobe reutz, der Vollender des Berliner Lutherdenkmals (Chronik
des Ehr. Kunstbl. vom I. Juli d. I.), ist den Folgen eines Unfalls zur See bei der Rückkehr
von den Kieler Festlichkeiten in Rostock erlegen. Toberentz war am 4. Dezember 1849 zu Berlin
geborcir. Da sich seine Befähigung zum bildenden Künstler schon früh zeigte und ihm von feiten
seiner Familie keine Hindernisse in den Weg gelegt wurden, konnte er sich nach Vollendung seiner
Schulbildung sofort der Kunst widmen. Er besuchte zu diesem Zwecke mehrere Jahre die Kunst-
akademie in Berlin und siedelte dann nach Dresden über, wo ihn Johannes Schilling in seinem
Atelier als Schüler aufnahm. Die Jahre 1872—75 verbrachte er in Rom. Im Jahre 1878
erhielt er vom preußischen Kultministcrium und dem Magistrat zu Görlitz gemeinsam den Auftrag
zu einem Brunnen für diese Stadt, den er in Marmor und Bronze ausführte. 1879 wurde ihm
die Leitung eines Meisterateliers am schlesischen Museum in Breslau übertragen, er nahm diese
Stellung an und beschäftigte sich nebenbei mit der Verbesserung des Bronzegusses. Ihm gebührt
das Verdienst den sogenannten „Guß über Wachs" zuerst eingeführt zu haben. Anfang der
achtziger Jahre lebte Toberentz eine Zeit lang in Amerika. Von dort sandte er mehrere Bronze-
arbeiten nach Deutschland, die sehr gefielen. Nach seiner Rückkehr nach Berlin wurden ihm ver-
schiedene Aufträge zu Grabdenkmälern und Porträts in Marmor und Bronze übertragen, auch
stellte er eine Marmorstatue „Die Bildhauerin" auf der Kunstausstellung aus. Er lieferte dann
im Staatsauftrage das Modell für die in Kupfer getriebene Reiterstatue Barbarossas für Goslar
und übernahm bei Ottos plötzlichem Tode die Ausführung des Lutherdenkmals für Berlin. Be-
sonderer Wertschätzung erfreute sich Toberentz beim Kaiser, in dessen Auftrage er u. a. das Modell
zur Statue Friedrichs des Großen für den Weißen Saal des Berliner Schlosses angefertigt hat.
Im Lichthofe des Berliner Kunstgewerbe-Museums wurde der bereits vor einigen Jahren
ebendaselbst vorgeführte sogenannte Croy-Teppich ausgestellt, nachdem er während 4'/z Jahren
eine sehr sorgfältige und glückliche Wiederherstellung in der Anstalt für Kunsthandwebcrei von
W. Ziesch in Berlin erfahren hat. Der im Jahre 1554 gewirkte, 4,30X 6,80 m messende
Gobelinteppich ist Eigentum der Universität Greifswald, infolge eines Vermächtnisses des letzten
Nachkommens des pommerschen Fürstenhauses, Ernst Bogislav v. Croy (4 1684). Er enthält
die lebensgroßen Figuren der um die Einführung der Reformation verdienten sächsischen Kur-
fürsten auf der einen, der pommerscheu Herzöge mit ihren Frauen und Kindern auf der anderen
Seite. Über den Fürsten ist Luther auf der Kanzel dargestellt, auf den Gekreuzigten hinweisend,
im Hintergründe in bescheidener Stellung Melanchthon und Bugenhagen, der Vorkämpfer von
Luthers Lehre in Pommern. Jnschristborten, Blumen rind Fruchtgewinde rahmen die Dar-
stellung ein.
Die mittelalterliche Ausstellung im Kloster St. Georgen zu Stein a. Nh. ist nm
t 7. August eröffnet worden.
Inhalt: Der Verein für kirchliche Kunst im Königreich Sachsen. Mit Abbildung. — Die große
Berliner Kunstausstellung. Von N. S. — Die mittelalterliche Architektur und Plastik
der Stadt Landshut. Von 1>r. Friedrich Haack. (Schluß.) — Vom Büchertisch.
Chronik.

Berantworlliche Redaktion: Oberkonsistorialrat 1)r. Iah'«. Mcift in Stuttgart.
Druck und Verlag von I. F. Stcinkopf in Stuttgart.
 
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