Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 1

3

Christliches Runstblatt für Rirche, Zchule und ^aus
sprängen der modernen Kunst nur zu begründet sein konnte. Aber hier hörte
ja doch auch die Kunst schon auf, Kunst zu sein und ward zur sensationellen Pose
und Mache. So sind auch die deutschen Pfarrvereine nicht im Pintertreffen ge-
blieben und haben wie I9l0 v. Lüpke nach Königsberg, so l9ll David Koch
nach Eisenach gerufen. Zein Referat über das Thema: „Warum soll sich die reli-
giöse Volkskunst in den praktischen Dienst der Kirche stellen?"') ist im Verhand-
lungsbericht im Auszug wiedergegeben. Schon dieser Auszug zeigt, wie weit das
Gebiet der Volkskunst ist. Es gehört dazu nicht nur die bildende Kunst, auch
Dichtkunst und Tonkunst sind mit einzubegreifen und so wird es kein Gebiet
pastoraler Praxis geben, in dem nicht die Kunst uns etwas sein könnte. Ich
nenne mit Koch: predigt, Liturgie, Gesangbuchreform, religiöse Lrzählungsreform
(Traktat-Bekämpfung), Auswahl des Memorierstoffs „deutsche Messen", Umbildung
der Gottesdienste, geistliches Volkslied, geistliche Volkskonzerte, offene Kirchen-Bau-
kunst, Pfarrhaus-Gemeindehausbau, Kirchenmalerei, religiöse Plastik (Grabmalkunst
und Friedhofreform), Heimatschutz und Denkmalpflege, kirchliches Kunstgewerbe,
reproduktive Kunst, Kunst im kirchlichen und religiösen Unterricht. Es ist somit
ganz unmöglich, das Thema Volkskunst und pastorale Praxis im Rahmen eines
Referats erschöpfend zu behandeln und nach dem Grundsatz „multuw non inulta"
greife ich heraus das Gebiet: Kunst im Religionsunterricht. Vie Reform
im Religionsunterricht und das Problem des Religionsunterrichts stehen ja auch
bei uns in Hessen wieder mehr im Vordergrund als früher, p. Matthes hat
darüber im Dezemberheft der Monatsschrift für pastoraltheologie 19l l 5. l09ff.
geschrieben. Angesichts der schweren Anklagen der Pädagogen und Lehrer den
Pfarrern gegenüber spricht Matthes die Mahnung aus: „Vie Vertreter der Kirche
sollten solche Anklagen immer wieder zum Anlaß nehmen, daß sie sich selbst prüfen,
ob sie die pädagogischen Fortschritte ebenso gewissenhaft benützen wie die Vertreter
der anderen Unterrichtsfächer, ob sie ebenso viel Kraft auf ihre Weiterbildung in
der Kunst des Schulunterrichts verwenden wie auf ihre Fortbildung in der Kunst
des predigens vor der Gemeinde, und ob sie sich in demselben Maße für die
pädagogischen Probleme und Aufgaben interessieren wie die Lehrer, und ganz
besonders, ob sie nicht Kräfte für politische, sozialökonomische und ästhetische Fragen
vergeuden, die sie in der Peripherie ihrer Amtstätigkeit halten, statt wie die Arbeit
am Unterricht sie in das Zentrum ihrer Berufsaufgaben zu führen." Es geht
aus dem Zusammenhang nicht deutlich hervor, wen Matthes mit dem Vorwurf
der Kräftevergeudung für ästhetische Fragen treffen will; so sehr aber Matthes
die Kunst im Religionsunterricht nicht in Bausch und Bogen abweisen wird, so
sicher wird er auch zugeben müssen, daß Pfarrer sich intensiver mit ästhetischen
Fragen beschäftigen, deren Arbeit so indirekt doch wieder dem Religionsunterricht
und der Kirche zugute kommt. Den Politikern und Lozialökonomen im Pfarr-
stand muß ich es überlassen, sich mit Matthes Gedanken auseinanderzusetzen.
ff Jetzt erschienen als Nr. 4/5 der Flugschriften des Volkskunstbundes, geht also neu
eintretenden Mitgliedern zu.
 
Annotationen