Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Nr. 12
Christliches Kunstblatt für Kirche, 5chule und Haus
461

Familiengeschichte und seinen prächtigen schwank ,,Zankt Urbans Rrug." Damit
freilich schien auch die vichterkrast von Hermann Rurz erschöpft, und als ihm
endlich im Jahre 1863 die Stelle eines Universitätsbibliothekars in Tübingen
zufiel, beschränkte sich seine Tätigkeit auf geschichtliche und literarische Stoffe.
In seinem Buch ,,Nus den Tagen der Schmach", 1871, Schilderungen aus der
deutschen Franzosenzeit, begrüßt der ehemalige Demokrat freudig das neue deutsche
Reich. Daneben galt seine Urbeit namentlich auch Shakespeare, und eine wahr-
hafte Freude war es ihm, zu Uonewkas Silhouetten „Falstaff und seine Gesellen"
den begleitenden Text schreiben zu dürfen. Um meisten Freude aber machte
ihm in dieser Zeit die Freundschaft mit Paul Heiffe, der sich mit ihm zur Heraus-
gabe des „Deutschen Novellenschatzes" und des „Novellenschatzes des Uuslands"
verband und ihm damit eine sichere Nebeneinnahme brachte.
Freilich: war's nicht auch eine Tücke des Geschicks, mit dem Hermann Kurz
sein Leben lang so heldenhaft gerungen, daß es ihm nun nur noch kurze Zeit
vergönnt sein sollte, sich sorgenloser Tage zu freuen? Um 10. Oktober 1873
machte ein Herzschlag seinem Leben ein Ende.
Unter grünem Gebüsch hat dem Dichter Reutlingen, das auch Friedrich List
seine Vaterstadt nannte, ein schönes Denkmal errichtet.
* *
*
vermögen wir modernen Menschen einem dichterischen Schaffen wie dem von
Hermann Kurz noch völlig gerecht zu werden? Man weiß, daß gerade die
letzten Jahrzehnte der Wandlungen und Überraschungen auf literarischem Gebiete
gar mancherlei gebracht haben. Erst den Realismus unserer Jungdeutschen und
dann aus ihm heraus als merkwürdige Blüte eine Neuromantik, die förmlich
in Gefühlen und Stimmungen schwelgt. Wir meinen, zwischen diesen beiden
Extremen sei Hermann Kurz aus eigenem wollen und Rönnen heraus auch seine
eigenen und stillen Wege gegangen. Ich möchte hier von langen Erörterungen
über seine Gedichte und kleineren Erzählungen absehen. Denn sie sind es meines
Erachtens doch erst in zweiter Linie, die ihm das Unrecht auf eine Wertung in
der Zukunft sichern. Sie lassen sich, bodenständig und heimatlich im strengsten
Sinne des Wortes, am allerwenigsten von denen verstehen, die an unsere Literatur
mit sozialen und weltbürgerlichen Forderungen aller Nrt herantreten. Sie senken
ihre Wurzeln so tief hinein in das Eigenleben eines kleinen Rreises und setzen
in ihrem Ernst und manchmal recht baroken Humor so viel intime Renntnis
schwäbischen Gemüts und — schwäbischer Nbsonderlichkeiten voraus, daß dem
Nußenstehenden ihr inneres verstehen kaum möglich ist. Den Dichter kann und
wird dafür von niemanden ein Vorwurf treffen. Um so weniger als er ja in
seinen beiden großen heimatlichen Romanen „Schillers Heimatjahre" und „Der
Sonnenwirt" Werke geschaffen hat, die ihm für alle Zeit einen der ersten Plätze
unter den Vertretern deutscher und unbestritten den ersten Platz unter den Ver-
tretern schwäbischer Heimatkunst sichern. „Nur wo ich geboren bin, stehe ich
auf sicherem Boden. - Das Heimatgesühl für sich selbst ist schon eine Ouelle der
 
Annotationen