228
sie sich später eine unifaffende und grundliche Bildung an, ohne daß
ihr je eine systematische Unterweisung zuteil geworden wäre.
Im Januar 1836 crreichte die Familie St- Louis, in dessen
Mhe das kleine Städtchen Belleville liegt, welches die zweite Heimat
der Auswanderer wurde. Hier kauste der Vater eine Farm- War
schon die lange Wagcnfahrt durch Frankreich, die Seereise und zu-
letzt die Dampfschisiadrt aus dein vereisien Niesenstrom sür das wiß-
begierige Kind eine Ouclle reichen Erlebens, so brachte die Fann
eine neue und crnsiere Schulung. Eine Familie, die in hochentwickelter
Kultur herangcwachsen war, siand iiuii mit ihrem Jdealismus, ihrem
reichen mitgebrachten Bücherschatz am Nande eines Urwalds. Es
galt, auch die einsachsien Ersorderniisc des Haushalts zu ersüllen,
und diese Arbeitslasi nel hauptsächlich dcr Mutter und den Töchtern
zu. Dennoch verweilte auch die Greistn wit ihrer Erinneruug mit
Vorliebe in dieier Zeit! die Kinder, deuen manche schwere Psiicht
im häuslichen und landwirtschastlichen Betriebe sich aufdrängte,
empfanden in der gauzen Art dcs Taseins den Reiz einer selbst-
erlebten Rvbinionade. Ein neuer Abschnitt bcgann für das heran-
wachsende Mädchen, als im Iahre 1842 die imiigst geliebte Mutter
starb. Da die älteren Schwestern verheiratet marcn, ruhte die Sorge
sür den Haushalt auf dem zwölfjährigen Kind, das nun sür die
Familie kocheu und nähen, Talglichter gießcn und Vorräte bereiten
mußte. Jndessen litt unter diesem Übermaß praktischer Betätigung
das geiftige Leben nicht. Vielnichr erweiterten sich ihre Kenntnisse
und Einsichten in der engen Gemeinschast mit dem hochgesinnten Vater
und mit ihren Brüdern. Dre deutschen Bewohner senes Städtchens
standen in regem Verkehr miteinander, rmter ihnen befanden sich
viele, die durch ihre politischen Bestrebungen gezivungen waren,
Deutschland zu verlassen. Aus diesem Verkehr schöpfte das heran-
wachsende Mädchsn ein lebhaftes Verständnis sür die Zusiände der
fcrnen Heimat und glühende Vaterlandsliebe. Wahrend die Brüder
durch ihre Studieir an Amerika gefesselt wurden und zwei sich als
Gelehrte drüben einen hervorragenden Namen erwarben, Julius Hil-
gard als Leiter des „Eoast, auck 6«ockotio surve^, Eugen als
Agrikulturchemiker und Universitätsprosessor in Berkeley (Kalifornien),
sie sich später eine unifaffende und grundliche Bildung an, ohne daß
ihr je eine systematische Unterweisung zuteil geworden wäre.
Im Januar 1836 crreichte die Familie St- Louis, in dessen
Mhe das kleine Städtchen Belleville liegt, welches die zweite Heimat
der Auswanderer wurde. Hier kauste der Vater eine Farm- War
schon die lange Wagcnfahrt durch Frankreich, die Seereise und zu-
letzt die Dampfschisiadrt aus dein vereisien Niesenstrom sür das wiß-
begierige Kind eine Ouclle reichen Erlebens, so brachte die Fann
eine neue und crnsiere Schulung. Eine Familie, die in hochentwickelter
Kultur herangcwachsen war, siand iiuii mit ihrem Jdealismus, ihrem
reichen mitgebrachten Bücherschatz am Nande eines Urwalds. Es
galt, auch die einsachsien Ersorderniisc des Haushalts zu ersüllen,
und diese Arbeitslasi nel hauptsächlich dcr Mutter und den Töchtern
zu. Dennoch verweilte auch die Greistn wit ihrer Erinneruug mit
Vorliebe in dieier Zeit! die Kinder, deuen manche schwere Psiicht
im häuslichen und landwirtschastlichen Betriebe sich aufdrängte,
empfanden in der gauzen Art dcs Taseins den Reiz einer selbst-
erlebten Rvbinionade. Ein neuer Abschnitt bcgann für das heran-
wachsende Mädchen, als im Iahre 1842 die imiigst geliebte Mutter
starb. Da die älteren Schwestern verheiratet marcn, ruhte die Sorge
sür den Haushalt auf dem zwölfjährigen Kind, das nun sür die
Familie kocheu und nähen, Talglichter gießcn und Vorräte bereiten
mußte. Jndessen litt unter diesem Übermaß praktischer Betätigung
das geiftige Leben nicht. Vielnichr erweiterten sich ihre Kenntnisse
und Einsichten in der engen Gemeinschast mit dem hochgesinnten Vater
und mit ihren Brüdern. Dre deutschen Bewohner senes Städtchens
standen in regem Verkehr miteinander, rmter ihnen befanden sich
viele, die durch ihre politischen Bestrebungen gezivungen waren,
Deutschland zu verlassen. Aus diesem Verkehr schöpfte das heran-
wachsende Mädchsn ein lebhaftes Verständnis sür die Zusiände der
fcrnen Heimat und glühende Vaterlandsliebe. Wahrend die Brüder
durch ihre Studieir an Amerika gefesselt wurden und zwei sich als
Gelehrte drüben einen hervorragenden Namen erwarben, Julius Hil-
gard als Leiter des „Eoast, auck 6«ockotio surve^, Eugen als
Agrikulturchemiker und Universitätsprosessor in Berkeley (Kalifornien),