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Chronik für vervielfältigende Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3813#0013
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CHRONIK

VERVIELFÄLTIGENDE KUNST

Die Chronik erscheint Mitte jedes Monats.
Sie kostet jährlich besonders und losort bezogen 4 ss. = 8 M.
Als Beiblatt unentgeltlich
wird sie geliefert den Abnehmern des Galeriewerkes, der Graphischen Künlle
und der Geschichtswerke. Für sosortige Zusendung werden denselben }
1 M. 60 Pf. jährlich berechnet.

Briefe und Handschriften für die Graphischen Künste und die Chronik für vervielfältigende Kunst sind an den Schriftleiter
Dr. Richard Graul, Wien, VI., Luftbadgasfe 17, zu richten.
INHALT: Neue Holzschnitte. — Valentin: Dürer sliehe. II. — Melani: Der moderne Holz schnitt in Italien. II. — Vermischte
Nachrichten: Aussorderung an deutsehe Originalradirer. — Photographische Mittheilungen. — Zu Callot's grandes miseres de la
guerre. — Carel L. Dake's Beethoven-Radirung. — Rauert & Rocco's Verlag. — Jury der Münchener Künstlergenossenschaft. — Gestorben:
Friedrich Juengling, Lesman, Guillaumet. — Anzeigen.

NEUE HOLZSCHNITTE.


IIs ist in unserer Chronik bereits mehrere Male
darauf hingewiesen worden, dass ein grosser
Holzschnitt von Professor Wilhelm Hecht an
die Abnehmer des Galeriewerkes der Gesellschaft für ver-
vielfältigende Kunst demnächst zur Vertheilung gelangen
wird. Seit das Galeriewerk besteht, wurden unseren Grün-
dern und Mitgliedern zweimal Meisterwerke moderner
Holzschneidekunst geboten; es waren Farbenholzschnitte
von Hermann Paar, der eine nach Adriaan van Ostade's
Kegelwerfen, der andere nach van Eyck's Bildnis eines
alten Mannes, beide Originale im Belvedere. Der Holz-
schnitt, den die Gesellschaft heuer herausgibt, entbehrt
freilich des farbigen Reizes; aber hinsichtlich der mit
grosser Meisterschaft erreichten malerischen Wirkung
braucht der neue grosse Holzschnitt Hecht's den Ver-
gleich mit den bellen Leistungen ähnlicher Art in Deutsch-
land nicht zu scheuen.
Der Vorwurf dieses Holzschnittes ist ein wohl-
bekanntes und vielgenanntes Bild der Dresdener Galerie:
das Bildnis der Henriette von Frankreich, Königin von
England. Darf dieses Porträt (Kniestück) der Gemahlin
König Karl's I. auch nicht als durchaus eigenhändiges
Werk van Dyck's angesprochen werden, so gehört es
doch zu jenen Werkstattarbeiten, bei denen der Meister
selbst Hand angelegt hat. Von den vielen Bildnissen der
Königin, die hier in weissem Atlaskleide mit reichem
Perlenschmucke erscheint, ist das Dresdener Kniestück

eines der anziehendsten und feinden. Die anmuthige
Gestalt der Königin hebt sich von einem rothen, gold-
besetzten Vorhang ab, sie zeigt jene zarte, matt leuch-
tende Tönung, die für Werke van Dyck's aus seiner
letzten Zeit bezeichnend ist.
Für die Übersetzung in Schwarz und Weiss bietet
dieses Bildnis gefälliger Weiblichkeit der Vorzüge genug,
der Schwierigkeiten aber auch die Menge. Es gehört ein
Virtuos im Tonstiche dazu, um das reiz- und effeftvolle
Spiel von Licht und Schatten auf dem glanzreichen Staat
der Königin in der Holzschnittwiedergabe zum Ausdruck
zu bringen. Die discrete Modellirung zudem des inter-
essanten Kopfes mit den mild sprechenden Augen, die
aristokratische Blässe des Incamats im Antlitz, auf der von
Spitzen umsäumten Brust und auf den zierlich bewegten
Armen — das Alles verlangt einen Interpreten von feiner
Bildung des Auges, das auch die versteckten Absichten
des Künstlers aufdeckt, und eine Hand, die fähig ist, alle
Feinheiten der Empfindung mit Geschmack vorzutragen.
Wilhelm Hecht hat zu wiederholten Malen als Radirer
und mehr noch als Holzsehneider Zeugnis abgelegt von
der Lebhaftigkeit und Eindringlichkeit seiner Nachempfin-
dung und von einer Vornehmheit der künstlerischen Ge-
sinnung und Ausfassung, die ihn in die vorderste Reihe
unserer reproducirenden Künstler stellt. Dabei hat er eine
durchaus persönliche Art und Weise des Vortrages. Beson-
ders als Holzsehneider übt er seine Kunst unbekümmert
 
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