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Demmin, August
Handbuch der bildenden & gewerblichen Künste: geschichtliche, archäologische, biographische, chronologische, monogrammatische und technische Encyclopaedie der Baukunst, Bilderkunde, Bildhauerei, Buchbinderei, Buchdruckerei, Buchmalerei ... (Band 1): Encyclopädie der Schriften-, Bilder und Wappenkunde, Trachten, Geräthkunst, Gefässkunde, der bürgerlichen und kirchlichen Baukunst, Kriegsbaukunst und Schiffsbaukunst: mit über 1000 Abbildungen — Leipzig, [1877]

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https://doi.org/10.11588/diglit.23810#0085
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Schriftenkunde.

Die Inschriftenkunde, Epigraphik (vom griechischen iTuyQcuprj,
Aufschrift) und die Altschriftenkunde oder Paläographie (vom grie-
chischen ncdaiog, alt, und yoayr], Schrift), welche zunächst alte Schriften,
seien sie nun eingehauen oder geschrieben etc., entziffern und kennen
lehren, greifen vielfach ineinander.

Die Kunst zu Schreiben, d. h. seine Gedanken behufs Mit-
theilung an Andere in, durch Uebereinkommen festgesetzte, sicht-
bare Formen auszudrücken, hat hauptsächlich zwei wesentlich ver-
schiedene Gruppen solcher Zeichen hervorgebracht: die ideo-
graphische Schrift, Wortschrift, Ideeenschrift oder Bilderschrift, und
die phonetische Schrift oder Lautzeichenschrift, zu denen man etwa
noch die Fingerzeichenschrift (daktylographische, französ.: aiphabet
manuel) der Taubstummen hinzufügen könnte, die man dem Abbe
de l'Epee (1712 —1789) verdankt, nachdem schon 1520—1548 der
spanische Benediktiner Ponce sich mit dem Unterricht der Taub-
stummen beschäftigt und die Fingersprache begründet hatte, worauf
W. Holder in Wallis (England), Heinike in Leipzig", der Schweizer
Amman, Verfasser des Surdus loque?is (Amsterdam 1692), und der
Pater Vanin mit seiner Bilderschrift den Weg weiter bahnten. Als
vierte würde noch die Kurzschrift (Stenographie) dazu kommen,
deren Ursprung in der Geheimschrift, Kryptographie, der Alten
zu suchen wäre.

Die Ideeenschrift oder symbolische Schrift, welche ein Wort,
einen Satz oder einen ganzen Gedanken durch ein einziges Zeichen
ausdrückt, war in Gebrauch bei den Amerikanern vor Verlust ihrer
Cultur, bei den Aegyptern, bei den Assyrern47) und ist es noch
bei Chinesen und Japanesen. Sobald sie nur von den Priestern

4') Die Keilschrift ist, soweit augenblicklich die Untersuchungen reichen, zum
Theil als hieroglyphisch, zum Theil als phonetisch zu betrachten. Alle bisherigen Ueber-
setzungen, deren Reihe Grotefend in Hannover mit der Entzifferung einiger Königs-
namen eröffnete, bürgen noch immer nicht für die volle Zuverlässigkeit des gefundenen
Schlüssels. Da diese Schrift zu einer semitischen Sprache gehört, muss schon das so
oft versuchte Lesen derselben von links nach rechts den Werth der so dehnsamen
Lesungen verdächtigen, welche zum Theil bisher in der Geschichte völlig unbekannte
Namen liefern und zwar mit Hilfe eines Systems, welches bald von links nach rechts,
bald von rechts nach links lesen will und sich also willig dazu hergiebt, die Lesart
zu liefern, welche man im Voraus wünscht. Der Werth der Entzifferungen ägyptischer
Hieroglyphen ist ebenfalls noch nicht völlig über ähnliche Zweifel erhaben.
 
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