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Demmin, August
Handbuch der bildenden & gewerblichen Künste: geschichtliche, archäologische, biographische, chronologische, monogrammatische und technische Encyclopaedie der Baukunst, Bilderkunde, Bildhauerei, Buchbinderei, Buchdruckerei, Buchmalerei ... (Band 1): Encyclopädie der Schriften-, Bilder und Wappenkunde, Trachten, Geräthkunst, Gefässkunde, der bürgerlichen und kirchlichen Baukunst, Kriegsbaukunst und Schiffsbaukunst: mit über 1000 Abbildungen — Leipzig, [1877]

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https://doi.org/10.11588/diglit.23810#0009
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ALLGEMEINE CULTURGESCHICHTLICHE

EINLEITUNG.

Uebersieht der in diesem Werk zu behandelnden

Gebiete.

Begriff der Kirnst. Kunstrichtungen.

Mit dem Ausdruck „bildende Künste" x) belegen wir Deutschen
diejenigen, deren Ziel es ist, durch Vorführung sichtbarer Schönheit,
also durch den Sinn des Sehens, das Gemüth zu erfreuen, und deren
Schöpfungen, da sie stofflich sind und Dauer haben, sich nicht im
Augenblick ihrer Erzeugung verflüchtigen, wie die der Tonkunst,
des Tanzes, der Pantomimik und der Declamation, dieser Künste
des Augenblickes. Das fliegende Wort: ,,Die Kunst spricht zu den
Sinnen", welches die Encyclopädisten des achtzehnten Jahrhunderts
verleitet hat, die Baukunst zu bezeichnen als Sprache durch die
charakteristische Formgebung der Bauwerke, die Bildhauerei als
Sprache durch die Nachahmung der Gestalten greifbarer Gegen-
stände, die Malerei als Sprache durch das Mittel der auf einer
Fläche ausgebreiteten Farben — dieses geflügelte Wort gehört
nicht zu den glücklichsten, denn die. Kunst spricht nicht eigentlich
zu dem Gefühl, sondern wirkt auf dasselbe, wie die Leidenschaft,
diese Steigerung oder vielmehr Abirrung des Gefühls, je nach dem
Adel oder der Niedrigkeit des Gegenstandes. Das wahre Gebiet
der Künste, der bildenden, der augenblicklichen und technischen,
ist andererseits ungerechtfertigt erweitert worden durch Hinzu-
fügung der sogenannten freien Künste, deren Erzeugnisse als Er-
gebnisse der Vernunft, des Nachdenkens, sich nur an den Geist

x) Die Franzosen verstehen unter „arts plastiques" (vom griechischen rcXuarixo;,
bildbar) gewöhnlich, wie wir unter plastischer Kunst, nur die Bildnerei und be-
zeichnen Malerei, Kupferstecherei, Stickerei u. s. w. als „zeichnende Künste". Dies
ist nicht streng logisch, denn die Zeichnung ist der Bildhauerei ebenso unentbehrlich
als der Stecherei und Malerei; Stecherei und Stickerei aber haben auch ihre plastische
Seite, Malerei endlich kann ohne Verständniss für das Plastische nicht bestehen. Den
Ausdruck „bildende Künste" könnte man im Französischen kaum wiedergeben.

Täümmin, Handbuch der bildenden u. gewerbl. Künste. I. Bd. I
 
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