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Demmin, August
Handbuch der bildenden & gewerblichen Künste: geschichtliche, archäologische, biographische, chronologische, monogrammatische und technische Encyclopaedie der Baukunst, Bilderkunde, Bildhauerei, Buchbinderei, Buchdruckerei, Buchmalerei ... (Band 1): Encyclopädie der Schriften-, Bilder und Wappenkunde, Trachten, Geräthkunst, Gefässkunde, der bürgerlichen und kirchlichen Baukunst, Kriegsbaukunst und Schiffsbaukunst: mit über 1000 Abbildungen — Leipzig, [1877]

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https://doi.org/10.11588/diglit.23810#0298
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290 Zweiter Theil. Allgemeines. Die bürgerliche und kirchliche Baukunst.

Die Säulenordnungen

spielen in manchen Lehrbüchern eine so hervorragende Rolle,
dass sie schon hier nicht ganz unerwähnt bleiben dürfen. Die
griechischen Tempel zeigen verschiedene Behandlung der Säulen
und Gebälke, und zwar sind diese Gestaltungen, deren Ursprung
man von den hellenischen Stämmen herleiten zu sollen glaubt,
in Wirklichkeit weder zeitlich, noch räumlich, noch auch der Form
nach so scharf geschieden, als es nach der gewöhnlichen scharfen
Trennung derselben scheinen möchte; nicht nur findet man an den-
selben Gebäuden Säulen verschiedener Ordnung, sondern auch sogar
dorische Capitäle unter ionischem Gebälk und umgekehrt. — Vitruv,
der bekanntlich mehr Militäringenieur als Architekt war und sein
Buch als Leitfaden für den der Baukunst unkundigen, aber sehr
baulustigen, Augustus schrieb, hat zuerst diese Ordnungen als ge-
trennte Dinge aufgeführt, und Jacomo Barozzio aus Yignola im Mai-
ländischen hat 1507 eine Abhandlung über die fünf Ordnungen heraus-
gegeben, welche bis jetzt als Leitfaden benutzt wird. Für die grie-
chische Baukunst giebt Vitruv drei Ordnungen an: die dorische,
ionische und korinthische, woran man füglich noch die pelasgische
reihen könnte; man könnte auch noch von ägyptischen Säulen-
ordnungen und zwar von einer protodorischen, einer Knospen-
capitälordnung, einer Palmenblatt- und einer Lotoscapitälordnung,
ferner bei den Assyrern und Persern von einer protoionischen
Ordnung reden. Als vierte Ordnung führt Vitruv die etruskische
oder tuskische an. Vignola nun macht daraus folgendes System.

1) Toscanische Ordnung, einfach und schmucklos.

2) Dorische Ordnung, kräftig, solid, einfach, bei den Griechen
ohne Säulenfuss, mit einem durch Triglyphen (Dreischlitze)
in Metopen getheilten Fries; das Capital (der Knauf) besteht
der Hauptsache nach aus einer Platte und darunter liegen-
dem, plattgedrücktem Wulst. Die römisch-dorische Säule be-
kommt einen Fuss und ein Halsglied.

3) Ionische Ordnung, bezeichnet durch die beiden Schnecken am
Capitäl, die seitlich als zusammengerollte und zusammen-
geschnürte Teppiche erscheinen. Die attische Abart dieser
Ordnung hat nur einen etwas anderen Fuss und etwas anders
geführte Schnecken, so wie im Gebälk keinen Fries zwischen
Unterbalken (Architrav) und Kranzleiste.

4) Die korinthische Ordnung hat etwas feinere, leichtere Glie-
derung" im Gebälk als die ionische, besonders einen niedrigeren
Architrav und reichere Unterglieder zwischen Fries und Kranz-
leiste. Das Capitäl ist mit stehenden Blättern versehen, wobei
fast so viele Formverschiedenheiten als Gebäude bei den
Griechen vorkommen, während bei den Römern stets zwei
Blattreihen und an jeder Seite zwei Eckschnecken und zwei
kleine Mittelschnecken erscheinen.

5) Die composite oder römische Ordnung ist eigentlich ko-
rinthisch, nur mit grösseren Schnecken und reicherem, etwas
 
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