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Demmin, August
Handbuch der bildenden & gewerblichen Künste: geschichtliche, archäologische, biographische, chronologische, monogrammatische und technische Encyclopaedie der Baukunst, Bilderkunde, Bildhauerei, Buchbinderei, Buchdruckerei, Buchmalerei ... (Band 1): Encyclopädie der Schriften-, Bilder und Wappenkunde, Trachten, Geräthkunst, Gefässkunde, der bürgerlichen und kirchlichen Baukunst, Kriegsbaukunst und Schiffsbaukunst: mit über 1000 Abbildungen — Leipzig, [1877]

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https://doi.org/10.11588/diglit.23810#0301
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China. Amerika.

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einigt wurden, von beinahe 2400 Kilometer Länge bei einer zwischen
6 und 11 Meter schwankenden, an einzelnen Punkten aber bis zu
26, ja 38 Meter steigenden Höhe, und einer Dicke, die an den
schmälsten Stellen 3 Meter beträgt. Erst im 5. Jahrhundert wurde
das Werk im Wesentlichen vollendet und erreichte im 7. Jahr-
hundert seine jetzige Ausdehnung von 3000 Kilometer oder 10,000 Li
(nach chinesischem Maass). Sie ist an mehreren Stellen zweifach,
indem dann zwei Futtermauern von je 1 Meter Stärke errichtet
sind, deren Zwischenraum mit Erde ausgefüllt und oben mit Fliessen
aus gebranntem Thon abgedeckt ist; an der Aussenseite läuft eine
etwas über die Mauer vorspringende, i1/^ Meter hohe Brustwehr
hin, in welcher von 2 zu 2 Metern Schiessscharten gelassen sind.
Etwa 1 20—125 Meter von einander entfernt stehen Thürme, im Ganzen
also über 24,000 Stück, die etwa 6 Meter vorstehen und die Mauer um
4—6 Meter überragen; die Thore sind noch durch besondere Boll-
werke geschützt. Manche Strecken bestehen inzwischen blos aus Erd-
wall oder Steinaufwurf, im östlichen Theil auch blos aus Pfahlwerk.
Weder in Ausdehnung, noch in Sorgfalt der Ausführung kann sich
mit ihr die römische Landesmauer im Westen Deutschlands, der so-
genannte Pfahlgraben, messen (s. S. 296). — In Mexiko sind es die
uralten Befestigungen von Tlaxkalteka und von San Pablo, in
Peru die Festungen von Ollantaytambo und Cuzko, sowie ein Thurm
bei dem Dorf Chupan, welche als Zeugen der Kriegsbaukunst
untergegangener, gebildeter Völker in unsere Zeit hereinragen.

Die im Lauf der Zeit sich ablösenden Systeme der Befestigung
waren natürlich sehr verschiedene, da sie ebensowohl von der
herrschenden Kampfweise und dem Volksgeist, als von dem Boden
und dem verfügbaren Material abhingen. Homer schildert die Be-
festigungsarbeiten der Trojaner und der Griechen, welche beide
noch keine Maschinen zum Brechen der Mauern und zum Schleudern
schwerer Wurfmassen kannten. Das Lager der Griechen war auf
selbe Weise befestigt wie um Jahrhunderte später die Ortschaften
der Hyrkanier95) und Ostindier, indem bei den ersteren Alexander
der Grosse noch grüne Verhaue (sogenannte Gebücke) als Be-
festigung vorfand, bei den letzteren aber Vermachungen aus Pfählen,
die mittels Weidenzweigen durchfiochten waren, während die alte
mexikanische Stadt Tobasko im Schutz von ganz dicht schliessen-
den Pfählen mit Schiessscharten ruhte, ganz so, wie noch heute
die Verpfändungen in vorgeschobenen und für Zeit errichteten
Werken gefertigt werden. — Die Seestadt Tulum an der Ostküste
der Halbinsel Yukatan, nach Einigen zwar erst von den Tolteken,
die um 640 n. Chr. die Halbinsel besetzten, nach Anderen aber
schon vor der Zeit des trojanischen Kriegs gegründet, also über
1200 Jahre v. Chr.96), war schon im West, Süd und Nord von

9o) Hyrkanien dehnte sich entlang der Südostküste des Kaspischen Meeres, von
der Mündung des Oxus bis nahe zu der Stadt Maxeras, und bildete einen Theil des
Persischen Reichs.

96) Nach den auf Paros gefundenen Marmorinschriften wäre Troja um 1209 v. Chr.
eingenommen und zerstört worden.
 
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