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Demmin, August
Handbuch der bildenden & gewerblichen Künste: geschichtliche, archäologische, biographische, chronologische, monogrammatische und technische Encyclopaedie der Baukunst, Bilderkunde, Bildhauerei, Buchbinderei, Buchdruckerei, Buchmalerei ... (Band 1): Encyclopädie der Schriften-, Bilder und Wappenkunde, Trachten, Geräthkunst, Gefässkunde, der bürgerlichen und kirchlichen Baukunst, Kriegsbaukunst und Schiffsbaukunst: mit über 1000 Abbildungen — Leipzig, [1877]

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https://doi.org/10.11588/diglit.23810#0379
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Griechische, römische, nordische Schiffe.

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zur Zeit der römischen Einfälle Boote aus Weidengeflecht, mit
Leder überzogen, wie man sie noch heute in der Tartarei findet,
wo diese Boote als Gerippe nur einige Bambusstengel haben. Die
Völker des Nordens, unter denen die Skandinavier sich besonders
durch Kühnheit und Räuberei zur See hervorthaten, hatten schon
vor und während der Römerzeit ihre Flotten. Aber nur Weniges
ist es, was wir von ihrem Schiffsbau wissen. Die Heneter oder
Veneter des Morbihan (d. h. kleines Meer, in der Normandie), deren
Hauptstadt Dariorigum (jetzt Vannes) war, vermuthlich ein Zweig
desselben Stammes slavischer Wenden, welcher der Stadt Venedig
den Namen gab und welchem die Wenden der Nordseeküste (auch
die Wenden Sachsens?) und die Veneter Paphlagoniens angehören,
besassen nach Julius Cäsar's Bericht grosse, hochbordige Schiffe,
wohl geeignet, die Stösse der Stürme und des Zusammentreffens
mit feindlichen Fahrzeugen abzuhalten. Sie waren ganz aus Eichen-
holz gebaut und übertrafen sogar die römischen Schiffe. Flach-
kielig und wenig einsinkend, hatten sie an Eisenketten hängende
Anker und aus weichen Häuten genähte Segel. Dieselben Veneter
gaben ihren Flotten im 4. Jahrhundert n. Chr. Ausspähschiffe bei,
welche nur 20 Ruderer an jeder Seite führten und die man in der
Bretagne Picten nannte100). — Die gallischen Coraclen waren Boote
aus Weidengefiecht.

Das Dunkel, welches in dieser Beziehung das Ende des Alter-
thums einhüllt, herrscht auch noch betreffs eines grossen Theils
des Mittelalters, dessen Schiffsbauwerke man an Buchmalereien und
Siegeln von meist zweifelhafter Genauigkeit studiren muss. Es
ist jedoch anzunehmen, dass die meisten Wasserfahrzeuge jener
Zeit, so z. B. die, welche Karl der Grosse an allen Flüssen Galliens
und Deutschlands bauen Hess, „um eine Flotte gegen die Nor-
mannen zusammen zu bringen", nur Boote waren von der Art, die
in Frankreich esquif heissen (eine Verstümmelung des Wortes Schiff),
da selbst die 3000 Schiffe, welche Wilhelm der Eroberer mit seiner
zusammengerafften Schaar von Räubern und Abenteurern benutzte,
ebenso wie die Transportschiffe der ersten Kreuzzüge, noch sehr
wenig Ladefähigkeit boten. Das weiterhin abgebildete norman-
nische Schiff jener Zeit hatte nur 16 bis 20 Ruder und ein an
der linken Seite des hohen und spitzen Spiegels befestigtes Steuer.
In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts erscheint der Hochbau
auf dem Hintertheil (Heck) und das Achtercastell, wie das Schiff
der Kreuzfahrer sie führt. Im 14. Jahrhundert zeigen die norman-
nischen Schiffe dieselbe Hütte oben auf dem Vordertheil, welche ver-
muthlich beim Entern diente, um von da auf das Verdeck des feind-
lichen Schiffes zu springen.

Die Galeeren, welche sich von den antiken Trieren ableiten,
waren viel grösser als diese, denn selbst im 17. Jahrhundert noch

105) Die Bretonen Grossbritanniens, welche der Bretagne des Continents den
Namen gaben, landeten, vor den Angeln und Sachsen fliehend, erst im 5. und 6. Jahr-
hundert im westlichen Armorica, und ihr Graf wurde 912 als Lehnsmann des Herzog-
thums Normandie anerkannt.

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