Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
— 46 —

II.

Die Zierplastik in der Sigismunduskapelle.

Wie die Jagellonenkapelle als Ganzes als die schönste
Blüte und als das erste Renaissance-Werk erscheint, das
vom italienischen unmittelbar auf den polnischen Boden ver-
pflanzt wurde, so übertrifft sie auch durch den Reichtum der
Ornamentformen alle übrigen Kunstdenkmäler, die je in
Polen entstanden sind. Ein Blick auf die Wände der Kapelle
genügt, um sich zu überzeugen, mit welch künstlerischem
Empfinden und mit welch gewaltiger Gestaltungskraft die
Anlage der Dekoration geschaffen ist, die das Gerüste einer
wirkungsreichen Ornamentik zu bilden hatte. Selbst der
geringfügigste Raum an den begrenzenden Wandflächen der
Kapelle lässt das innere Leben einer hochentwickelten Orna-
mentik empfinden, die nichts von der Schönheit der leeren
Fläche ahnen will. Diese zahllosen Ornamentformen, die
sich den Grundsätzen der Raumgestaltung einfügen, tragen
aber einen funktionellen Charakter, der, durchaus architek-
tonischer Art, im wesentlichen dekorativ von der Groteske
beherrscht wird. Wie die Certosafront ist die Dekoration ein
aus Werken dekorativer Kleinplastik zusammengesetztes
Mosaik. Die gleiche dekorative Phantasie, die der oberita-
lienischen Frührenaissance eigen ist, die am Dom von Como
in den Pilasterfüllungen der Rodari ihre grösste Entfaltung
erreicht, ist auch in der Sigismundskapelle tätig. Aber das,
was die Zierplastik der Sigismundskapelle von diesen ober-
italienischen Schöpfungen unterscheidet, ist der höhere Grad
von Klarheit der Gesamtkomposition. Keine unmotivierte
Häufung gleichartiger Teile, sondern das Streben, durch die
Mannigfaltigkeit der kraftvollen Gliederungen zu wirken, keine
 
Annotationen